ArchivDeutsches Ärzteblatt7/2023Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen: Statinassoziierte Muskelschmerzen lassen sich durch Vitamin D nicht verhindern

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen: Statinassoziierte Muskelschmerzen lassen sich durch Vitamin D nicht verhindern

Siegmund-Schultze, Nicola

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Foto:RFBSIP/stock.adobe.com
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Statine sind eine lipidwirksame Therapie zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen und werden in Deutschland in der Primär- und Sekundärprävention breit angewendet. Im Allgemeinen sind Medikamente dieser Substanzklasse gut verträglich. Ein Teil der Patienten aber leidet unter statinassoziierten Muskelschmerzen (SAMS). Eine einheitliche Definition von SAMS gibt es nicht. Klinisch äußern sie sich in Verspannungen, Steifheit, Schmerzen oder Muskelkrämpfen (1). Folgen können Einschränkung der Lebensqualität, verminderte Adhärenz an die Statintherapie und erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sein. Die Prävalenz der SAMS wird auf 5–10 % geschätzt, in Deutschland wären damit mehrere Hunderttausend Patienten betroffen (1).

Für Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin D oder Coenzym Q10 wird eine potenzielle SAMS-lindernde Wirkung diskutiert, ohne dass es Wirksamkeitsbelege durch randomisierte Studien gäbe. In Bezug auf Vitamin D füllt diese Lücke die US-amerikanische, prospektiv randomisierte Studie VITAL (2).

25 851 Probanden (Männer ≥ 50 Jahre, Frauen ≥ 55 Jahre; Durchschnitt: 66,8 Jahre) ohne kardiovaskuläre Erkrankungen und ohne Malignome wurden 1 : 1 in eine Vitamin-D-Gruppe und in eine Placebogruppe randomisiert. Nur wenn die Teilnehmer im Verlauf der Beobachtungszeit Statine erhielten, wirkte sich die Zuteilung in diese beiden Gruppen aus. Die Verumgruppe nahm dann 2 000 IU Cholecalciferol pro Tag ein (n = 1 033) und die Placebogruppe ein Scheinpräparat (n = 1 050).

Jeweils 31 % in beiden statinbehandelten Gruppen berichteten über Muskelsymptome und jeweils 13 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beider Gruppen hatten nach durchschnittlich 4,8 Jahren Follow-up die Statintherapie wegen der Muskelbeschwerden unterbrochen. Auch Probanden mit niedrigen 25-Hydroxy-Vitamin-D-Werten zu Studienbeginn (< 20 ng/ml) hatten fast gleich häufig statinassoziierte Muskelschmerzen wie Probanden mit höheren Vitamin-D-Basiswerten (Verum: 33 %, Placebo: 35 %).

Fazit: Vitamin D reduzierte bei Patienten unter Statintherapie nicht die Häufigkeit medikamentenassoziierter Muskelschmerzen und auch nicht die Häufigkeit von Therapieabbrüchen wegen Muskelschmerzen. „In etwa 9 von 10 Fällen sind muskuläre Beschwerden unter Statineinnahme nicht durch Statine verursacht“, kommentiert Prof. Dr. med. Ulrich Laufs, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. „Die Differenzierung zwischen dem seltenen kausalen Zusammenhang und Noceboeffekten erfordert Zeit und Zuwendung. Im Hinblick auf SAMS hat Vitamin D Placeboeffekte. Auch wenn Placebos kurzfristig gegen Schmerzsyndrome helfen können, halten Placeboeffekte weder über die Zeit an noch halten sie einer randomisierten Prüfung stand. Das bestätigt die Studie. Auch außerhalb der SAMS-Problematik zeigen aktuelle Studien keine positive Wirkung der Bestimmung oder Einnahme von Vitamin D auf kardiovaskuläre Endpunkte. Wichtig bleibt daher weitere klinische Forschung zur Charakterisierung der in vielen Aspekten unzureichend verstandenen Patientengruppe mit statin-assoziierten Beschwerden.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

  1. Stürzebecher PE, Schumann F, Kassner U, et al.: Statinintoleranz und statinassoziierte Muskelschmerzen. Herz 2022; 47: 204–11.
  2. Hlatky MA, Engel Gonzalez P, Manson JE, et al.: Statin-associated muscle symptoms among new statin users randomly assigned to vitamin D or placebo. JAMA Cardiol 2023; 8: 74–80.

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