ArchivDeutsches Ärzteblatt6/2023Krankenhausreform: Die Weiterbildung mitdenken

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Krankenhausreform: Die Weiterbildung mitdenken

Osterloh, Falk

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Junge Ärztinnen und Ärzte fordern, dass die anstehende Krankenhausreform die Qualität der Weiterbildung nicht verschlechtern dürfe. Sie fordern Verbünde zwischen allen Versorgungsebenen, hauptamtliche Weiterbilder und eine zweckgebundene Finanzierung.

Foto: Dean Mitchell iStock
Foto: Dean Mitchell iStock

Bund und Länder wollen in einer großen Reform die Krankenhauslandschaft grundlegend umgestalten. Eine solche Veränderung hätte zwangsläufig auch Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung. In den Vorschlägen der Regierungskommission, die die Grundlage der Reform bilden sollen, ist von den Folgen für die Weiterbildung allerdings nirgends die Rede. Vor diesem Hintergrund fürchten junge Ärztinnen und Ärzte nun, dass die Belange der Weiterbildung bei der Reform nicht mitgedacht werden und sich die Rahmenbedingungen für ihre Weiterbildung weiter verschlechtern. „Wenn es durch die Reform zu einer Reduzierung von Krankenhausstandorten und zu einer Ausweitung der Ambulantisierung kommt, kann ein Engpass an Weiterbildungsplätzen die Folge sein“, fürchtet das Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte (BJÄ) im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). Der ohnehin schon bestehende Ärztemangel könne dadurch noch verschärft werden.

Auch die Bundesärztekammer (BÄK), die auf Bundesebene für die ärztliche Weiterbildung verantwortlich ist, beobachtet genau, welche Auswirkungen die Reform auf die Weiterbildung haben wird. Bei der BÄK sind Dr. med. Johannes Albert Gehle und Prof. Dr. med. Henrik Herrmann als Vorsitzende der Weiterbildungsgremien für dieses Thema zuständig. „Es ist davon auszugehen, dass die vorgesehenen Reformen enormen Einfluss auf die stationären und ambulanten Strukturen, die Krankenhauslandschaft, das Patientengut von Krankenhäusern und das jeweilige Leistungsangebot haben werden“, betonen sie gegenüber dem . „Infolgedessen ist auch von Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung auszugehen – insbesondere vor dem Hintergrund einer kompetenzorientierten Weiterbildung.“

Ungünstige Strukturen

Dabei sind viele junge Ärztinnen und Ärzte schon mit den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht zufrieden. „Es ist ungünstig, dass die Weiterbildung in hohem Maße von den jeweiligen Umständen geprägt ist: zum Beispiel von der Qualität der Weiterbildenden und von den ökonomischen Vorstellungen des Krankenhausträgers“, kritisiert das BJÄ. Hinzu komme die vielerorts bestehende Personalknappheit, die zu einem ungünstigen Supervisionsverhältnis führe. Oft bekämen die Weiterzubildenden von Oberärztinnen und -ärzten zu hören: „Das muss jetzt schnell gehen. Das mache ich lieber selbst.“ Auch sei nicht in jedem Fall die Qualifikation der Weiterbildungsbefugten sichergestellt. Aufgrund von Personalmangel und Personalwechsel fänden Rotationen in den einzelnen Fachbereichen nur unzuverlässig statt, so das BJÄ weiter. Und die Dokumentation der Weiterbildung sei häufig uneinheitlich. Das Bündnis lobt den Wechsel zum elektronischen Logbuch, der von der Bundesärztekammer angestoßen wurde. Allerdings verlaufe der Wechsel teilweise schleppend und bisweilen fänden noch Doppeldokumentationen – digital und analog – statt.

Theoretisches Curriculum

Dem BJÄ zufolge wünschen sich viele junge Ärztinnen und Ärzte ein begleitendes theoretisches Curriculum für die gesamte Weiterbildungszeit. „Man ist sehr davon abhängig, wie gut und ob überhaupt theoretische Inhalte von den Ausbildern vermittelt werden“, erklärt das Bündnis. In der Folge bleibe es dann oft bei einem Selbststudium, bei dem die theoretischen Grundlagen in der Freizeit alleine aufgearbeitet werden müssten. Nur in einzelnen Fachrichtungen wie der Radiologie, Kardiologie und der Allgemeinmedizin seien bisher strukturierte Curricula für die Weiterbildungszeit durch ehrenamtliches Engagement von Weiterzubildenden und Weiterbildenden entwickelt worden. Um die für die Lernziele eines Weiterbildungscurriculums notwendigen Inhalte bereitzustellen, hat das Forum Junge Radiologie vor Kurzem die digitale Lernplattform Raducation erarbeitet (Kasten).

„Die Qualität der Weiterbildung leidet unter dem finanziellen Druck, unter dem sie im Krankenhaus steht.“ Jon Wahnschaffe, Hartmannbund. Foto: Hartmannbund
„Die Qualität der Weiterbildung leidet unter dem finanziellen Druck, unter dem sie im Krankenhaus steht.“ Jon Wahnschaffe, Hartmannbund. Foto: Hartmannbund

Aus Sicht des Hartmannbundes (HB) zählt zu den größten Problemen, dass die Weiterbildung im stationären Sektor nicht extra vergütet wird und insofern an den wirtschaftlichen Ertrag eines Krankenhauses gebunden ist. „Das führt dazu, dass die Qualität der Weiterbildung durch den finanziellen Druck erheblich leidet und häufig an letzter Stelle im Krankenhaus steht“, kritisiert Jon Wahnschaffe, der zusammen mit zwei Kollegen dem Arbeitskreis IV für Weiterbildung im Hartmannbund vorsteht. Hinzu komme der erhebliche Personalmangel, sagt auch er. Eine suffiziente, geordnete und planbare Weiterbildung mit Erfüllung aller Anforderungen der Weiterbildungsordnung sei damit für viele Weiterzubildende weit entfernt.

Als Best-Practice-Beispiel nennt Wahnschaffe eine funktionierende Verbundweiterbildung. „Dabei werden die Weiterzubildenden im Verbund von ambulantem und stationärem Sektor über die gesamte Dauer der Weiterbildung durch die verschiedenen Abschnitte geführt“, erklärt er. „Der gesamte Weiterbildungsablauf ist gesichert und die Weiterzubildenden lernen alle Akteure einer Region gut kennen.“ So steige die Chance, trotz häufiger Wechsel der Weiterbildungsstationen eine geordnete und der Weiterbildungsordnung entsprechende Weiterbildung zu erhalten – und in der Folge auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Weiterzubildenden nach der Facharztprüfung in der jeweiligen Region klinisch tätig werden.

„Wichtig ist dabei, dass die Verantwortung trotz des Wechsels zwischen den verschiedenen Standorten des Verbundes bei einer weiterbildungsbefugten Person liegt“, sagt Wahnschaffe, der derzeit seine Weiterbildung in der Inneren Medizin absolviert.

Die Bundesärztekammer betont, wie sehr die Rahmenbedingungen der ärztlichen Weiterbildung durch die tatsächlichen Versorgungsstrukturen beeinflusst werden. „Die Weiterbildung findet durch von der Ärztekammer befugte Ärztinnen und Ärzte an zugelassenen Weiterbildungsstätten statt“, betonen Gehle und Herrmann. „Für die Weiterbildung kommt es somit ganz wesentlich auf die Befugten und das Leistungsgeschehen an der Weiterbildungsstätte, beispielsweise der Krankenhausabteilung, an.“ Was müssen Bund und Länder bei der Reform berücksichtigen, damit die Qualität der Weiterbildung nicht verschlechtert wird? „Ziel der ärztlichen Weiterbildung ist unter anderem die Spezialisierung von Ärzten in einer Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung durch den Erwerb der jeweiligen ärztlichen Kompetenzen“, betonen Gehle und Herrmann. „Die Weiterbildungsqualifikationen dienen damit der Qualitätssicherung der Patientenversorgung. Es ist wichtig, dass die versorgungsrelevanten und qualifikationsspezifischen Kompetenzen auch in Zukunft flächendeckend und umfassend vermittelt werden können.“ Faktoren, die die Weiterbildung erschwerten, stellten ein Hindernis dar und müssten unter diesem Gesichtspunkt kritisch diskutiert werden.

Ein hohes Gut

Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis hat die Vorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausreform federführend mit verfasst. „Grundsätzlich ist die Weiterbildung Aufgabe der Ärztekammern und kein explizites Thema der Regierungskommission – auch, wenn die von uns vorgeschlagenen Strukturänderungen natürlich die Weiterbildung tangieren“, sagt er dem und umreißt seine persönliche Vorstellung einer künftigen Strukturierung des Systems: „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, würde ich mir wünschen, dass Facharztpraxen in Zukunft an Krankenhäusern assoziiert werden und dass die Weiterbildung hier nach einem festen Curriculum abläuft.“ Zugleich müssten Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten als Primärärztinnen und -ärzte in der Fläche gestärkt werden. In beiden Bereichen müsse die Weiterbildung künftig extrabudgetär finanziert werden, betont Karagiannidis. Denn „sie ist ein hohes Gut und braucht Zeit“.

Wie möchte die Regierungskommission sicherstellen, dass die Zahl der Weiterbildungsstellen nicht abnimmt, wenn ein Großteil der Weiterbildung künftig ambulant durchgeführt wird? „Der Vorschlag der Regierungskommission sieht eine erhebliche Zahl von Leistungsgruppen in den großen Level-3-Krankenhäusern und den Universitätskliniken vor – auch im Hinblick darauf, dort die stationäre Weiterbildung zu sichern“, sagt Karagiannidis. Er sieht die Universitätsmedizin dabei in der Verpflichtung, eine gute stationäre Weiterbildung zu organisieren. „Die Frage ist aber auch: Muss jede Leistungsgruppe immer stationäre Betten vorhalten oder sind gute Ambulanzen und Konsildienste wie in der Endokrinologie oder der Diabetologie nicht für die Weiterbildung ebenso wertvoll?“, so Karagiannidis.

Für die anstehende Krankenhausreform wünscht sich Wahnschaffe vom Hartmannbund, dass die Finanzierung der Weiterbildung neu geregelt wird. „Aus der Sicht unseres Arbeitskreises muss die Weiterbildung losgelöst vom wirtschaftlichen Ertrag eines Krankenhauses stattfinden. Dazu gibt es zwei mögliche Modelle: Für jeden Weiterzubildenden gibt es eine Extravergütung, die zweckgebunden der Weiterbildung zur Verfügung steht. Oder für zum Beispiel fünf Weiterzubildende wird eine zusätzliche oberärztliche Stelle finanziert, die nur für die Weiterbildung zuständig ist und nicht primär für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Finanziert werden könnte dieses System aus unserer Sicht hälftig vom Staat und den Krankenkassen, die beide ein hohes Interesse an einer qualitativ hohen Patientenversorgung haben.“

„Ein Qualitätsverlust in der ärztlichen Weiterbildung darf kein Kollateralschaden einer Krankenhausreform sein.“ Stefan Schröter, Universitätsklinikum Essen. Foto: privat
„Ein Qualitätsverlust in der ärztlichen Weiterbildung darf kein Kollateralschaden einer Krankenhausreform sein.“ Stefan Schröter, Universitätsklinikum Essen. Foto: privat

Auch die Delegiertenversammlung des HB-Landesverbandes Nordrhein hat vor Kurzem Bund und Länder aufgefordert, eine qualitativ hochwertige Weiterbildung bei der anstehenden Krankenhausreform sicherzustellen. „Nicht jedes Krankenhaus soll zukünftig alles anbieten, sofern innerhalb einer Arbeitsteilung die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich sichergestellt werden kann“, kommentierte der Vorsitzende des Landesverbandes, Dr. med. Stefan Schröter, den entsprechenden Beschluss. Das sei ein guter Ansatz, weil positive Auswirkungen sowohl auf Qualität als auch auf Wirtschaftlichkeit zu erwarten seien. „Gleichwohl dürfte es vor diesem Hintergrund künftig weitaus schwieriger sein, eine vollumfängliche, hochwertige und curricular-strukturierte Weiterbildung in fachärztlichen Gebieten sowie in Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildungen absolvieren zu können, weil Weiterbildungsinhalte wohl nicht mehr vollständig an ein und derselben Weiterbildungsstätte erworben werden können“, meinte Schröter, der zugleich Vorsitzender des Personalrats der wissenschaftlich Beschäftigten der Universität Duisburg-Essen im Universitätsklinikum Essen ist. „Das bedeutet, dass Ärztinnen und Ärzte voraussichtlich die Weiterbildungs- und somit auch die Arbeitsstätte und den Arbeitgeber innerhalb der Weiterbildung mehrfach wechseln müssen.“

Die aus gutem Grund geltenden Regelungen in Gestalt des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung – in dem die Ausgestaltung von Kurzzeitverträgen geregelt ist – sowie der geltenden Tarifverträge drohten hierbei zukünftig ins Leere zu laufen. „Die gesetzlichen sowie die tarifvertraglichen Regelungen zur Befristung von Arbeitsverträgen sowie die logbuch-geleiteten ärztlichen Weiterbildungscurricula stellen wichtige Errungenschaften dar, die die Situation von in der Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzten in den letzten Jahren deutlich verbessert haben“, meinte Schröter. „Ein Rückfall zu prekären Kurzzeitverträgen sowie zu unstrukturierten, einerseits Redundanzen, andererseits aber Lücken erzeugenden Weiterbildungsverläufen und somit ein Qualitätsverlust in der ärztlichen Weiterbildung mit Auswirkungen auf die Patientenversorgung in der Zukunft dürfen aber nicht Kollateralschäden einer Krankenhausreform sein.“

Ziel müsse es sein, rechtssichere Lösungen wie planmäßig-curriculare Rotationen zwischen kooperierenden Weiterbildungsstätten auch unterschiedlicher Trägerschaft mutig zu organisieren und aktiv zu pflegen. „Das Portfolio der hierfür infrage kommenden Instrumente ist freilich eher klein“, sagte Schröter. „Zur Anwendung kommen könnten zeitlich befristete Beurlaubungen mit ausdrücklicher Bejahung eines dienstlichen Interesses oder sozial verantwortungsvoll gestaltete Arbeitnehmerüberlassungen zwischen verschiedenen Krankenhausträgern unter Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages zum Zwecke der vollumfänglichen Weiterbildung an der primären Weiterbildungsstätte.“

Auch das Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte hat klare Vorstellungen für gute Weiterbildungsstrukturen nach der Reform: „Wir brauchen Weiterbildungsverbünde zwischen Maximalversorgern, Krankenhäusern der Grundversorgung und Praxen.“ Zudem sollten die Krankenhäuser in die Lage versetzt werden, Lehrpersonal bereitzustellen, ohne dabei unter finanziellen Druck zu geraten. „Dabei sollte es feste Lehrbeauftragten in den Krankenhäusern geben, die diese Aufgabe nicht nebenberuflich ausüben“, fordert das BJÄ. Falk Osterloh

Lernplattform Raducation

Die Lernplattform Raducation wurde ehrenamtlich von Weiterzubildenden der Radiologie aus der Taskforce Weiterbildung des Forums Junge Radiologie erarbeitet. Sie beinhaltet unter anderem digitale Seminare, Vorträge, E-Books, Reviews und Fachartikel. Alle Lerninhalte sind entsprechend der Lernziele des Weiterbildungscurriculums Radiologie des Forums Junge Radiologie, der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR), der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) und der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR) strukturiert, die kognitive und Methodenkompetenzen ebenso wie Handlungskompetenzen in Übereinstimmung mit der Muster-Weiterbildungsordnung (M-WBO) abdecken.

Die Lerninhalte auf Raducation können jeweils nach Themen und Schwierigkeitsniveaus gefiltert werden, um sich zum Beispiel gezielt auf die ersten Dienste oder auf die Facharztprüfung vorzubereiten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines individualisierten Lernens über eigene Lernlisten und des Monitorings der Lernfortschritte. Geplant ist, künftig auch die Integration echter Prüfungsfragen samt Ideallösungen aus Facharztprüfungsprotokollen mit aufzunehmen.

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