ArchivDeutsches Ärzteblatt16/2023Pandemie: Bereit für das nächste Virus?

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Pandemie: Bereit für das nächste Virus?

Schmedt, Michael

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Michael Schmedt, Chefredakteur
Michael Schmedt, Chefredakteur

Zu Ostern sind die Coronaschutzmaßnahmen endgültig ausgelaufen. Die Bevölkerung genoss das lange Osterwochenende anstatt den Freedom Day zu feiern, der noch im März des vergangenen Jahres für eine heiße politische Diskussion sorgte.

Also alles gut? So einfach ist es natürlich nicht. Dass man solch eine epochale Pandemie aufarbeiten muss, kann niemand bezweifeln. Der Fokus sollte allerdings sicher nicht auf der Suche nach Schuldigen liegen, sondern in der Betrachtung des Gesundheitswesens. In der Pandemie wurde deutlich, dass es vor allem im Public-Health-Bereich große Defizite gibt. Gute Strukturen, die politische Maßnahmen in einer Pandemie begleiten, überwachen und analysieren, fehlten hierzulande.

Schnell aufgesetzte Bevölkerungsstudien über Ansteckungen, zu Impfungen oder dem Immunitätsstatus kamen nicht zustande. Allein die bürokratischen Anforderungen sind zu hoch, wurde kritisiert. Daten aus Israel und Großbritannien waren daher sehr willkommen. Das oft geforderte Impfregister ist in der Versenkung verschwunden. Ein Abwassermonitoring wird dagegen bundesweit vorangetrieben. Die systematische Zusammenarbeit von Wissenschaft und Öffentlichem Gesundheitsdienst muss forciert werden. So kann schnell auf neue Erreger reagiert und dazu informiert werden.

Bei der Information lag in der Pandemie einiges im Argen. Verunsicherung entstand durch eine schlecht informierte oder teilweise sogar desinformierte Bevölkerung. Der Bekanntheitsgrad des 2020 eingeführten Nationalen Gesundheitsportals war und ist immer noch dürftig. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) tauchte in Pandemiezeiten ab. Das lag nicht zuletzt daran, dass das Bundesgesundheitsministerium selbst Kampagnen beauftragte. Nun soll es dem Willen der Ampelkoalition nach ein Public-Health-Institut richten, in dem die BZgA aufgehen soll.

Die Digitalisierung zeigte in der Pandemie Licht und Schatten. In der Versorgung war die explosionsartige Steigerung der Anzahl an Videosprechstunden ein Lichtblick. Faxgeräte im Öffentlichen Gesundheitsdienst waren dagegen das Sinnbild des analogen Datenfriedhofs. Dass nun im Gesundheitswesen mehr digital gearbeitet werden muss, um gute Studiendaten zu bekommen, aber auch schnell (be)handeln zu können, sollte klar sein. Allein eine Impfung auf dem Smartphone zu dokumentieren, war vor der Pandemie noch in weiter Ferne. Als eine positive strukturelle Maßnahme sei zudem die telefonische Krankschreibung genannt, die allerdings kürzlich wieder abgeschafft wurde.

Zu guter Letzt hat die Pandemie gezeigt, wie engagiert die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen sind. Viele haben aber stressbedingt ihren Job aufgegeben. Der Fachkräftemangel verstärkt dieses Stressumfeld, das bereits vor der Pandemie existierte. Auch hier besteht akuter Handlungsbedarf. All das kostet Geld. Der Finanzminister ist gefragt. Das verheißt nichts Gutes. So stockt beispielsweise der Aufbau einer Nationalen Reserve Gesundheitsschutz etwa für Masken und Medikamente in Notlagen. Es werden Haushaltsmittel benötigt. Für die Krankenhausreform gilt dies wohl auch.

Die kurze nachpandemische Betrachtung des Gesundheitswesens macht klar, dass die Baustellen Daten, Digitalisierung, Bürokratie, Information und Fachkräftemangel sicher nicht nur in Pandemiezeiten bestehen. Es gilt, das gesamte Gesundheitswesen auf den Prüfstand zu stellen. Man darf nicht nachlassen. Dann ist man ganz automatisch für das nächste Virus gewappnet.

Michael Schmedt
Chefredakteur

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