

Maßgebend für die neue Berlin-Begeisterung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung sind die Verhältnisse. Das Bundesgesundheitsministerium sitzt zwar offiziell noch in Bonn, doch Gesundheitspolitik wird de facto in Berlin gemacht. Wer der Politik nahe sein will, so wird argumentiert, kann nicht anders, als sich gen Osten zu bewegen. Denn Nähe zu Politik bedeutet ja nicht nur die Wahrnehmung offizieller Termine, womöglich wichtiger sind die vielen informellen Kontakte, die halt nur am Ort des Geschehens gepflegt werden können.
Die Berliner Gesundheitspolitik hat auf dem 103. Deutschen Ärztetag allerdings nur am Rande eine Rolle gespielt. Die Gesundheitsreform 2000, die im Vorjahr die Gemüter erregt hatte, ist gelaufen; sie muss erst verdaut werden.
In diesem Jahr standen vielmehr die Hausaufgaben an. Man renovierte die ärztliche Berufsordnung und setzte die Eckpunkte für eine gründliche Überarbeitung der Weiterbildungsordnung. Die Berufsordnung öffnet nun den Weg für eine erweiterte Information des Patienten. Die Debatten zur Weiterbildungsordnung waren zwar von den bekannten Interessen geprägt, verliefen aber im Großen und Ganzen sachlich und gelassen, einige wenige Ausrutscher inklusive. Ein ruhiger Ärztetag also, der innerärztlich allerdings in den nächsten Jahren einiges bewegen wird.
Gesundheitspolitik prägte allerdings die Ärztetagseröffnung. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer und Bundesärztekam-
merpräsident Jörg-Dietrich Hoppe setzten ihre Meinungen gegeneinander. Frau Fischer hält nach wie vor große Stücke auf ihre Reform, wenn sie auch noch weiteren Reformbedarf sieht. Hoppe ließ keinen guten Faden an dem Gesetzeswerk. Der Ärztetag kreidete später in einer Entschließung die nunmehr deutlich zutage tretenden Rationierungen im Gesundheitswesen an.
Trotz aller politischen Gegensätze scheint das Verhandlungsklima zwischen Ärzteschaft und Bundesgesundheitsministerium nicht mehr derart von Turbulenzen getrübt zu sein wie noch während des Gesetzgebungsverfahrens. So gab es vorsichtige Signale seitens der Ministerin, auch über die Beitragsseite der Gesetzlichen Krankenversicherung nachzudenken. Das entspricht auch ärztlichen Überlegungen. Eine weitere Übereinstimmung besteht bei den Arztzahlen beziehungsweise der Zahl der Medizinstudenten, die sowohl aus politischer wie berufspolitischer Sicht zu hoch ist.
Für den im vorigen Jahr neu gewählten Präsidenten des Deutschen Ärztetages, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, war dieser Ärztetag die Bewährungsprobe. Er hat sie nach übereinstimmender Meinung gut bestanden. Sein Vorgänger, Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Karsten Vilmar, der den Ärztetag über zwanzig Jahre geprägt und die Ärzteschaft gegenüber der Politik standfest und mit Augenmaß vertreten hat, wurde, neben weiteren, mit der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft
ausgezeichnet. Die Versammlung dankte mit anhaltendem Bei-
fall. Norbert Jachertz