ArchivDeutsches Ärzteblatt PP3/2023Ambulante psychotherapeutische Versorgung: Hohe Krankheitslast – bedarfsgerechte Versorgung

POLITIK

Ambulante psychotherapeutische Versorgung: Hohe Krankheitslast – bedarfsgerechte Versorgung

Böker, Ulrike; Hentschel, Gebhard

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Analysiert wird die Versorgung aller gesetzlich versicherten erwachsenen Patientinnen und Patienten, die im Jahr 2018 eine Richtlinien-Psychotherapie begonnen haben anhand von Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Das Fazit: Psychotherapeutinnen und -therapeuten indizieren Therapielängen bedarfsgerecht – Kurzzeittherapien überwiegen.

Knapp 10 Prozent der Erwachsenen in Deutschland berichten, innerhalb eines Jahres psychotherapeutische oder psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Frauen (11,3 Prozent) tun dies häufiger als Männer (8,1 Prozent). Es zeigt sich bei beiden Geschlechtern ein Anstieg der Inanspruchnahme bis in die Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen (13,4 Prozent Frauen und 9,7 Prozent Männer), die in den älteren Gruppen wieder stetig sinkt (1). Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bestätigen, dass 4 Prozent der gesetzlich versicherten Personen in Deutschland in 2019 Kontakt zu einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten hatten. Die Reform der Psychotherapie-Richtlinie in 2017 reagiert auf die steigende Nachfrage ambulanter Psychotherapie und ermöglicht mehr Flexibilität in der Behandlung. Mit der Einführung einer psychotherapeutischen Sprechstunde schafft sie einen niedrigschwelligen Zugang der Indikationsstellung und führt eine psychotherapeutische Akutbehandlung ein. Die zur Verfügung stehenden Behandlungskontingente werden in der Kurzzeittherapie (KZT) in zwei Einheiten, KZT 1 und KZT 2, unterteilt, die Verlängerungsschritte der Langzeittherapie (LZT) werden zusammengefasst und durch eine Rezidivprophylaxe ergänzt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in einer Evaluation die Bedeutung der psychotherapeutischen Sprechstunde untersucht. Diese ermöglicht einen niedrigschwelligen Zugang, eine orientierende und differenzialdiagnostische Abklärung und eine Indikationsstellung sowie, sofern erforderlich, eine kurze psychotherapeutische Intervention. Der Anteil der Patientinnen und Patienten, die nach einer psychotherapeutischen Sprechstunde innerhalb eines Jahres weitere Leistungen der Richtlinien-Psychotherapie im Sinne einer Fortbehandlung erhalten haben, pendelte sich ab 2018 bei etwas unter 60 Prozent ein. Demnach haben 40 Prozent nach der Sprechstunde keine weitere ambulante Psychotherapie erhalten. Die psychotherapeutische Sprechstunde erfüllt damit die gewollte Steuerungsfunktion in der Versorgung (2).

Die hier vorgelegte Studie untersucht anhand von bundesweiten und kassenübergreifenden Abrechnungsdaten die ambulante Versorgung nach der Reform der Psychotherapie-Richtlinie aller gesetzlich versicherten erwachsenen Patienten in Deutschland, die im Jahr 2018 eine Richtlinien-Psychotherapie (RLPT)/Akutbehandlung begonnen haben. Auf Grundlage der KBV-Daten ist es möglich, jeden einzelnen Patienten pseudonymisiert über den Beobachtungszeitraum nachzuverfolgen und damit Behandlungspfade darzustellen.

Es wird folgenden Fragestellungen nachgegangen:

  • Welche Krankheitslast ist bei den Psychotherapiepatienten zu finden?
  • Wird die Behandlungsdauer beziehungsweise werden die verfahrensbezogenen Kontingente jeweils bedarfsgerecht indiziert?
  • Welchen Anteil haben Kurzzeittherapie und Langzeittherapie in der Behandlung der Patienten?

Methoden

  • Datengrundlage

Datengrundlage sind die bundesweiten ambulanten, kollektivvertraglichen Abrechnungsdaten des 1. Quartals 2016 bis zum 4. Quartal 2021. Diese enthalten Informationen über Diagnosen gemäß ICD-10 GM und abgerechnete Leistungen auf Basis des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). In dieser Datengrundlage ist jede in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherte Person mit mindestens einem Arztkontakt im vertragsärztlichen Bereich im entsprechenden Abrechnungszeitraum erfasst.

  • Bildung von Studienkohorten

Um den Verlauf einer Psychotherapie in jedem der Richtlinienverfahren abzubilden, wurden männliche sowie weibliche Patienten im Alter von 18 bis einschließlich 80 Jahren betrachtet, die 2018 mindestens eine Leistung im Rahmen der RLPT im Einzelsetting und/oder eine Akutbehandlung erhielten (n = 1 326 933). Das Quartal des individuellen Beginns einer RLPT/Akutbehandlung wird hier als Indexquartal bezeichnet. Um Patienten in die Kohorte aufzunehmen, durfte mindestens acht Quartale vor dem Indexquartal keine RLPT/Akutbehandlung abgerechnet worden sein. Der Verlauf der Psychotherapie der so definierten Kohorte von 462 635 Patienten wurde bis zum 4. Quartal 2021 verfolgt. Die psychotherapeutische Behandlung wurde über die abgerechneten Gebührenordnungspositionen im EBM, Einzeltherapien in einem der drei in 2018 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Richtlinienverfahren definiert. Die leistungserbringenden Fachgruppen wurden dabei nicht differenziert.

Es erfolgte der Ausschluss von 19- bis 21-jährigen Patienten, die sich in der Behandlung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten befanden. Eine RLPT/Akutbehandlung wurde als beendet gewertet, wenn in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen keine entsprechenden Leistungen mehr abgerechnet wurden. Zum Auswertungszeitpunkt wurde eine RLPT/Akutbehandlung also maximal bis zum 2. Quartal 2021 abgerechnet.

Häufigkeit der gesicherten F-Diagnosen (Anteil der Patientenkohorte)
Grafik 1
Häufigkeit der gesicherten F-Diagnosen (Anteil der Patientenkohorte)
  • Referenzstudie

Multmeier et al hatten bereits 2014 weit vor der Richtlinien-Reform eine ähnliche Studie auf Basis von ambulant vertragsärztlichen Abrechnungsdaten durchgeführt (3). Der Fokus lag auf den Behandlungspfaden, der Ausschöpfung der Kontingente sowie der Annäherung an Gesamttherapielängen. Die damalige Kohorte umfasste alle Patienten ohne Altersgrenze, die 2009 eine Therapie begonnen hatten (Kriterium: keine psychotherapeutischen Leistungen in 2008) und diese beendet hatten im 3. Quartal 2012 (Kriterium: keine psychotherapeutischen Leistungen mehr im 4. Quartal 2012).

Ergebnisse

  • Alters- und Geschlechtsverteilung

In 2018 begannen 319 608 Frauen (69,1 Prozent) und 143 027 Männer (30,9 Prozent) eine RLPT/Akutbehandlung. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug im Indexquartal 44 Jahre mit einer Standardabweichung von 13,6 Jahren. Die Hälfte der Patienten hatte ein Alter zwischen 19 und 43 Jahren bei Beginn der RLPT/Akutbehandlung (Median 44 Jahre).

  • Anzahl unterschiedlicher F-Diagnosen

Für Patienten der Kohorte wurden gesicherte F-Diagnosen in unterschiedlicher Zahl dokumentiert. Bei einer vierstelligen Codierung wurde bei circa einem Sechstel (n = 62 629) der Patienten eine F-Diagnose codiert, bei einem weiteren Sechstel (n = 87 010) zwei F-Diagnosen, bei einem weiteren Sechstel (n = 83 820) drei F-Diagnosen und bei der Hälfte der Patienten (n = 228.216) vier und mehr F-Diagnosen.

  • Häufigkeiten der gesicherten Diagnosen

Die fünf häufigsten gesicherten Diagnosen der Patientenkohorte waren neurotische Belastungs- und somatoforme Störungen, ICD-10-Kapitel F40– F48 (73,5 Prozent) und affektive Störungen, ICD-10-Kapitel F30–F39 (67,3 Prozent), Organische und substanzbedingte psychische Störungen ICD-Kapitel F10–F19 (10,4 Prozent), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, ICD-10-Kapitel F6 (10 Prozent) und Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren, ICD-10-Kapitel F5 (8,8 Prozent). Eine gesicherte Diagnose Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen, ICD-10-Kapitel F2, wurde bei 2 Prozent der Patienten der Kohorte dokumentiert.

  • Inanspruchnahme von Sprechstunden und Probatorik

93 Prozent (n = 430 061) der Patienten erhielten den Zugang zur Psychotherapie über eine Sprechstunde. Die Patienten erhielten vor Beginn einer Richtlinienpsychotherapie oder Akutbehandlung im Durchschnitt 5,97 Sprechstunden (25-Minuten-Einheiten) und/oder im Durchschnitt 3,1 probatorische Sitzungen (50-Minuten-Einheiten). Psychotherapeutische Sprechstunden und probatorische Sitzungen erstreckten sich jeweils über einen Zeitraum von durchschnittlich 1,3 Quartalen. 74,1 Prozent der Patienten nahmen diese Leistungen bei einem Psychotherapeuten, 18,7 Prozent bei zwei Psychotherapeuten, 4,8 Prozent bei drei, 1,4 Prozent bei vier und 0,9 Prozent bei fünf oder mehr Psychotherapeuten in Anspruch.

  • Fachgruppen und Verfahren der Behandelnden

Insgesamt waren 33 220 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten an den Behandlungen beteiligt. 71,1 Prozent der Behandelnden waren Psychologische Psychotherapeuten, 12,7 Prozent ärztliche Psychotherapeuten, 7,4 Prozent Fachärztinnen und Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 8,8 Prozent gehörten weiteren Fachgruppen an. Patienten können im Lauf der Behandlung mehrere Fachgruppen in Anspruch nehmen.

31,8 Prozent der Behandelnden erbrachten Leistungen einer Akutbehandlung, 55,4 Prozent erbrachten Leistungen einer Verhaltenstherapie (VT), 45,6 Prozent eine Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP), 13,5 Prozent eine Analytische Psychotherapie (AP) und 40,2 Prozent erbrachten Leistungen mehrerer Verfahren, wie zum Beispiel TP und AP oder Akutbehandlung in Kombination mit einem Verfahren.

  • Zuordnung der Patienten zu den Verfahren

In der Kohorte wurde bei 10 Prozent der Patienten ausschließlich eine Akutbehandlung erbracht (n = 46 177), 53,3 Prozent erhielten Leistungen einer VT (n = 246 789), 31,7 Prozent erhielten Leistungen einer TP (n = 146 657) und 2,9 Prozent Leistungen einer AP (n = 13 368). 2,1 Prozent der Patienten erhielten Sitzungen aus TP und VT oder aus AP und VT (n = 9 644).

  • Therapielängen

Bei der Betrachtung der Gesamtbehandlungsdauer wurden bei Patienten, die zunächst eine Akutbehandlung erhielten und dann eine RLPT, die Sitzungen der Akutbehandlung dem nachfolgenden Verfahren zugeordnet. Zwei Einheiten Akutbehandlung (à 25 Minuten) wurden dabei analog der Dauer einer genehmigungspflichtigen Einzelsitzung zusammengefasst zu einer Behandlungseinheit von 50 Minuten. Außerdem wurden bei Patienten, bei denen zunächst eine TP und im Anschluss eine AP erbracht wurden, alle Sitzungen der AP zugeordnet, die Gesamttherapie wurde also als AP definiert.

Im Folgenden werden ausschließlich die im Beobachtungszeitraum beendeten Psychotherapien betrachtet, das sind 82,1 Prozent der Patienten (n = 379 704). Per Definition sind das die Verläufe solcher Patienten, die im 3. und 4. Quartal 2021 keine Akutbehandlung/RLPT mehr in Anspruch genommen haben.

Die beendeten Therapien umfassten bei ausschließlicher Akutbehandlung 42 932 Patienten. 93 Prozent dieser Behandlungsform wurden innerhalb des Beobachtungszeitraums beendet mit im Schnitt 6,4 Einheiten von 50 Minuten innerhalb von 2,5 Quartalen. Bei der VT umfassten die beendeten Therapien 206 135 Patienten (83,5 Prozent aller VT-Therapien). Bei der TP wurden 119 838 Therapien (81,7 Prozent aller TP-Therapien) und bei der AP wurden 6 885 Therapien (51,5 Prozent aller AP-Therapien) beendet.

In dieser Teilkohorte der beendeten Therapien lag die Behandlungsdauer in der antragspflichtigen Richtlinientherapie ohne vorherige psychotherapeutische Sprechstunde und Probatorik bei den verschiedenen Therapieformen im Schnitt zwischen 5,6 Quartalen (VT und TP) und 6,4 Quartalen (AP). Es zeigten sich hier keine großen Unterschiede in der Therapielänge. Beendete Therapien umfassten im Schnitt bei VT 24 Sitzungen und bei TP 26,5 Sitzungen. Bei der AP lag der Schnitt mit 73 Sitzungen deutlich höher. Anzumerken ist, dass es für den Einbezug eines Quartals reicht, wenn nur eine Leistung darin abgerechnet wurde, die Länge der Behandlung muss also nicht das gesamte einbezogene Quartal umfassen.

  • Ausschöpfung der Kontingente

Betrachtet man die Ausschöpfung der Kontingente bei den beendeten Therapien, dann ergibt sich folgendes Bild: In der VT und TP wurde bei jeweils 27 Prozent aller Patienten die Therapie vor dem Maximum des Kontingents der KZT 1 beendet, bei der AP war das bei 21 Prozent der Patienten der Fall. Wurde die Therapie in eine KZT 2 überführt, dann beendeten bei diesen Patienten in der VT 34 Prozent, in der TP 30 Prozent und in der AP 24 Prozent die Therapie unterhalb des Maximums des Kontingents. Bei den darüber hinausgehenden Langzeittherapien (LZT) endete die überwiegende Mehrzahl unterhalb des Maximums des ersten Kontingents der LZT (VT 94 Prozent, TP 68 Prozent, AP 79 Prozent). Die Anzahl der Therapien, die über das erste Kontingent der LZT hinausgingen, war insbesondere in der VT gering.

Bei der VT benötigten 21,7 Prozent der Patienten eine Langzeittherapie, bei der TP waren es 21,9 Prozent und bei der AP 58 Prozent. Über alle Verfahren betrachtet kann festgestellt werden, dass in der Teilkohorte der beendeten Therapien 30 Prozent bis zur 12. Sitzung abgeschlossen wurden (hierbei sind auch ausschließliche Akutbehandlungen inbegriffen) und 47 Prozent bis zur 24. Sitzung. 23 Prozent der Patienten benötigten eine LZT.

Es ist zu beachten, dass der Beobachtungszeitraum maximal 16 Quartale umfasst und je nach Verfahren ein unterschiedlich hoher Anteil der Therapien am Ende des Beobachtungszeitraums noch nicht abgeschlossen war. Bei der VT und TP waren etwa 20 Prozent, bei der AP 48,5 Prozent aller Therapien noch nicht abgeschlossen. Als abgeschlossen gelten Therapien, bei denen in zwei Quartalen in Folge keine Leistungen mehr in Anspruch genommen wurden. Außerdem ist zu beachten, dass die Rezidivprophylaxe bei Ausschöpfung der Kontingente nicht mitgezählt wurde (4).

  • Gesamttherapielängen

Die Grafik 2 stellt die Gesamttherapielängen bei den beendeten Therapien in den unterschiedlichen Verfahren dar. Hier zeigt sich nochmals sehr deutlich, dass die wenigsten Therapien über das Kontingent einer KZT 1 und KZT 2 von insgesamt 24 Sitzungen hinausgehen.

Gesamttherapielängen bei beendeten Psychotherapien je nach Verfahren
Grafik 2
Gesamttherapielängen bei beendeten Psychotherapien je nach Verfahren
  • Kosten

In 2018 betrug die Vergütung für eine genehmigungspflichtige Einzelsitzung 89,60 Euro, 2022 waren es 103,87 Euro. Zwei Einheiten Akutbehandlung oder zwei Einheiten psychotherapeutische Sprechstunde erbringen dasselbe Honorar. Hinzu kommen je nach Auslastung der Praxis die anteiligen Strukturzuschläge.

Diskussion und Fazit

  • Die Krankheitslast der Patientinnen und Patienten in Psychotherapie ist hoch. Bei 49 Prozent sind vier und mehr gesicherte Diagnosen aus dem F-Kapitel dokumentiert, bei 37 Prozent sind es zwei oder drei Diagnosen. Komorbidität ist also die Regel.
  • Patienten nehmen zu 74 Prozent nur einen Psychotherapeuten in Anspruch, der oder die dann auch die nachfolgende Behandlung durchführt. Damit ist in den allermeisten Fällen bereits mit Beginn der psychotherapeutischen Sprechstunde eine Kontinuität des Behandelnden und der Behandlung auf Grundlage einer tragfähigen therapeutischen Arbeitsbeziehung gegeben.
  • Die Sprechstunde wird bei anschließender Psychotherapie mit im Schnitt sechsmal 25 Minuten eingesetzt. Diese werden in der Regel in 50-Minuten-Einheiten angeboten. Vor Beginn einer Behandlung findet also eine umfangreich diagnostische Abklärung und Indikationsstellung statt.
  • Vor Beginn einer Richtlinienpsychotherapie folgen im Durchschnitt drei probatorische Sitzungen.
  • 30 Prozent der zum Zeitpunkt der Auswertung beendeten Therapien enden innerhalb des Kontingents der KZT 1 oder als Akutbehandlung. Weitere 47 Prozent der Therapien enden innerhalb des Kontingents der KZT 2. Damit wird der überwiegende Teil der Behandlungen (77 Prozent) in Form einer Kurzzeittherapie von maximal 24 Sitzungen erbracht. Der Vorwurf, dass zu lange behandelt wird, ist hier eindeutig widerlegt.
  • Es gibt keine regelhafte Ausschöpfung der Kontingente, genehmigte Behandlungsstunden werden individuell eingesetzt. Psychotherapeuten indizieren differenziert und behandeln nur so lange, wie dies notwendig ist.
  • Die Zweiteilung der Kurzzeittherapie in jeweils zwölf Einheiten bewirkt eine gewisse Fokussierung. Ein nicht unerheblicher Teil der Therapien wird innerhalb des ersten Kontingents abgeschlossen.
  • Die Ergebnisse bestätigen die Vorgängerstudie von Multmeier et al. Damals wie heute werden die Therapielängen differenziert und bedarfsgerecht indiziert und es findet keine regelhafte Ausschöpfung der Kontingente statt. Auch bei Multmeier wurde der überwiegende Anteil der Therapie innerhalb der bis 2017 geltenden 25 Sitzungen umfassenden KZT abgeschlossen (VT 70 Prozent und TP 71 Prozent).
  • Analytische Therapie wird damals wie heute nur bei einem sehr geringen Teil der Patienten indiziert und durchgeführt (2,9 Prozent). Auch hier wird also passgenau und sorgfältig mit den begrenzten Ressourcen umgegangen.
  • 82,1 Prozent der Behandlungen waren im Beobachtungszeitraum abgeschlossen worden. Um verlässliche Aussagen über sämtliche einbezogene Therapien treffen zu können, bedarf es einer weiteren Analyse in ein bis zwei Jahren.

Ulrike Böker, Psychologische Psychotherapeutin

Gebhard Hentschel, Psychologischer Psychotherapeut

Literatur im Internet: www.aerzteblatt.de/pp/lit0323

1.
Rommel A, Bretschneider J, Kroll LE, Prütz F, Thom J: Inanspruchnahme psychiatrischer und psychotherapeutischer Leistungen – Individuelle Determinanten und regionale Unterschiede. Journal of Health Monitoring 2017; Vol. 2, 4.
2.
Gemeinsamer Bundesausschuss – Unterausschuss Psychotherapie: Evaluation der Regelung zur Psychotherapeutischen Sprechstunde gemäß § 42 Absatz 1 der Psychotherapie-Richtlinie. https://www.g-ba.de/downloads/17-98-5193/2016-06-16_2016-11-24_PT-RL_Aenderung_Strukturreform-amb-PT_konsolidiert_Evaluation-PT-Sprechstunde.pdf (last accessed on 9. November 2021)
3.
Multmeier J, Tenckhoff B: Psychotherapeutische Versorgung: Autonomere Therapieplanung kann Wartezeiten abbauen. Deutsches Ärzteblatt PP 2014; 13: 110–112.
4.
Kassenärztliche Bundesvereinigung: Psychotherapie für Erwachsene: Kontingente und Bewilligungsschritte. https://www.kbv.de/media/sp/Psychotherapie_Uebersicht_Erwachsene.pdf (last accessed on 2. Januar 2022)
Häufigkeit der gesicherten F-Diagnosen (Anteil der Patientenkohorte)
Grafik 1
Häufigkeit der gesicherten F-Diagnosen (Anteil der Patientenkohorte)
Gesamttherapielängen bei beendeten Psychotherapien je nach Verfahren
Grafik 2
Gesamttherapielängen bei beendeten Psychotherapien je nach Verfahren
1. Rommel A, Bretschneider J, Kroll LE, Prütz F, Thom J: Inanspruchnahme psychiatrischer und psychotherapeutischer Leistungen – Individuelle Determinanten und regionale Unterschiede. Journal of Health Monitoring 2017; Vol. 2, 4.
2. Gemeinsamer Bundesausschuss – Unterausschuss Psychotherapie: Evaluation der Regelung zur Psychotherapeutischen Sprechstunde gemäß § 42 Absatz 1 der Psychotherapie-Richtlinie. https://www.g-ba.de/downloads/17-98-5193/2016-06-16_2016-11-24_PT-RL_Aenderung_Strukturreform-amb-PT_konsolidiert_Evaluation-PT-Sprechstunde.pdf (last accessed on 9. November 2021)
3. Multmeier J, Tenckhoff B: Psychotherapeutische Versorgung: Autonomere Therapieplanung kann Wartezeiten abbauen. Deutsches Ärzteblatt PP 2014; 13: 110–112.
4. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Psychotherapie für Erwachsene: Kontingente und Bewilligungsschritte. https://www.kbv.de/media/sp/Psychotherapie_Uebersicht_Erwachsene.pdf (last accessed on 2. Januar 2022)

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