ArchivDeutsches Ärzteblatt20/2000Die Sammlung Heinz Kirchhoff: Symbole des Weiblichen

VARIA: Feuilleton

Die Sammlung Heinz Kirchhoff: Symbole des Weiblichen

Plentz, Ulrike

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LNSLNS „Denn das Naturell der Frauen ist so nah mit Kunst verwandt“
(Goethe, Faust II)

Nicht nur in Mythen und Sagen, sondern auch
in der darstellenden Kunst verschiedenster Kulturen und Epochen der Welt ist die Frau als Symbol für Fruchtbarkeit und Verkörperung einer lebenspendenden Gottheit zu finden. Neben abstrakten, auf Symbole reduzierten Frauenfiguren finden sich von der Altsteinzeit an immer wieder naturalistische Darstellungen, welche die weiblichen Attribute besonders betonen.
Globetrotter und Wissenschaftler
Prof. Dr. Heinz Kirchhoff (1905 bis 1997), der als Ordinarius von 1954 bis 1973 die Universitäts-Frauenklinik in Göttingen leitete, hat sich als leidenschaftlicher Sammler mit diesem Themenbereich beschäftigt. Er verstand es, seine Tätigkeit als Wissenschaftler und Frauenarzt mit dem Wissen anderer Kulturen zu verbinden. So interessierte er sich besonders für die Geburtstechniken anderer Kulturen. Den Kontakt zu anderen Kulturen bekam Kirchhoff als Globetrotter. Privat, aber auch beruflich, zum Beispiel als Berater der internationalen Familienplanung, kam er nach Afrika, Asien und Südamerika und brachte von diesen Reisen zahlreiche Objekte mit. Auf diese Weise ist eine Sammlung von rund 650 Objekten erwachsen, die einen Querschnitt gibt durch die Geschichte des Weiblichen und der – je nach Region und Zeit variierenden – künstlerischen Umsetzung. Zunächst sammelte Kirchhoff vorrangig unter ästhetischen Gesichtspunkten, doch mit der Zeit lag ihm immer mehr daran, die facettenreiche Bedeutung und Rolle der Frau zu dokumentieren, „ohne jedoch“, wie er selbst betonte, „ihre Fähigkeiten und Aufgaben auf die Schwerpunkte dieser Ausstellung begrenzen zu wollen“.
Universelle Geste
Den Exponaten kommen die unterschiedlichsten, bislang nicht immer rekonstruierbaren Funktionen zu. Neben ihrer Verwendung in Fruchtbarkeitsritualen oder Ahnenkulten dienten einige Objekte als Grabbeigabe, als Begleitung des Toten in die „neue“ Welt, so zum Beispiel die Mutter-Kind-Figur aus West-Mexiko. Figürliche Darstellungen von Mutterschaft tauchen auch in verschiedenen alltäglichen Lebensbereichen an Gebrauchsgegenständen – zum Beispiel Goldstaubgewichten oder Wasserbehältern – auf. Aus Ägypten stammen „Graviden-Flaschen“ und Muttermilchkrüglein, die Medikamente für die Schwangeren enthielten. Auch Spielzeuge finden sich in der Ausstellung: Beispielsweise wurden Tonfiguren der brasilianischen Caraja-Indianer den Kindern gegeben, um sie in die Welt der Erwachsenen einzuführen.
Neben dieser Vielfalt stechen auch Gemeinsamkeiten oder sich wiederholende Darstellungsformen ins Auge: So ähneln sich zum Beispiel die altsteinzeitliche Venus von Willendorf und die Black Venus von Niki de Saint Phalle in ihren üppigen weiblichen Ausformungen. Als universelle Geste kann die Brustgeste – das Deuten der Frau auf ihre Brüste – bezeichnet werden. Sie taucht in beinahe allen Epochen und Kulturen auf und wird als Geste des Stolzes, als Hinweisen auf die lebenspendende Kraft gedeutet.
Seit 1997 präsentiert der Förderverein Sammlung Heinz Kirchhoff e.V., der nach dem Tod Kirchhoffs zur Pflege und wissenschaftlichen Bearbeitung der Sammlung gegründet wurde, einen Großteil der Sammlung als Dauerausstellung im Göttinger Universitätsklinikum – der ehemaligen Wirkungsstätte Heinz Kirchhoffs. Dort stoßen die Symbole des Weiblichen vor allem bei den Patienten des Klinikums auf reges Interesse. Ein Teil der Sammlung ist auch in Form einer Wanderausstellung zu entleihen, die mit etwa 50 Objekten einen bei der Altsteinzeit beginnenden Abriss über die künstlerische Wahrnehmung und Darstellung der Frau im Kulturvergleich bietet. Ulrike Plentz

Anatolien,
5600 v. Chr. (Kopie)

West-Mexiko,
200–900 n. Chr. (Original)

Information und Kontakt: Förderverein Sammlung Heinz Kirchhoff e.V.
Postfach 1912, 37070 Göttingen, Telefon: 05 51/39 20 93 Internet: www.kirchhoff-sammlung.de

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