POLITIK
Cannabislegalisierung: Clubs und Modellregionen geplant


Statt der Möglichkeit, Genusscannabis in Fachgeschäften künftig bundesweit erwerben zu können, soll die von der Ampelregierung geplante Legalisierung vor allem aufgrund europarechtlicher Bedenken in zwei Schritten erfolgen. Dabei sollen Vereine und Modellregionen eine wichtige Rolle spielen.
Das Vorhaben der Bundesregierung, Genusscannabis zu legalisieren, gestaltet sich schwierig. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP ist festgehalten, dass Erwachsene Cannabis in lizenzierten Geschäften legal erwerben dürfen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte bereits im Oktober 2022 entsprechende Eckpunkte vorgestellt. Jedoch musste Lauterbach zunächst mit Brüssel beraten, ob das Legalisierungsvorhaben mit den Vorschriften der Europäischen Union (EU) vereinbar ist. Offenbar hat die EU ein Veto eingelegt.
„Diese Eckpunkte haben wir mit der Europäischen Kommission Ende November sehr intensiv besprochen. Das waren gute und vertrauensvolle Gespräche“, erklärte Lauterbach vergangene Woche. „Wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass der damalige Eckpunkteentwurf uns nicht weiterbringen wird, unsere Ziele zu verfolgen. Wir haben deshalb neue Eckpunkte entwickelt.“
Das neue Konzept sieht vor, dass der Besitz und Konsum von Cannabis im privaten Bereich legalisiert werden soll. Dabei soll der Besitz von Cannabis für den Eigenkonsum bis 25 Gramm straffrei werden. Privat sollen zudem bis zu drei weibliche blühende Cannabispflanzen angebaut werden dürfen. Außerdem ist die geplante Legalisierung in zwei Schritten unter dem Namen „CARe“ (Club Anbau & Regionalmodell) vorgesehen.
Cannabis nur für Mitglieder
Bei der ersten Säule dieser neuen Eckpunkte gehe es darum, eine Möglichkeit zu schaffen, sich legal mit Cannabis zu versorgen, sagte Lauterbach. Der Gesetzentwurf dazu soll Ende April kommen, kündigte er an. Damit sollen der private Eigenanbau sowie der Anbau in nicht gewinnorientierten Vereinigungen bundesweit ermöglicht werden. Sogenannte Cannabisclubs dürfen unter klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen gemeinschaftlich Cannabis anbauen und nur an Mitglieder ab 18 Jahren für den Eigenkonsum abgeben. Die bis zu 500 Mitglieder dürfen über den Verein maximal 25 Gramm Cannabis pro Tag und 50 Gramm pro Monat beziehen. Für Heranwachsende unter 21 Jahren ist die Abgabe auf 30 Gramm pro Monat begrenzt. Eine Grenze des THC-Gehalts für junge Erwachsene ist vorgesehen.
Die Vereine dürfen nicht nur Cannabis, sondern auch selbst erzeugte Samen und Stecklinge für den Eigenanbau abgeben. Es gilt die Voraussetzung eines Wohnsitzes in Deutschland. „Die Anzahl der Vereinigungen kann nach Bevölkerungsdichte begrenzt werden“, heißt es zudem in dem Eckpunktepapier.
Der Cannabiskonsum soll in den Vereinigungen selbst nicht stattfinden dürfen. „Ich spreche ganz gezielt von Cannabisclubs und nicht von Social Clubs“, betonte Lauterbach. Social Clubs gebe es etwa in den Niederlanden, wo gemeinsam Cannabis unklarer Herkunft konsumiert wird.
Lauterbach sieht zudem die Bundesländer in der Pflicht, Vorkehrungen und Vorgaben festzulegen, wie diese Vereinigungen gesichert werden müssten. Landesbehörden sollen zudem die Einhaltung der Mengen-, Qualitäts- und Jugendschutzvorgaben zulassen und überwachen sowie stichprobenartig überprüfen Es sei sehr viel einfacher, eine begrenzte Anzahl an registrierten Cannabisclubs zu überprüfen als Tausende Dealer, die man gar nicht überprüfen könne, so Lauterbach.
Kommerzieller Verkauf geplant
Diese Säule soll zunächst auf vier Jahre angesetzt werden. Danach erfolge eine Evaluation mit dem Ziel der Prüfung und Anpassung hinsichtlich des Gesundheits- und Jugendschutzes sowie die Zurückdrängung des Schwarzmarktes.
Die zweite Säule soll hingegen nach der Sommerpause auf den Weg gebracht werden, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Mit dieser ist die Einführung von Modellregionen vorgesehen, in denen Cannabis kommerziell produziert und in Fachgeschäften an Erwachsene verkauft werden darf. Dieses Vorhaben ist für fünf Jahre geplant. In den Modellregionen wird es zudem eine Cannabissteuer geben. Allerdings steht noch nicht fest, welche Regionen Modellprojekte durchführen werden.
Geplant ist eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation. Die gewonnenen Informationen sollen dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission zur Verfügung gestellt werden. Damit sollen die Erkenntnisse auch dafür genutzt werden, bei anderen europäischen Ländern für das Vorhaben der Cannabislegalisierung zu werben, heißt es in dem Eckpunktepapier. Zudem gelte es zu prüfen, ob der EU-Rechtsrahmen gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten geändert werden könne. Welche Länder hier auf der Seite Deutschlands sind, wollte Lauterbach nicht verraten. Allerdings sind manche EU-Staaten bereits erste Schritte hin zu einer Legalisierung oder Entkriminalisierung gegangen (Kasten).
Zudem sollen Minderjährige, wenn sie künftig Cannabis besitzen oder konsumieren, an Frühinterventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen. Entsprechende Programme werden aufgelegt, kündigte Lauterbach an. „Wir wollen Kinder und Jugendliche besser schützen, in dem wir den Schwarzmarkt für Erwachsene zurückdrängen“, so Lauterbach weiter. Denn der Schwarzmarkt sei Motor für die Abhängigkeit von Jugendlichen.
Verbotspolitik gescheitert
Ziel der Legalisierung sei, mehr Sicherheit zu bieten, Konsumenten vor Verunreinigungen zu schützen, den Jugendschutz zu stärken sowie die Drogenkriminalität und den Schwarzmarkt zurückzudrängen, sagte Lauterbach. „Wir schaffen kein Problem, sondern versuchen ein Problem zu lösen“, so der Minister. Özdemir betonte: „Eine jahrzehntelange Verbotspolitik hat davor die Augen verschlossen und damit vor allem Probleme verursacht: zulasten unserer Jugendlichen, der Gesundheit von Konsumierenden und der Strafverfolgungsbehörden.“ Die Gesetze zur Legalisierung sollen Özdemir und Lauterbach zufolge nicht zustimmungspflichtig werden, müssten also nicht vom Bundesrat abgesegnet werden. Offenbar ist die Sorge vor den unionsgeführten Bundesländern groß, dass diese die Gesetzesvorhaben blockieren könnten.
Mitglieder der Ampelfraktionen begrüßten den Vorschlag. Widerstand kam insbesondere aus Bayern und von der Union. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte, dass das Vorhaben die Gesundheitsrisiken verharmlose. Er kündigte an: „Wir werden genau prüfen, wie wir die Cannabislegalisierung im Freistaat verhindern können.“
Bundesärztekammerpräsident Dr. med. (I) Klaus Reinhardt nannte es fatal, wenn Deutschland aus den internationalen Bestrebungen im Kampf gegen Suchterkrankungen und Drogenkriminalität ausschere. Er wies auch auf den Personalmangel in der psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung hin und betonte: „Wie kann man in einer solchen Lage darauf verfallen, die junge Generation einem weiteren gravierenden Risiko für die psychische Gesundheit auszusetzen? Welches Versorgungssystem soll die Folgen auffangen?“ Reinhardt plädierte stattdessen für einen Ausbau von Präventionsangeboten für junge Menschen. Charlotte Kurz
Weitere Legalisierungsbestrebungen in der EU
In Portugal sind Drogen seit 2001 entkriminalisiert. Dazu zählt nicht nur Cannabis, sondern beispielsweise auch Heroin. Das Land setzt seitdem verstärkt auf Prävention. Tschechien hat den Besitz und Konsum geringer Mengen von Drogen ebenfalls seit 2010 entkriminalisiert.
In Spanien existieren bereits viele Cannabis Social Clubs. Dort sind die Vereinigungen nicht legal, sondern werden lediglich geduldet, ähnlich wie die Coffeeshops in den Niederlanden. In Spanien darf Cannabis nur im Privaten oder in den Clubs konsumiert werden, in der Öffentlichkeit aber nicht. In Malta können seit Ende Februar 2023 sogenannte Cannabis Harm Reduction Associations legal gegründet werden. In Malta dürfen bis zu 500 Mitglieder eines Vereins Cannabis selbst anbauen und für den Eigenbedarf nutzen. In den Vereinen selbst darf allerdings nicht konsumiert werden. Medienberichten zufolge gab es allerdings bis Mitte März aufgrund der Auflagen noch keine entsprechende Bewerbung für die Einrichtung eines solchen Vereins. Erwachsene dürfen in Malta zudem seit 2021 bis zu sieben Gramm Cannabis besitzen sowie bis zu vier Pflanzen anbauen.
In Luxemburg gibt es derzeit ebenfalls Legalisierungspläne von Cannabis, die sich allerdings noch im Gesetzgebungsverfahren befinden.
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