POLITIK: Deutscher Ärztetag
Medizinethik: Mindestmaß an Schutz für die Zukunft
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Sie wies darauf hin, dass nach Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums die PGD nicht erlaubt sei. Aber Gesetze ließen sich ändern. Sie sei vielmehr gegen die Präimplantationsdiagnostik, weil es damit Ärzten und potenziellen Eltern gestatten würde, über lebens- und nicht lebenswertes Leben zu entscheiden. Sie befürchtet, „dass wir von den schweren Einzelfällen rasch zur Verallgemeinerung kommen könnten und damit auf eine gefährliche Bahn, die unseren Blick auf Krankheit und Behinderung dramatisch verändern würde“. Es sei eine Grenze erreicht, die nicht überschritten werden dürfte.
Dass die Debatte notwendig sei, betonte auch der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Schließlich würden die in der Fortpflanzungsmedizin tätigen Ärztinnen und Ärzte regelmäßig mit dem Wunsch nach PGD konfrontiert. Deshalb müsse eine Entscheidung getroffen werden, ob die Präimplantationsdiagnostik kategorisch abgelehnt werden solle oder man sie bei streng begrenzten Indikationen zulassen wolle.
Ein Verbot der PGD würde letztlich dazu führen, dass wieder auf die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik verwiesen würde und man sich bei entsprechenden Ergebnissen möglicherweise für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, sagte Hoppe. Seiner Auffassung nach ist eine isolierte Diskussion der Präimplantationsdiagnostik ohne eine generelle Diskussion über den Paragraphen 218 unvertretbar. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg, befürchtet wie Fischer einen ethischen Deichbruch. Über kurz oder lang würden bei allen In-vitro-Fertilisationsmaßnahmen PGDs nötig sein. Montgomery plädierte deshalb für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik. Ein Entschließungsantrag von Dr. med. Heinz-Michael Mörlein wurde zurückgezogen. Darin hatte er vorgeschlagen, die gesetzliche und die berufsrechtliche Regelung der Präimplantationsdiagnostik an die Regelung zur Amniozentese anzulehnen.
Von den Anträgen zum Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer, die ethische Fragestellungen berührten, wurde insbesondere die Empfehlung des Vorstands der Bundesärztekammer, die Menschenrechtskonvention zur Biomedizin des Europarats zu ratifizieren, kontrovers diskutiert. Diese so genannte Bioethik-Konvention ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patienten. Prof. Dr. med. Eggert Beleites, Präsident der Landesärztekammer Thüringen, betonte die Notwendigkeit einer völkerrechtlich verbindlichen Konvention, um ein Mindestmaß an Schutz für die Zukunft zu gewährleisten. „Wir dürfen nicht so lange warten, bis wir nicht mehr mitreden dürfen.“ Durch Ratifizierung würden die auf nationaler Ebene geltenden höheren Schutzbestimmungen nicht aufgehoben.
Montgomery verwies dagegen auf die Entschließung des 100. Deutschen Ärztetages in Eisenach, mit der die Bundesregierung vor einer Ratifizierung der Menschenrechtskonvention zur Biomedizin gewarnt worden war. Mit dem Verweis auf den Stand-ortnachteil gegenüber den Nachbarländern werde nach einer Ratifizierung der Druck von Industrie und Wissenschaft schon bald dazu führen, „das Schutzniveau bei uns herunterzufahren“. Als blauäugig bezeichnete er die Ansicht von Beleites, die Debatte um Ethik in der medizinischen Forschung etwa in den USA lasse sich durch europäische Konventionen beeindrucken. Der gerade bekannt gewordene Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium, der vorsehe, Teile menschlicher Gene patentierbar zu machen, zeige zudem deutlich, dass wir auch in Deutschland „bereits auf der schiefen Ebene sind“. Mit knapper Mehrheit lehnten die Delegierten den von Montgomery eingebrachten Änderungsantrag zur Vorstandsvorlage ab. Sie stimmten jedoch einer Änderung zu, wonach die Ratifizierung der Menschenrechtskonvention zur Biomedizin nur unter der Voraussetzung erfolgen soll, dass der Schutz von nicht einwilligungsfähigen Menschen gewährleistet ist.
Mit großer Mehrheit sprach sich der Deutsche Ärztetag gegen die Verwendung von Informationen über das menschliche Genom zu kommerziellen Zwecken aus. Die Patentierbarkeit von Genomen zum Schutz von biotechnologischen Erfindungen lehnten die Delegierten ab. Sie wandten sich zudem gegen einen Auskunftsanspruch von Versicherungen auf vorliegende Informationen aus einer Gendiagnostik. Befürchtet wird, dass aus Angst vor versicherungsrechtlichen Nachteilen diese wichtige Diagnostik nicht in Anspruch genommen wird.
Gisela Klinkhammer,
Dr. phil. Thomas Gerst
Erläuterungen zur so genannten Bioethik-Konvention: Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Winter, Dezernent der BÄK
Befürchtet bei der PGD einen ethischen Deichbruch – Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg
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