ArchivDeutsches Ärzteblatt10/2023KBV-Vertreterversammlung: Gassen, Hofmeister und Steiner bilden neuen KBV-Vorstand

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KBV-Vertreterversammlung: Gassen, Hofmeister und Steiner bilden neuen KBV-Vorstand

Haserück, André; Lau, Tobias

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Mit der geplanten Reform der Notfallversorgung setzten sich die Delegierten der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Rahmen der Sitzung Anfang März höchst kritisch auseinander. Zudem wurden die Personalfragen für die kommenden sechs Jahre geklärt.

Der neue KBV-Vorstand: Stephan Hofmeister, Sibylle Steiner und Andreas Gassen (von links nach rechts). Fotos: Lopata/axentis.de
Der neue KBV-Vorstand: Stephan Hofmeister, Sibylle Steiner und Andreas Gassen (von links nach rechts). Fotos: Lopata/axentis.de

An der Spitze der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) steht für weitere sechs Jahre Dr. med. Andreas Gassen. Auch sein bisheriger Stellvertreter Dr. med. Stephan Hofmeister bleibt im Amt. Den Vorstand komplettiert nach der Wahl der KBV-Vertreterversammlung am 3. März in Berlin Dr. med. Sibylle Steiner. Sie folgt auf Dr. rer. soc. Thomas Kriedel, der in den Ruhestand verabschiedet wurde.

Gassen, Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rheumatologie, ist seit dem 1. März 2014 Vorstandsvorsitzender der Körperschaft. Er wird weiterhin für die fachärztlichen Themen in der KBV zuständig sein. Gassen verwies auf „sechs bewegte Jahre“, die man aber dank der Zusammenarbeit im KV-System gemeistert habe. Auch künftig werde man sich prononciert für bessere Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung einsetzen. Hofmeister, der sich bislang als Facharzt für Allgemeinmedizin um die hausärztlichen Aspekte in der KBV kümmerte, gehört dem Vorstand seit dem 3. März 2017 an. Er ist in der neuen Amtsperiode wieder für den hausärztlichen Themenbereich zuständig. „In den zurückliegenden Jahren sind die Beinfreiheit der Selbstverwaltung und die Unterstützung aus dem politischen Raum nicht gewachsen, sondern eher gesunken“, erklärte Hofmeister. Seine erneute Bewerbung sei deshalb auch mit der Selbstreflexion verbunden gewesen, ob er das weitermachen will.

Selbstverwaltung stärken

„Ich glaube, wir sind nach wie vor der beste Weg, um eine wohnortnahe Versorgung gut und günstig sicherzustellen.“ Er werde sich weiter intensiv dafür einsetzen, der niedergelassenen Ärzteschaft Gehör zu verschaffen. Kriedel, der sein Amt ebenfalls zum 3. März 2017 aufgenommen hatte, trat nicht mehr zur Wahl an. Er hat sich unter anderem um die Digitalisierung gekümmert. In diesem Bereich sehe er in den kommenden sechs Jahren „enorme Herausforderungen“ auf die KBV zukommen. Bei einer Fortsetzung der von ihm erlebten engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen KBV, Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), Vertreterversammlung und KBV-Vorstand werde man diese jedoch bewältigen.

Für ihn ist nun Sibylle Steiner nachgerückt. Sie war seit 2013 Dezernentin im Dezernat 4 – Geschäftsbereich Ärztliche und Veranlasste Leistungen – der KBV und zuvor dort Leiterin der Abteilung Arzneimittel. Sie wolle ihre Erfahrung und Expertise „mit aller Kraft“ für die Stärkung der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung einsetzen. Auf den dabei erreichten Erfolgen dürfe man sich nicht ausruhen. Unter anderem müsse man die Arbeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) „konsequent ausbauen“, sagte Steiner. Die Aufgabenfelder des G-BA seien in den letzten Jahren stets gewachsen, mittlerweile würden sie fast jeden Bereich des Versorgungsgeschehens bestimmen.

Praxen entlasten

Außerdem brauche es dringend weitere Initiativen zur Entlastung der ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen von Überregulierung und Bürokratie. Auch die Digitalisierung habe bisher bislang mehr behindert als genützt – künftig müsse es besser gelingen, die Brücke zwischen Technologie und Medizin zu schlagen. All das ist laut Steiner unabdingbar, um künftig weiterhin eine qualitativ hochwertige ambulante Versorgung zu gewährleisten.

Die ambulante Versorgung von morgen müsse weiter vertragsärztlich und vertragspsychotherapeutisch verankert bleiben, das sei eine der wichtigsten Aufgaben der KBV-Führung. „Dafür müssen wir noch mehr Angebote entwickeln“, sagte Steiner. „Unsere größte Herausforderung ist es, die Attraktivität und die Vorteile der Selbstständigkeit gerade unseren jungen Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln.“

Vor allem während der Coronapandemie habe sich laut KBV-Chef Gassen gezeigt: „Ohne uns und die von uns vertretenen Praxen geht es in der Versorgung nicht.“ Statt die Versorgung zu stärken, setze die Politik lieber auf Konzepte wie die Gesundheitskioske. Für die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung müsse sich aber nichts in den Praxen ändern, sondern: „Was wir ändern müssen, sind die Rahmenbedingungen.“ Positiv stimme ihn dabei die Geschlossenheit in Vorstand und Vertreterversammlung der KBV. Zu den Punkten, die bei den Rahmenbedingungen besonders beachtet werden müssten, gehört laut KBV-Vize Hofmeister insbesondere die ambulante Weiterbildung und deren nachhaltige Finanzierung.

Er verwies zudem auf die Umsetzung einer „sinnvollen Digitalisierung“ sowie eine „echte Ambulantisierung mit gleich langen Spießen“. Auch müsse die Bedarfsplanung für die ambulante Versorgung angepasst werden – „denn echter Mangel lässt sich nicht wegplanen“, wie Hofmeister betonte. Ebenso eindrücklich forderte er die Abschaffung der gesamten Budgetierung im vertragsärztlichen Bereich.

Diesbezüglich müsse es in der Gesundheitspolitik ein generelles Umdenken geben, führte Gassen aus. Dies zeige sich auch bei der geplanten Entbudgetierung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin. Aus Sicht der Kassenärzte läge eine „klare Lösung“ auf dem Tisch – diese bestehe darin, entsprechende Leistungen zu identifizieren, diese aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) herauszunehmen und entsprechend zu bereinigen. Die identifizierten Leistungen müssten dann vollumfänglich und extrabudgetär vergütet werden. Stattdessen versuche man offensichtlich, sich vor dieser Lösung zu drücken und am Vergütungssystem „herumzudoktern“. Hofmeister betonte, man warte auf einen Regelungsentwurf, der das umsetze, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprochen habe.

Thomas Kriedel, langjährig für die KBV tätig, wurde herzlich und mit großem Applaus in den Ruhestand verabschiedet.
Thomas Kriedel, langjährig für die KBV tätig, wurde herzlich und mit großem Applaus in den Ruhestand verabschiedet.

Wahl des VV-Vorsitzes

Bereits vor der Wahl des KBV-Vorstandes gab es ein weiteres Wahlergebnis: Dr. med. Petra Reis-Berkowicz bleibt Vorsitzende der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Die Delegierten wählten die Fachärztin für Allgemeinmedizin am 2. März im Rahmen der konstituierenden Sitzung der 16. Amtsperiode mit überwältigender Mehrheit.

„Ich freue mich, dass mir die Delegierten in diesen bewegten Zeiten so viel Vertrauen schenken“, sagte Reis-Berkowicz, die das Amt bereits seit 2017 inne hatte. Es gebe einiges, das man „gemeinsam anpacken“ müsse. Dazu gehörten die Digitalisierung, die Reform der Notfallversorgung, die Gewinnung von Nachwuchs und die Stärkung der Selbstverwaltung. Das seien „nur einige der Herausforderungen der kommenden Jahre“, sagte sie.

Als erste stellvertretende VV-Vorsitzende wurde Dr. phil. Anke Pielsticker und als zweiter stellvertretender VV-Vorsitzender Dr. med. Rolf Englisch gewählt. Auch für Englisch ist es die zweite Amtszeit für die KBV-Vertreterversammlung: Bereits seit 2017 ist er zweiter stellvertretender Vorsitzender. In der abgelaufenen Amtsperiode habe man sich erfolgreich „Teamgeist auf die Fahne geschrieben“ – dies wolle er die kommenden sechs Jahre fortsetzen. Pielsticker, psychologische Psychotherapeutin und niedergelassen in München, betonte, dass Amt bedeute für sie „Vertrauensbildung mit Mitgliedern aller drei Versorgungsbereiche“. Sie wolle drei Schwerpunkte setzen: Nachwuchsförderung und Weiterbildung, Digitalisierung sowie Qualitätssicherung. Die neue erste stellvertretende VV-Vorsitzende kann einige Erfahrung in der Berufspolitik vorweisen. So ist sie beispielsweise seit 2012 Vorständin der Psychotherapeutenkammer Bayern und Delegierte des Deutschen Psychotherapeutentages sowie seit 2019 stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV).

Reichlich Arbeit und große Herausforderungen sieht der neue Vorstand der KBV sowie die Vertreterversammlung auch in den nächsten Jahren auf sich zukommen.
Reichlich Arbeit und große Herausforderungen sieht der neue Vorstand der KBV sowie die Vertreterversammlung auch in den nächsten Jahren auf sich zukommen.

Notfallversorgung im Fokus

Inhaltlich stand bei der ersten KBV-Vertreterversammlung der Amtsperiode die geplante Reform der Notfallversorgung im Mittelpunkt. Eine solche Reform könne ohne Einbezug der Perspektive niedergelassener Ärztinnen und Ärzte nicht funktionieren. Dies betont die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in einer einstimmig beschlossenen Resolution (Kasten).

Gassen verwies diesbezüglich auf die kürzlich vorgelegten Empfehlungen der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Dabei handle es sich noch nicht um ein Gesetzgebungsvorschlag oder eine öffentlich verlautbarte Position des Bundesgesundheitsministers. Es sei aber „gut und richtig“, an diesen Vorschlägen – dort wo „völlig unrealistisch und nicht umsetzbar“ – schon jetzt zu Beginn der Diskussion konstruktive Kritik zu üben. Aus Sicht der Niedergelassenen müsse unter anderem die „höchst angespannte Personalsituation“ in der medizinischen Versorgung angemessen in der laufenden Fachdiskussion berücksichtigt werden. Um den genauen Wortlaut der Resolution hatte es vor der Abstimmung eine Diskussion innerhalb der Vertreterversammlung gegeben. „Ich befürchte, wenn wir jetzt mit Zorn reagieren, dass wir dann das falsche Zeichen setzen“, erklärte Dr. med. Ralph Ennenbach von der KV Schleswig-Holstein. „Das spielt nur anderen in die Karten und das haben wir nicht nötig.“

Das sahen jedoch nicht alle Kolleginnen und Kollegen so. „Ich glaube, dass es irgendwann auch Zeit ist, deutliche Worte zu sprechen“, wandte Dipl.-Med. Ulrich Freitag von der KV Mecklenburg-Vorpommern ein. Die Mitglieder seiner KV würden klare Aussagen und eine eindeutige Positionierung wollen. „Ich glaube, es eskaliert und wir wollten unseren Stand mit festen Pflöcken einhauen.“

Das könne jedoch auch die Verhandlungsposition schwächen, erwiderte daraufhin Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein. Er wolle „dafür werben, dass wir den Gesprächsfaden weiterspinnen können und nicht durch eine impulsive Reaktion abschneiden“, sagte er. Die KBV müsse sich angesichts der vorgelegten Pläne „wahrnehmbar räuspern“ – mehr aber auch nicht – und so auch weiterhin die Bereitschaft für ein Miteinander erkennen lassen. Dieser diplomatische Ansatz setzte sich schlussendlich gegenüber dem ursprünglichen und deutlich schärfer formulierten Resolutionsentwurf durch.

Funktionierende Modelle nutzen

KBV-Vize Hofmeister betonte, das KV-System könne bezüglich der Notfallversorgung viele funktionierende regionale Modelle vorweisen. Diesen „Baukasten“ gelte es zu nutzen. Dem pflichtete Dr. med. Carsten König von der KV Nordrhein ausdrücklich zu. Die Niedergelassenen verfügten über immense Kompetenz in diesem Bereich – dies müsse man verstärkt „nach vorne tragen“.

Im Rahmen einer Klausurtagung der KBV Anfang Mai werde man die Optimierung der Notfallversorgung nochmals gesondert auf die Agenda setzen, so die Ankündigung Hofmeisters. Dort werde man laut Gassen eigene Vorschläge erarbeiten und sich „sehr deutlich positionieren“.

André Haserück, Tobias Lau

Beteiligung an Notfallreform

Zur geplanten Krankenhausreform der Bundesregierung hat die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei ihrer Sitzung in Berlin folgende Resolution einstimmig verabschiedet:

„In der vergangenen Woche hat die Regierungskommission in ihrer 4. Stellungnahme ihre Empfehlungen für eine ‚moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung‘ veröffentlicht. Während vergangene Vorschläge die bisherigen etablierten Strukturen gewürdigt und miteinbezogen haben, bricht die vorliegende Stellungnahme mit diesem konstruktiven Vorgehen. Die vorhandene Notdienstgestaltung fußt auf kooperativen und arbeitsteiligen Strukturen. Diese gilt es, konstruktiv und unter Berücksichtigung regionaler Bedarfe weiterzuentwickeln. Das KV-System macht sich überdies nachdrücklich für die Etablierung eines sektorübergreifenden Ersteinschätzungssystems stark, um Fehlallokationen systematisch entgegenzuwirken. Einseitige und sektorenzentrierte Vorschläge sind wenig zielführend. Um künftig realitätsnahe Konzepte zu entwickeln, müssen die Experten der ambulanten Versorgung (KVen und Verbände) aktiv eingebunden werden. Ohne Einbezug der Perspektive niedergelassener Ärzte kann eine Reform der gemeinsamen Notfallversorgung nicht funktionieren.“

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