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Selbstverwaltung: Wertschätzung für die Partner


Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und die Gesundheitspolitiker fremdeln immer häufiger miteinander. An einigen Stellen kann man noch von einem großen Riss sprechen, in anderen Fällen sind die Brücken zur Verständigung fast schon eingerissen. Die jahrzehntealte Tradition, dass Politik den Rahmen beschließt, die Fachleute in der Ärzteschaft mit den Krankenkassen und den Vertretern der Krankenhausverbände innerhalb dieses Rahmens medizinische Versorgung gemeinsam aushandeln und gestalten, gerät immer mehr unter die Räder.
Der Gemeinsame Bundesausschuss, in dem Vertragsärzteschaft, Krankenhäuser und Krankenkassen sich unter der Führung der drei unparteiischen Mitglieder über die Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung debattieren, fühlt sich als Gremium in ihrer Kompetenz nicht mehr ernst genommen. Beispiele: die Vorwürfe aus den Bundesländern, mit Qualitätsvorgaben und Mindestmengen einen kalten Strukturwandel bei den Krankenhäusern zu provozieren. Auch die nun vorgelegten Vorschläge zur Notfallversorgung verärgern die Mitglieder des Gremiums. Die Krankenhauskommission hat – so sieht es der Unparteiische Josef Hecken – viele Vorschläge des G-BA ohne Quellenangabe übernommen und deklarieren die Ideen für sich. Dass vieles davon schon umgesetzt ist, wird im Konzept verschwiegen. Dazu zählen zum Beispiel die Ausstattungsvorgaben für teilnehmende Kliniken.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung zeigt sich mehr und mehr irritiert, was mit dem Vorhaben der geplanten Entbudgetierung für Pädiater politisch passiert: Nachdem der Minister mehrfach das Vorhaben angekündigt hatte, liegt nun ein Vorschlag vor, der ein bürokratischer Mehraufwand für die Kassenärztlichen Vereinigungen und fast neun Monate Unklarheit beim Honorar für Pädiater bedeutet. Dabei sind die Vorschläge der KBV und den Verbänden seit Jahren bekannt.
Die Klage, dass die Selbstverwaltung immer weniger Einfluss hat und immer weniger mit dem eigenen Sachverstand über die eigenen Belange entscheiden kann, ist nicht neu. Seit Jahren – auch unter den beiden vorherigen CDU-Ministern Jens Spahn und Hermann Gröhe – wurde die Selbstverwaltung immer mehr eingeschränkt. Vorgaben wie neue Lenkungsausschüsse bei Krankenkassen oder die vermeintliche Abschaffung des Ehrenamtes, über die Vorschriften für die KBV zur Besetzung der drei Vorstandsämter, Regelungen zur Parität sowie der Eingriff in inhaltliche Entscheidungen durch den Gesetzgeber führen seit Jahren zum Frust.
Gleichzeitig muss es die Selbstverwaltung der Politik auch nicht zu einfach machen, sie zu kritisieren: Die Arbeitsabläufe sind oft langwierig, da viele Partner mit sehr unterschiedlichen Interessen am Tisch sitzen und geeint werden müssen. Für komplexe Themen, die in der fachlichen Tiefe und Breite diskutiert werden sollen, benötigt es Zeit. Zeit, die die Politik oftmals nicht mehr hat oder zugestehen will. Politik hat mit der Selbstverwaltung auch einen einfachen Sündenbock, wenn etwas einmal nicht klappen solle: Dann war es die – für die Bürgerinnen und Bürger oft unbekannte – Selbstverwaltung, die Fehler begangen hat.
Für die anstehenden Reformen in der ambulanten und stationären Versorgung muss der Gesprächsfaden wieder aufgenommen werden. Sonst fahren die Reformen vor die Wand – das kann sich das Gesundheitssystem nicht leisten.
Rebecca Beerheide
Leiterin politische Redaktion
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