ArchivDeutsches Ärzteblatt12/2023Entbudgetierung, Blutspende, UPD-Reform: Der „Omnibus“ ist angekommen

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Entbudgetierung, Blutspende, UPD-Reform: Der „Omnibus“ ist angekommen

Kurz, Charlotte; Maybaum, Thorsten

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Anfangs ging es im UPD-Reformgesetz nur um einen Neuanfang für die Unabhängige Patientenberatung. Doch dann wurde das Gesetz zu einem „Omnibus“, auf den immer mehr Gesetzesvorhaben „aufgesprungen“ sind. Auf einem Platz sitzen Verbesserungen für die Kinder- und Jugendmedizin.

Die Ampelkoalition setzt mit den neuen Regelungen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Foto: cosastocker/stock.adobe
Die Ampelkoalition setzt mit den neuen Regelungen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Foto: cosastocker/stock.adobe

Der Bundestag hat in der vergangenen Woche gleich mehrere Reformvorhaben verabschiedet, die die Parlamentarier der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP als eilbedürftig angesehen haben. Denn sie wurden an das laufende Gesetzgebungsverfahren für die Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) angehängt. Beschlossen wurden damit die Entbudgetierung des „Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“, die extrabudgetäre Vergütung von bestimmten Leistungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Änderungen bei den Blutspenderegeln, ein Neuanfang für die UPD sowie eine Regelung zum Austausch von Arzneimitteln in der Apotheke.

Im parlamentarischen Verfahren ging es dabei drunter und drüber. Änderungsanträge erblickten das Licht der Welt, wurden formal wieder zurückgezogen und erst sehr kurzfristig wieder als neue Anträge ins Parlament eingebracht. Das stellte die Abgeordneten ebenso wie die stellungnahmeberechtigten Verbände – etwa aus der gemeinsamen Selbstverwaltung – vor erhebliche Zeitprobleme. Teilweise verblieben nicht einmal 24 Stunden für die Stellungnahmen. Ein Ablauf, der in den vergangenen Monaten immer häufiger zu beobachten gewesen ist.

Spezielle Leistungen inkludiert

Unabhängig von den parlamentarischen Abläufen steht für die Kinder- und Jugendmedizin ein Ergebnis, das zu Anfang des Gesetzesvorhaben noch nicht abzusehen gewesen ist. Im Dezember 2022 hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zunächst angekündigt, die allgemeinen pädiatrischen Leistungen entbudgetieren zu wollen. Kurz vor den Abschlussberatungen im Parlament nahm die Ampelkoalition noch einmal eine Änderung vor. Aus der Entbudgetierung der „Leistungen der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin“ wurde die Entbudgetierung der „Leistungen im Versorgungsbereich der Kinder- und Jugendmedizin“. Das dürfte bedeuten, dass im Gegensatz zu den bisherigen Plänen auch spezielle Leistungen der Pädiatrie wie etwa die pädiatrische Onkologie und Hämatologie eingeschlossen sind. Eine genaue Definition der etwas unscharfen Formulierung findet sich aber weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung. Hausärzte dürften von der Formulierung nicht umfasst sein. Die Entbudgetierung der pädiatrischen Leistungen soll über Berechnungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) erfolgen. Der Bewertungsausschuss soll ein Verfahren zur Anpassung des Honorarvolumens als Teil der MGV festlegen.

Die Kinder- und Jugendärzte zeigten sich zufrieden. „Die Entbudgetierung ist angesichts eines zunehmenden Mangels an Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten ein Meilenstein für eine größere Versorgungssicherheit für Kinder und Jugendliche“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach. Man begrüße, dass zukünftig auch die schwerpunktpädiatrischen Leistungen von Budgetkürzungen und Mengenbegrenzungen verschont bleiben sollten. „Der Wermutstropfen bei der gefundenen Lösung ist die starke Rolle des Bewertungsausschusses. Wir hoffen auf ein transparentes Verfahren, das dafür sorgt, dass die vom Gesetzgeber gewünschte Besserstellung der Pädiatrie auch in unseren Praxen ankommt“, sagte Fischbach.

Bei den Änderungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie geht der Gesetzgeber einen Weg, den sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auch für die pädiatrischen Leistungen gewünscht hätte. Künftig sollen die Grundversorgung sowie ausgewählte diagnostische und therapeutische Leistungen wie etwa Gesprächs-, Beratungs- und Betreuungsleistungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu festen Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnungen außerhalb der MGV – sprich extrabudgetär – vergütet werden.

Neuregelung bei Blutspende

Das Gesetz sieht weiter Anpassungen im Transfusionsgesetz und damit Neuerungen bei der Blut- und Plasmaspende vor. Spendewillige Personen sollen künftig nicht mehr aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Spende ausgeschlossen werden. Derzeit dürfen Personen mit einem Sexualverhalten, das ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt, vier Monate nach Beendigung dieses Verhaltens Blut spenden. Männer, die Sex mit Männern haben, dürfen etwa nur dann Blut spenden, wenn sie in den zurückliegenden vier Monaten keinen Sexualverkehr mit „einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner“ hatten. Stattdessen soll die Spenderauswahl laut Gesetz künftig auf Grundlage einer individuellen, diskriminierungsfreien Risikobewertung erfolgen. Zudem soll die Höchstaltersgrenze für eine Blutspende aufgehoben und der Einsatz von telemedizinischen Verfahren bei der ärztlichen Betreuung der Blutspende ermöglicht werden.

Allerdings müssen diese Regelungen erst noch in der zugrunde liegenden Richtlinie Hämotherapie beschlossen werden, für die die Bundesärztekammer (BÄK) federführend verantwortlich ist. Zuletzt hatte die BÄK diese im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut sowie unter Beteiligung von Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Robert Koch-Institut im Jahr 2021 geändert. Mit der Gesetzesänderung verpflichtet der Bund die BÄK, die Richtlinie innerhalb von vier Monaten entsprechend zu ändern. Sollte die BÄK diese Änderung nicht vornehmen, kann das BMG dies per Ersatzvornahme, also per Rechtsverordnung, tun. Das BMG muss zudem die Auswirkungen der Regelungen zwei Jahre nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie evaluieren. Die BÄK betonte allerdings, dass aus Gründen der Sicherheit der Patientinnen und Patienten allein wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten Grundlage von Richtlinien in der Medizin sein dürften. Die bestehende Richtlinie sichere die Ziele, die Bevölkerung sicher mit Blutprodukten zu versorgen sowie Blut und Blutbestandteile sicher zu gewinnen, so die BÄK. Die Aufhebung der Altersgrenze erfordere zudem eine differenzierte Betrachtung auch im Hinblick auf EU-rechtliche Vorgaben und insbesondere die Sicherheit der Blut spendenden Person. Darüber hinaus sei in Einzelfällen bereits ein Abweichen von der Altersgrenze möglich. Diese Grenze gilt für Erstspender derzeit ab 60 Jahre und für Wiederholungsspender ab 68 Jahre. Skeptisch zeigte sich die BÄK auch bei der Regelung, dass telemedizinische Untersuchungen bei der Blutspende möglich sein sollen. Schwerwiegende oder lebensbedrohliche Komplikationen im Rahmen einer Blutspende seien zwar sehr selten, aber niemals völlig auszuschließen. Deshalb dürften Blutspenden nicht ohne ärztliche Präsenz durchzuführen sein.

Unabhängige Struktur

Kernstück des Gesetzes ist die Neuaufstellung der UPD als Stiftung bürgerlichen Rechts. Damit geht der Weg weg von einer Ausschreibung, die zuletzt ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen gewonnen hatte. „Die Unabhängige Patientenberatung leistet mit ihrem Informations- und Beratungsangebot einen wichtigen Beitrag, um sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Unabhängige Informationen seien essenziell, damit Patienten ihre Interessen wahrnehmen könnten. „Mit dem Gesetz wird die UPD in eine staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen überführt“, so der Minister. Der GKV-Spitzenverband soll sich um den Aufbau der Stiftung kümmern und diese auch finanzieren. Ab dem 1. Januar 2024 soll die Stiftung jährlich einen Gesamtbetrag in Höhe von 15 Millionen Euro erhalten. Die Private Krankenversicherung (PKV) kann sich, wie sie es bisher getan hat, mit einem Finanzvolumen von sieben Prozent freiwillig an der Finanzierung beteiligen. In diesem Falle reduziert sich der vom GKV-Spitzenverband zu tragende Betrag entsprechend. Ob das Gesetz noch ein Nachspiel haben wird, ist unklar. Die Krankenkassen hatten bemängelt, dass sie zwar die Stiftung finanzieren sollen, aber kaum Mitspracherechte hätte. Sie sehen das Modell nicht als verfassungskonform an und haben Klagen angekündigt. Die Opposition im Bundestag sieht das ähnlich. Sie hätte sich wie die Kassen eine Finanzierung aus Steuermitteln gewünscht. Ob es angesichts der Klagen einen lückenlosen Übergang der UPD in eine Stiftungsform geben wird, ist daher noch unsicher.

Charlotte Kurz, Thorsten Maybaum

Weitere Regelungen

Mit dem Gesetz sind noch weitere Vorhaben auf die Schiene gesetzt worden. Um Lieferengpässen bei Arzneimitteln vorzubeugen, soll die erweiterte Austauschmöglichkeit für Apotheken nach der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bis Ende Juli 2023 verlängert werden. Darüber hinaus erhalten die Krankenhäuser die Verordnungsmöglichkeit für Krankenfahrten im Rahmen der neuen Tagesbehandlung. Zur Vorbereitung politischer Entscheidungen und gesetzlicher Regelungen zur Krankenhausversorgung und -finanzierung, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Krankenhausreform, wird vorgesehen, dass das BMG auf die besondere Expertise des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) in Bezug auf die Auswertung von Daten zurückgreifen kann.

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