

Knapp eine halbe Billion Euro kostet inzwischen die Gesundheitsversorgung der deutschen Bevölkerung. 2021 waren es 474,1 Milliarden Euro, für 2022 rechnet das Statistische Bundesamt mit 498,1 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2022 war mit 495,8 Milliarden Euro veranschlagt. Gleichzeitig bewertet jedes zweite Unternehmen in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft seine wirtschaftliche Lage als angespannt, wie die Bank für Sozialwirtschaft vergangene Woche vermeldete. Dazu gehören Unternehmen aus der stationären und ambulanten Pflege, der Rehabranche, dem Krankenhausbereich und Arztpraxen.
„Düstere Aussichten“ trifft die Situation wohl am besten. Denn die demografische Entwicklung macht es noch schwieriger. Weniger Beitragszahler, weniger Gesundheitsfachkräfte, eine relativ alte Bevölkerung und steigende Kosten sind eine toxische Kombination. Die Bevölkerung muss es mit steigenden Beitragssätzen ausbaden. Denn die Hälfte der halben Billion Euro für die Gesundheitsversorgung trägt die gesetzliche Krankenversicherung.
Auf der anderen Seite agiert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit zusätzlichen Milliardenbeiträgen. So zum Beispiel eine halbe Milliarde für die Bekämpfung der Arzneimittelengpässe oder sechs Milliarden Euro Hilfszahlungen für die Krankenhäuser. So berechtigt die Hilfen sind, dreht sich die Kostenspirale dennoch kontinuierlich weiter. Das Gesundheitssystem weiß, dass es immer mehr gibt, wenn es notwendig ist.
Zudem trägt Lauterbach noch den Rucksack seines Antrittsversprechens, dass es mit ihm keine Leistungskürzungen geben wird. Der Minister präsentiert sich damit und auch mit den finanziellen Unterstützungsmaßnahmen gerne als Wohltäter. Dass dies steigende Kassenbeiträge und höhere Steuerzuschüsse nach sich zieht, die wiederum die Bevölkerung belasten, fehlt in der öffentlichen Wahrnehmung. Seine Strategie mag kurzfristig helfen, nachhaltig ist sie nicht.
Ohne strukturelle Maßnahmen wird sich nichts ändern. Lauterbach setzt sich zwar für eine Digitalisierung und Entbürokratisierung ein, um zwei Beispiele zu nennen, die Personalressourcen freisetzen könnten. Aber richtige Effekte sind noch nicht zu sehen.
Die Gesellschaft wird sich fragen lassen müssen, ob sie weiterhin jede medizinische Leistung zu jeder Zeit an fast jedem Ort haben und dafür bezahlen möchte. Dass man diese Frage als Gesundheitsminister nicht gerne stellt oder erklärt, dass dieses Rundum-sorglos-Paket nicht mehr möglich ist, mag politisch nachvollziehbar sein. Gesundheit ist ein sensibles Thema. So hat die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin trotz ihrer weltweiten Sympathie die Wahl innenpolitisch verloren, weil sie unter anderem das Gesundheitssystem so umgebaut hat, dass die Finnen noch länger auf Arzttermine und Operationen warten müssen.
Eine ausreichende Finanzierung muss gewährleistet sein, ohne Frage. Aber es muss ökonomisch gedacht werden. Das bedeutet einerseits, nicht kommerziell zu agieren und andererseits nicht einfach nur mit Geld zu unterstützen. Ökonomisch heißt, Geld richtig einzusetzen und sinnvolle, effiziente Strukturen zu schaffen, von denen auch die Mitarbeitenden profitieren. Wenn Lauterbach sagt, er wolle die Medizin entökonomisieren, klingt das erst mal gut. Aber ohne eine sinnvolle Ökonomie funktioniert auf Dauer auch kein Gesundheitswesen.
Michael Schmedt
Chefredakteur
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