ArchivDeutsches Ärzteblatt24/2023Änderung des COVID-Symptomprofils während der Coronapandemie
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Für Hausärztinnen und Hausärzte ist es wichtig, Patientinnen und Patienten mit COVID-19 zu erkennen, die von einer Therapie profitieren könnten (1). Während der vollständige Geruchs- und Geschmacksverlust ein Kennzeichen von COVID-19 war, berichteten neuere Studien, dass Patientinnen und Patienten mit den Omikron-Subvarianten BA.1 und BA.2 deutlich seltener einen Geruchs- und Geschmacksverlust aufwiesen, dafür aber häufiger über Halsschmerzen klagten (2, 3).

In diesem Beitrag möchten wir die Informationen zur Symptomhäufigkeit erweitern um die Daten bei Patientinnen und Patienten mit wahrscheinlicher oder nachgewiesener Omikron-BA.5-Infektion.

Methoden

Wir analysierten dazu die Daten des deutschen Meldesystems. Sie basieren auf PCR-positiven Fällen (PCR, Polymerasekettenreaktion), die von den Gesundheitsämtern erfasst und an das Robert Koch-Institut übermittelt werden. Gesundheitsämter können angeben, welche der 14 im Meldesystem verfügbaren Symptome vorhanden sind. Wir werteten die Daten der Fälle mit mindestens einem übermittelten Symptom aus, stratifiziert nach Altersgruppe und Phase, in der eine bestimmte Variante > 80 % der sequenzierten SARS-CoV-2-Stämme ausmachte (4). Für die vorliegende Analyse wurden nur spezifische Symptome berücksichtigt, die Variable „allgemeine Krankheitszeichen“ wurde ausgeschlossen. Bis zur Kalenderwoche (KW) 48/2022 wurden rund 9 200 000 symptomatische Fälle übermittelt, darunter 1 400 281 Fälle, die während der von Omikron-BA.5-dominierten Phase (KW 26–48/2022) auftraten.

Ergebnisse

Insgesamt und über alle Varianten hinweg waren Husten (51 % beim Wildtyp; 69 % bei BA.5) und Schnupfen (36 %; 62 %) die am häufigsten übermittelten Symptome (Tabelle). Für beide zeigte sich ein ansteigender Trend innerhalb der Altersgruppen, der am stärksten für Schnupfen in der Altersgruppe ab 15 Jahre ausgeprägt war, mit einem deutlichen Anstieg vor allem während der Delta- und BA.1- beziehungsweise BA.2-Dominanz (Grafik).

Anteil von Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber
Grafik
Anteil von Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber
Anzahl und Anteil der 5 am häufigsten übermittelten spezifischen Symptome unter symptomatischen Fällen während der vom Wildtyp-, Delta- und Omikron-BA.5-dominierten Phase
Tabelle
Anzahl und Anteil der 5 am häufigsten übermittelten spezifischen Symptome unter symptomatischen Fällen während der vom Wildtyp-, Delta- und Omikron-BA.5-dominierten Phase

Im Gegensatz dazu blieb der Anteil an Patientinnen und Patienten mit Halsschmerzen in der Zeit vor Omikron relativ stabil, verdoppelte sich dann jedoch bis zum Auftreten von BA.5 in allen Altersgruppen (Grafik). Während der BA.5-Phase war die Prävalenz von Halsschmerzen bei Erwachsenen im Alter von 15–79 Jahren am höchsten und erreichte etwa 50 % (Grafik). Hinsichtlich des Anteils an Fieber kam es beim Übergang von der BA.2- zur BA.5-dominierten Phase in allen Altersgruppen zu einem bemerkenswerten Anstieg. Die höchste Fieberrate unter den symptomatischen COVID-19-Fällen hatten Kinder unter 5 Jahren (69 %), aber auch bei Personen ab 80 Jahren lag der Anteil bei immerhin etwa 24 % (Grafik).

Die Anteile von Geruchs- und Geschmacksverlust sanken beide beim Übergang von der Delta-dominierten Phase (23 % und 24 %) zur Omikron-BA.1-dominierten Phase (7 % und 8 %) um einen Faktor von 2 bis 3 (je nach Altersgruppe) und stiegen während der BA.5-dominierten Phase nur leicht auf ein niedriges Niveau von etwa 10 % an. Auch während der Dominanz von BA.5 berichteten jüngere Erwachsene etwas häufiger als andere Altersgruppen über diese beiden Symptome.

Während der von Omikron-BA.5-dominierten Phase waren die drei häufigsten spezifischen Symptome bei Kindern unter 5 Jahren Fieber (69 %), Husten (51 %) und Schnupfen (49 %) und bei Erwachsenen ab 15 Jahren Husten, Schnupfen und Halsschmerzen, wobei der Anteil bei Erwachsenen im Alter von 15–79 Jahren höher war als bei den Personen ab 80 Jahren. Die Häufigkeit dieser Symptome war in allen Altersgruppen zwischen den Geschlechtern sehr ähnlich verteilt und unterschied sich um nicht mehr als 5 Prozentpunkte.

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Anteil an Geruchs- und Geschmacksverlust während der BA.5-Phase niedrig blieb und erkältungs- und grippeähnliche Symptome wie Halsschmerzen, Husten und Fieber zunahmen. Interessant ist, dass der Anteil von Fieber beim Übergang von der BA.2- zur BA.5-dominierten Phase in allen Altersgruppen deutlich angestiegen zu sein scheint, aber in der späteren BA.5-dominierten Phase wieder etwas gesunken ist. Der Anteil von Fieber war bei Kindern unter 5 Jahren deutlich am höchsten und nahm mit zunehmendem Alter stetig ab. Der Anteil von Fieber ähnelte eher dem bei Influenza als dem anderer Atemwegsinfektionen (5). Im Gegensatz dazu wurde für etwa die Hälfte der symptomatischen Personen im Alter von 15–79 Jahren Halsschmerzen als ein Symptom übermittelt, während dies bei Kindern unter 5 Jahren eher kein typisches Symptom zu sein schien (etwa 10–20 % während der gesamten Pandemie; 16 % bei BA.5).

Eine Limitation dieser Auswertung besteht darin, dass die Daten des Meldesystems durch sich ändernde Testverfahren oder einen „Surveillance-Bias“ (schwere Symptome werden möglicherweise häufiger übermittelt) beeinflusst sein könnten. Da zudem nur PCR-positive Fälle in die Analyse einbezogen werden konnten, ist es möglich, dass infizierte Personen, die nur mittels eines Schnelltests getestet wurden, mildere Symptome aufwiesen. Der Vergleich unserer Ergebnisse mit denen aus Studien, in denen die Proben unabhängig von einer ärztlichen Inanspruchnahme entnommen wurden, ergab jedoch eine gute Übereinstimmung der Symptomverläufe und Symptomhäufigkeiten (2, 3), sogar, wenn nach Varianten und Altersgruppen stratifiziert wurde.

Resümee

Es zeigt sich, dass das Symptomprofil bei BA.5 zunehmend „grippeähnlicher“ wird und sich immer mehr dem anderer Atemwegserkrankungen, insbesondere Influenza, annähert. Für Hausärztinnen und Hausärzte wird es daher zunehmend wichtiger, auf SARS-CoV-2 (und Influenza) zu testen, damit vulnerable Patientinnen und Patienten frühzeitig von einer spezifischen antiviralen Therapie profitieren können. Es bleibt ungewiss, inwiefern das veränderte Symptomprofil auf veränderte Viruseigenschaften, eine zunehmende Immunität in der Bevölkerung oder auf beides zurückzuführen ist.

Ann-Sophie Lehfeld, Silke Buda, Walter Haas, Barbara Hauer, Kai Schulze-Wundling, Udo Buchholz

Förderung

Diese Arbeit wurde vom Bundesministerium für Gesundheit unterstützt [ZMVI1–2520COR404].

Danksagung

Unser Dank gilt den Gesundheitsämtern und Landesbehörden sowie den Laboren und der Ärzteschaft, die Daten zu den meldepflichtigen Infektionskrankheiten gemeldet haben.

Interessenkonflikt
Die Autorinnen und die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten
eingereicht: 26.10.2022, revidierte Fassung angenommen: 19.01.2023

Zitierweise
Lehfeld AS, Buda S, Haas W, Hauer B, Schulze-Wundling K, Buchholz U: The changing symptom profile of COVID-19 during the pandemic—results from the German mandatory notification system. Dtsch Arztebl Int 2023; 120 (online first). DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0018

Dieser Beitrag erschien online am 10.02.2023 (online first) unter: www.aerzteblatt.de

►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de

1.
Haserück A, Schulze AK: COVID-19: Antivirale Mittel früh einsetzen. Dtsch Arztebl 2022; 119: A-1638 VOLLTEXT
2.
Vihta KD, Pouwels KB, Peto TEA, et al.: Omicron-associated changes in SARS-CoV-2 symptoms in the United Kingdom. Clin Infect Dis 2022; ciac613. doi: 10.1093/cid/ciac613. Online ahead of print CrossRef MEDLINE PubMed Central
3.
Whitaker M, Elliott J, Bodinier B, et al.: Variant-specific symptoms of COVID-19 among 1,542,510 people in England. medRxiv 2022; 2022.05.21.22275368 CrossRef
4.
Robert Koch-Institut (RKI): Anzahl und Anteile von VOC und VOI in Deutschland. Daten aus der Gesamtgenomsequenzierung [Number and proportions of VOC and VOI in Germany. Data from whole genome sequencing]. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/VOC_VOI_Tabelle.html (last accessed on 20 December 2022).
5.
Hayward AC, Fragaszy EB, Bermingham A, et al.: Comparative community burden and severity of seasonal and pandemic influenza: results of the Flu Watch cohort study. Lancet Respir Med 2014; 2: 445–54 CrossRef MEDLINE
Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Berlin (Lehfeld, Buda, Haas, Hauer, Schulze-Wundling, Buchholz) LehfeldA@rki.de
Anteil von Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber
Grafik
Anteil von Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber
Anzahl und Anteil der 5 am häufigsten übermittelten spezifischen Symptome unter symptomatischen Fällen während der vom Wildtyp-, Delta- und Omikron-BA.5-dominierten Phase
Tabelle
Anzahl und Anteil der 5 am häufigsten übermittelten spezifischen Symptome unter symptomatischen Fällen während der vom Wildtyp-, Delta- und Omikron-BA.5-dominierten Phase
1.Haserück A, Schulze AK: COVID-19: Antivirale Mittel früh einsetzen. Dtsch Arztebl 2022; 119: A-1638 VOLLTEXT
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5.Hayward AC, Fragaszy EB, Bermingham A, et al.: Comparative community burden and severity of seasonal and pandemic influenza: results of the Flu Watch cohort study. Lancet Respir Med 2014; 2: 445–54 CrossRef MEDLINE

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