ArchivDeutsches Ärzteblatt12/2023Krankenhausreform: Festgefahren

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Krankenhausreform: Festgefahren

Schmedt, Michael

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Michael Schmedt, Chefredakteur
Michael Schmedt, Chefredakteur

Es gibt nicht viele gesundheitspolitische Veranstaltungen, die es zur Primetime in die 20-Uhr-Tagesschau schaffen. Aber die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Krankenhausreform bewegt die Gemüter. Und so sah man den Minister in der Tagesschau auf dem Krankenhausgipfel der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) über seine Pläne referieren (Seite 503). Mehr Klarheit in die Krankenhausreform brachte er nicht.

Dafür wurden die großen Differenzen zwischen Bund und Ländern deutlich. „Ich lasse nicht zu, dass mein Ministerium am Ende eine Bezirksregierung des Bundes wird“, sagte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und demonstrierte seine Machtposition, die er genießt, weil der Bundesrat das geplante Reformgesetz absegnen muss. Das war im Koalitionsvertrag so angelegt und beschert Lauterbach jetzt die Abhängigkeit von den unionsgeführten Ländern. Laumann hatte zudem kurz vor dem Gipfel zusammen mit Bayern und Schleswig-Holstein ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Reformpläne in Auftrag gegeben. Wie angespannt die Situation ist, zeigt zusätzlich ein Brief von Laumann an alle Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen, in dem er erläutert, dass die dort begonnene Krankenhausreform uneingeschränkt fortgesetzt werde und der Vorschlag der Expertenkommission kaum umsetzbar sei. Der Brief war eine Reaktion auf „übereinstimmende Medienberichte“, nach denen Lauterbach bundeseinheitliche Kriterien angekündigt hatte. Wenn Laumann auf dem Gipfel dennoch betonte, es habe gute Gespräche im Bundesgesundheitsministerium gegeben, erscheint dies inzwischen mehr als Floskel.

Die Taktik Lauterbachs, zunächst eine wissenschaftliche Expertise einzuholen, diese zur Diskussion zu stellen, um dann den politischen Prozess voranzutreiben, ist nicht aufgegangen. Denn neben den Ländern muss er sich auch mit der Kritik der Selbstverwaltung auseinandersetzen, die er als vermeintliche Lobbygruppe diskreditiert und nicht einbezogen hatte. Die Folge sind harsche Diskussionen. Und die kosten Zeit, die man nicht hat. „Denn viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens“ nicht überleben, wie der DKG-Vorsitzende Gerald Gaß sagte. Auch die federführenden Autoren des Kommissionsvorschlags prognostizieren desaströse Entwicklungen, wenn sich nichts ändert (Seite 506).

Es fehlt eine stimmige und konstruktive Strategie. So lässt Lauterbach erst jetzt die Auswirkungen der Kommissionsvorschläge analysieren, was die DKG bereits gemacht hat. Da passt es ins Bild, dass Lauterbach nach seiner Rede auf dem Gipfel schnell entschwand, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Tino Sorge, aus Termingründen die Diskussionsrunde vorzeitig verließ, während Heike Baehrens (SPD) vor Panikmache warnte. Man hätte doch einen guten Vorschlag, über den man diskutieren könne. So einfach ist Politik offensichtlich nicht. Die Situation ist festgefahren, solange Lauterbach nicht mehr auf die Länder und die Selbstverwaltung zugeht. Und dann ist da noch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der aktuell wohl wenig geneigt ist, den Bundeshaushalt aufzustocken, um einen Krankenhausfonds aufzulegen, wie die Kommission es gefordert hat.

Dass viele Krankenhäuser ohne eine Reform vor einem unkontrollierten Kollaps stehen, ist allen klar. Man darf auf die kommenden Beratungen der Bund-Länder-Gruppe (nach Redaktionsschluss) gespannt sein. An persönlichen Eitelkeiten solle es nicht scheitern, sagte zumindest Laumann – während er kurz zuvor einen Gang vor die Verfassungsorgane ins Spiel gebracht hatte …

Michael Schmedt
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