MEDIZIN: Übersichtsarbeit
Schilddrüsenfunktionsstörungen ab der Menopause: Akkumulation von Risiken
Thyroid dysfunction in peri- and postmenopausal women—cumulative risks
;
Hintergrund: Mit der Menopause steigen bedingt durch den Estrogenmangel die Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen und für Osteoporose. Schilddrüsenfunktionsstörungen beeinflussen ebenfalls die kardiologische und osteologische Funktion. Diese Risikoakkumulation soll dargestellt werden.
Methode: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in PubMed mit den Stichworten: „menopause and thyroid disorders“ nach Veröffentlichungen im Zeitraum 1/2000 bis 10/2022. Gesucht wurde nach klinischen Studien, Metaanalysen, randomisierten kontrollierten Studien und systematischen Übersichtsarbeiten.
Ergebnisse: Beschwerden bei Schilddrüsenüberfunktion und in der Menopause sind ähnlich. Ein erniedrigter Spiegel an Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH) findet sich bei Frauen im Alter von 40–59 Jahren in 8–10 % der Fälle. Bei 21,6 bis 27,2 % der mit L-Thyroxin Behandelten besteht eine TSH-Erniedrigung. Ein niedriger TSH-Wert ist mit einer erhöhten kardiovaskulären (Hazard Ratio [HR] 3,3; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: [1,3; 8,0]) und Gesamtmortalität (HR 2,1 [1,2; 3,8]) assoziiert. Der menopausale Estrogenabfall akzeleriert das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und führt zu einer überproportionalen Abnahme der Knochendichte. Bei Hyperthyreose ist die Knochendichte erniedrigt und das Risiko für eine Wirbelkörperfraktur erhöht (HR 3,57 [1,88; 6,78]).
Schlussfolgerung: In der Perimenopause kommt es zu einer Akzeleration von Risiken für kardiale und osteologische Erkrankungen. Das zusätzliche kardiale und osteologische Risiko durch eine Hyperthyreose sollte durch eine konsequente frühzeitige Diagnostik und Behandlung reduziert werden. Eine TSH-suppressive Behandlung der Hypothyreose soll unbedingt vermieden werden. Wegen der Häufigkeit von Schilddrüsenfunktionsstörungen bei Frauen und der mit dem Alter abnehmenden klinischen Symptomatik sowie der klinischen Konsequenzen sollte die Indikation zur TSH-Bestimmung in der Perimenopause großzügig gestellt werden.


Die Veränderungen im Hormonhaushalt von Frauen in der Peri- und Postmenopause haben in den letzten Jahren eine differenzierte Betrachtungsweise erfahren.
In den Wechseljahren kann es zur Anhäufung einer Reihe von Risikofaktoren kommen: Der physiologische Abfall des weiblichen Hormons Estrogen in der Perimenopause führt zur Akzeleration des kardiovaskulären Risikos und erhöht das Osteoporoserisiko (1, 2). Diese Faktoren werden bei zunehmender Lebensdauer klinisch und sozioökonomisch relevant und verstärken sich bei zusätzlichen Risiken (1, 2).
In diesem Übersichtsartikel soll neben den aufgeführten Risikofaktoren der Fokus auf ein weiteres Risiko insbesondere bei Frauen, nämlich Schilddrüsenfunktionsstörungen, gelegt werden. Dabei geht es um die Frage, welchen Einfluss die Schilddrüse auf die Menopause und die Zeit danach hat. Schilddrüsenerkrankungen sind bei Frauen im Vergleich zu Männern deutlich häufiger und nehmen mit dem Alter zu (3, 4). Funktionsstörungen der Schilddrüse wie Hyper- und Hypothyreose beeinflussen das kardiovaskuläre Risiko. Osteoporose und Knochenfrakturen sind bekannte Folgen einer Hyperthyreose (Grafik).
Methode
Zur Bearbeitung des Themas wurde eine selektive iteraturrecherche in PubMed mit den Stichwörtern „menopause and thyroid disorders“ zwischen Januar 2000 und Oktober 2022 durchgeführt. Dabei wurden klinische Studien, Metaanalysen, randomisierte klinische Studien und systematische Übersichtsarbeiten gesichtet. Ergänzend wurden Arbeiten zum Thema Osteoporose und koronare Herzkrankheit (KHK) im Zusammenhang mit der Menopause berücksichtigt.
Ergebnisse und Diskussion
Epidemiologie
8–10 % der Frauen im Alter zwischen 40 und 59 Jahren hatten in einem ehemaligen Jodmangelgebiet in Deutschland einen erniedrigten Spiegel des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH) (3, 4). Die Häufigkeit stieg auf 14–20 % der Frauen in der Altersgruppe von 60–79 Jahren (3, 4). Dagegen überwog in einer ausreichend mit Jod versorgten Bevölkerung die Häufigkeit einer erhöhten TSH-Konzentration: Hier war bei 10 % der Frauen zwischen 45 und 54 Jahren der TSH-Spiegel erhöht und stieg bei der Altersgruppe der über 74-Jährigen auf 21 % an (5). In einer Bevölkerungsstudie aus Colorado nahmen knapp 6 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer L-Thyroxin ein, 21,6 % davon waren überdosiert mit einer herabgesetzten Konzentration an TSH unter Therapie. Dieses Ergebnis wird noch übertroffen von einer schottischen Studie, in der 27,2 % der Patientinnen und Patienten einen herabgesetzten Spiegel an TSH unter L-Thyroxin aufwiesen (6). Die Ursachen hierfür können vielfältig sein:
- Die physiologische Produktion von Schilddrüsenhormonen sinkt mit zunehmendem Alter.
- Der Zielwert der TSH-Konzentration unter Substitution sollte mit zunehmendem Lebensalter angehoben werden und eher im mittleren bis oberen Referenzbereich liegen.
- Die erforderliche L-Thyroxin-Dosis ist gewichtsabhängig; eine deutliche Gewichtsabnahme kann den Bedarf an L-Thyroxin reduzieren.
- Medikamente oder Leber- und Nierenerkrankungen können den Schilddrüsenhormonstoffwechsel beeinflussen oder die Bindungsproteine für das Schilddrüsenhormon wie das Thyroxin-bindende Globulin (TBG) oder Albumin verändern.
- Das Monitoring der L-Thyroxin-Dosis darf nicht vernachlässigt werden; eine Kontrolle des TSH-Spiegels sollte anlassbezogen sowie 4–6 Wochen nach Dosisanpassung des L-Thyroxin erfolgen, danach jährlich (7).
Insgesamt sind erniedrigte TSH-Werte bei älteren Frauen entweder aufgrund einer Schilddrüsenerkrankung (autonomes Adenom, autonomisierte Struma, M. Basedow) oder aufgrund einer Übertherapie mit L-Thyroxin relativ häufig und sollten aufgrund der zusätzlichen Risiken beachtet werden.
Symptomatik
In einer aktuellen retrospektiven Studie wurden Beschwerden durch die Menopause bei 202 Patientinnen einer gynäkologischen Abteilung genauer analysiert: Frauen in der Perimenopause beklagten
- anfallsartige Schweißneigung (78 %)
- ständig vermehrtes Schwitzen (84 %)
- Schlafstörungen (67 %)
- vermehrte Nervosität (79 %)
- negative Verstimmung (64 %)
- Gelenkbeschwerden (69 %) und
- Palpitationen (65 %) (8).
Insgesamt berichtet die Literatur, dass mehr als 75 % der Frauen menopausale Beschwerden haben (9, 10). Die Verteilung von Art und Schweregrad dieser Beschwerden sind sehr vielfältig, jede 4. Frau beschreibt sie als schwer, jede 3. Frau hat Langzeitbeschwerden, die mehr als 7 Jahre andauern (9, 10). Eine deutschlandweite repräsentative Befragung ergab, dass sich lediglich vasomotorische Beschwerden spezifisch der Menopause zuordnen lassen, andere Beschwerden wie Schlafstörungen und Gelenkbeschwerden nahmen mit dem Lebensalter zu (11). Als Hyperthyreose-typische Beschwerden gelten Schwitzen, Herzrasen, Gewichtsabnahme, Nervosität und Schlafstörungen. Damit ist eine ausgeprägte Überlappung von Beschwerden und Symptomen einer Hyperthyreose mit Beschwerden in der Menopause zu erwarten. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die klinische Symptomatik der Hyperthyreose ab. Über 61-jährige Patientinnen und Patienten hatten am häufigsten keine oder nur wenige Beschwerden (12). Somit kann es klinisch differenzialdiagnostisch schwierig sein, eine Hyperthyreose in der Menopause zu diagnostizieren. Deshalb sollte, auch aufgrund der relativen Häufigkeit, die Indikation für eine Bestimmung des TSH-Spiegels großzügig gestellt werden.
Niedriger TSH-Spiegel und kardiale Risiken
Eine populationsbasierte Studie ergab, dass ältere Patientinnen und Patienten (Median 69 Jahre, 510 Männer, 681 Frauen) bei einem niedrigen TSH-Spiegel von < 0,5 mIU/L ein deutlich höheres Risiko hatten, an kardiovaskulären Erkrankungen zu versterben (Hazard Ratio [HR]: 3,3; 95-%-Konfidenzintervall [1,3; 8,0] nach 2 Jahren Beobachtungszeit; HR: 2,2 [1,1; 4,4] nach 5 Jahren Beobachtungszeit) (13). In diesem Kollektiv mit niedrigem TSH-Spiegel war auch die Gesamtmortalität höher (HR 2,1 [1,2; 3,8] nach 2 Jahren Beobachtungszeit; HR: 1,8 [1,2; 2,7] nach 5 Jahren Beobachtungszeit) im Vergleich zu Individuen mit TSH-Konzentrationen ≥ 0,5 mIU/L (13). Eine aktuelle Metaanalyse fand ein erhöhtes Risiko für eine koronare Herzerkrankung (KHK; HR: 1,44 [1,06; 1,94]) bei subklinischer Hyperthyreose (14) (Tabelle 1). Die Folgen einer Langzeit-TSH-Suppression sind ein gesteigerter Ruhepuls, gehäufte Rhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern, sowie eine reduzierte Pumpfunktion bei Belastung. Auch bei Patientinnen und Patienten mit supprimiertem TSH-Spiegel unter L-Thyroxin-Therapie ist das kardiovaskuläre Risiko erhöht (6) (Tabelle 1). Deshalb sollte bei Herzrhythmusstörungen oder kardialen Insuffizienz-Zeichen zur Abklärung der Ursachen eine Hyperthyreose mittels TSH-Bestimmung ausgeschlossen werden.
Subklinische Hypothyreose und koronare Herzerkrankung
Viele Studien zeigen eine Assoziation zwischen der subklinischen Hypothyreose und der KHK, insbesondere bei TSH-Werten > 10 mIU/L (Risk Ratio [RR]: 1,89 [1,28; 2,8]) (15) und bei bereits bestehendem erhöhten KHK-Risiko (RR: 2,2 [1,28; 3,77]) (16). Die Studienlage zur Therapie der subklinischen Hypothyreose mit L-Thyroxin bezüglich des kardiovaskulären Outcomes ist limitiert. Eine randomisierte placebokontrollierte Studie mit 737 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (368 L-Thyroxin/369 Placebo; mittleres Alter: 74 Jahre, 54 % weiblich; mittleres TSH vor Therapiebeginn: 6,4 mIU/L) ergab weder einen Nutzen bezüglich Symptomatik noch bezüglich koronarer Ereignisse, allerdings war die Nachbeobachtungszeit nur 1 Jahr (17). Eine Beobachtungsstudie aus Registerdaten in Großbritannien fand weniger kardiovaskuläre Ereignisse (HR: 0,61 [0,30; 0,95]) bei jüngeren Patientinnen und Patienten (40–70 Jahre; 83 % weiblich, 65 % jünger als 70 Jahre), die mit L-Thyroxin behandelt wurden im Vergleich zu der nicht behandelten Gruppe; bei > 70-Jährigen konnte dies nicht gezeigt werden (18). Eine ähnliche retrospektive Studie aus Dänemark ergab keinen Nutzen einer L-Thyroxin-Therapie bei subklinischer Hypothyreose bezüglich Myokardinfarkt, kardialer Mortalität oder Gesamtmortalität (19). Lediglich in der Subgruppe der Patientinnen und Patienten unter 65 Jahren war unter L-Thyroxin die Gesamtmortalität geringer (HR: 0,63; [0,4; 0,99]) (19). Insgesamt waren knapp 80 % der Untersuchten Frauen, die ein mittleres Alter von 55,4 Jahren hatten (19). Diese Ergebnisse betreffen zum großen Teil Frauen in der Menopause und sind damit auch für dieses Kollektiv repräsentativ. In den beiden letztgenannten Studien standen keine TSH-Werte zur Kontrolle der Therapietreue zur Verfügung.
Wir schließen uns einer Analyse von Biondi et al. (20) an: Eine L-Thyroxin-Therapie könnte indiziert sein bei subklinischer Hypothyreose und TSH-Werten von > 10 mIU/L bei Patientinnen und Patienten jüngeren und mittleren Alters und Symptomen, die zu einer latenten Hypothyreose passen. Die europäischen Leitlinien lauten ähnlich und empfehlen vor allem bei Patientinnen und Patienten im Alter von über 80 Jahren unterhalb eines TSH-Wertes von 10 mIU/L sehr zurückhaltend mit einer L-Thyroxingabe zu sein (21).
Menopause und kardiovaskuläres Risiko
Die koronare Herzerkrankung ist die Haupttodesursache bei Frauen. Das KHK-Risiko steigt in der Menopause. Frauen entwickeln eine KHK 7–10 Jahre später als Männer.
Eine frühzeitige Menopause ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine KHK (HR: 1,5 [1,28; 1,76]), kardiale Mortalität (HR: 1,19 [1,03; 1,2]) und Gesamt-Mortalität (HR: 1,12 [1,03; 1,21]) (1, 22). Der perimenopausale Estrogenabfall trägt zu einer Zunahme des kardialen Risikos durch einen überproportionalen Anstieg von Cholesterin, LDL-Cholesterin und Apolipoprotein B bei. Die Häufigkeit des metabolischen Syndroms nimmt überproportional zu, die Fettverteilung ändert sich zugunsten der zentralen Adipositas.
In einer aktuellen Stellungnahme der US-amerikanischen kardiologischen Gesellschaft wird deshalb die Perimenopause in den Fokus genommen und als ein sehr sinnvoller Zeitraum angesehen, um folgende präventive Maßnahmen einzuleiten, die das kardiovaskuläre Risiko reduzieren:
- mehr Bewegung
- gesündere Ernährung
- Gewichtsabnahme und
- Beenden des Nikotinkonsums (1).
Altersabhängige Auswirkungen der Hormonersatztherapie auf das KHK-Risiko
Neben den bekannten präventiven Maßnahmen zur Reduktion des kardialen Risikos wird immer wieder die Hormonsubstitutionstherapie (HRT) mit Estrogen und Gestagen diskutiert. Die klinische Beobachtung, dass kardiovaskuläre Erkrankungen bei Frauen 7–10 Jahre später als bei Männern auftreten, lässt vermuten, dass Estrogen zumindest in gewissen Lebensphasen eine KHK-protektive Wirkung hat. Diese Hypothese hat unter anderem dazu geführt, dass die Studie der Women‘s Health Initiative (WHI) initiiert wurde. In der WHI-Studie sollte geprüft werden, ob eine Hormonersatztherapie mit Estrogen und Gestagen kardioprotektiv wirken kann. Diese randomisierte kontrollierte Studie mit 8 506 Patientinnen in der Therapiegruppe (0,625 mg/Tag konjugiertes Estrogen plus Medroxyprogesteron) und 8 102 Patientinnen in der Placebogruppe hat jedoch gezeigt, dass die Hormonersatztherapie bei älteren Frauen (mittleres Alter bei Therapiebeginn: 63 Jahre; die älteste Frau war bei Therapiebeginn bereits 78 Jahre alt) das KHK-Risiko erhöht (HR: 1,29 [1,02; 1,63]) (23). Das absolute Risiko pro 10 000 Behandlungsjahren lag bei sieben zusätzlichen KHK-Ereignissen und bei acht zusätzlichen Brustkrebsereignissen.
Die WHI-Studie wurde unter dem Titel „Risks and Benefits of Estrogen plus Progestin in Healthy Postmenopausal Women“ vor 20 Jahren publiziert (23). Der Begriff „healthy“ kann diskutiert werden, wenn 70 % der Frauen einen BMI > 25 kg/m2 und 36 % eine Therapie bei arterieller Hypertonie sowie 13 % eine behandlungsbedürftige Hypercholesterinämie hatten. Bei einem Großteil der Frauen wurde die Hormonersatztherapie mindestens 10 Jahre nach der letzten Mensis begonnen. Schon primär und auch in der Langzeitanalyse nach 18 Jahren Beobachtungszeit fand sich jedoch kein Einfluss der HRT auf die Überlebensrate (24). Gleichzeitig ergaben weitere Post-hoc-Analysen, dass bei Therapiebeginn in der frühen Menopause keine KHK-Risikoerhöhung nachweisbar war (25). Jedoch sind die Post-hoc-Analysen prinzipiell kritisch zu sehen und möglicherweise deshalb aus dem Blickfeld geraten. Eine randomisierte Studie aus Dänemark (n = 502/504 Frauen in Therapie- beziehungsweise Kontrollgruppe) zeigte bei frühem Beginn der Therapie mit 2 mg 17β-Estradiol plus 1 mg Norethisteron bei intaktem Uterus (mittleres Alter: 50 Jahre) nach 10 Jahren Hormonersatztherapie eine Reduktion der Mortalität und der Herzinfarktrate (HR: 0,48 [0,26; 0,87]), ohne dass es zu einem Anstieg der Brustkrebsrate kam (26).
Aktuell wird der KHK-präventive Effekt einer HRT in der frühen Menopause auf der Nutzen-Seite der Abwägungsliste bei der Entscheidung über eine HRT aufgeführt (27).
Dosisanpassung des L-Thyroxin bei gleichzeitiger Hormonsersatztherapie
Die orale Gabe von Estrogen, nicht jedoch die transdermale Applikation, führte zu einem Anstieg des Bindungsproteins TBG für Schilddrüsenhormone um 40 % (28). Der unterschiedliche Effekt der beiden Applikationswege erklärt sich durch die Umgehung des First-Pass-Effekts in der Leber bei transdermaler Applikation. Durch den Anstieg der Konzentration des Bindungsproteins unter der oralen HRT erhöht sich der L-Thyroxin-Bedarf bei einer Substitutionstherapie der Hypothyreose oder bei der TSH-suppressiven Therapie des Schilddrüsenkarzinoms in der Menopause. Bei 10 von 25 Frauen musste die L-Thyroxindosis erhöht werden (29).
Da die orale HRT in der Menopause zu einer Erhöhung des Thyroxinbedarfs führen kann, sollte 2 – 3 Monate nach Beginn der Therapie eine TSH-Kontrolle erfolgen. Bei transdermaler Applikation ist dies nicht notwendig.
Knochendichte in der Menopause
Die Knochenmasse wird im menschlichen Körper etwa bis zum 30. Lebensjahr aufgebaut und nimmt danach bei beiden Geschlechtern etwa 1 % pro Jahr ab. In den 3 Jahren der Perimenopause kommt es bei Frauen zu einem überproportionalen Abfall der Knochendichte um 2,5 % pro Jahr an der Wirbelsäule und 1,8 % pro Jahr am Schenkelhals (30). Frauen afrikanischer Herkunft verlieren weniger Knochenmasse, japanische und chinesische Frauen mehr (30), dabei sind stärkere menopausale Beschwerden mit einem größeren Knochenmasseverlust verbunden (30). Die Einnahme einer Hormonersatztherapie reduziert den jährlichen Knochendichteverlust um 0,4 % (30). Die WHI-Studie zeigte eine geringere Rate an Schenkelhalsfrakturen in der Gruppe der Frauen, die eine Hormonersatztherapie einnahmen (HR: 0,66 [0,45; 0,98]). Die Cochrane-Analyse 2017 ergab eine starke Evidenz, dass eine HRT das Risiko für eine Fraktur senkt: Die Gabe von Estrogen und Gestagen reduzierte nach 5,6 Jahren das Frakturrisiko von 111 auf 79–96/1 000 (31). Die alleinige Estrogengabe senkte das Risiko nach 7,1 Jahren von 141 auf 92 beziehungsweise 113/1 000 (31). Auch in den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zum Thema Osteoporose aus dem Jahr 2017 wird die Estrogengabe in Bezug auf eine Frakturreduktion bei der postmenopausalen Frau unter den medikamentösen Therapieoptionen gelistet, die am besten belegt sind. Estrogene sind zur Prävention einer Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit hohem Frakturrisiko zugelassen, die eine Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegenüber anderen zur Osteoporose-Prävention zugelassenen Arzneimitteln aufweisen. Außerhalb der Indikation der vasomotorischen Symptome wird eine Therapie mit Estrogenen bei postmenopausalen Frauen mit hohem Frakturrisiko nur ausnahmsweise von der Leitliniengruppe zur Frakturprävention empfohlen (www.register.awmf.org/de/leitlinien/detail/183–001).
Insgesamt kann der Aspekt des überproportionalen Abfalls der Knochendichte in der Menopause insbesondere bei zusätzlich bestehenden Osteoporose-Risiken wie zum Beispiel ausgeprägte familiäre Osteoporose-Häufung, Hyperthyreose oder Glukokortikoidtherapie die Entscheidung zu einer HRT unterstützen.
Hyperthyreose, Knochenstoffwechsel und Osteoporose-Risiko
Bei einer Hyperthyreose sind die Zyklen des Knochenumbaus, die in der Regel im Erwachsenenalter etwa 4 Monate dauern, verkürzt. Daraus resultiert ein „high bone-turnover“ (32). In der Folge ist die Dauer der Knochenresorption im Vergleich zur Mineralisation verlängert und es kommt zu etwa 10 % Verlust an Knochenmasse pro Zyklus. Darüber hinaus führt die Hyperthyreose zu einer verminderten Calcium-Aufnahme aus dem Darm, zu einer vermehrten Calcium-Ausscheidung über die Niere, sodass die Calcium-Bilanz negativ wird. Eine Metaanalyse zeigte eine Verminderung um 0,8 Standardabweichungen bei Knochendichtemessungen in der Hyperthyreose, die in der Prämenopause durch Therapie der Hyperthyreose wieder ausgeglichen werden konnte, nicht jedoch in der Postmenopause (33). Das Ausmaß der Reduktion der Knochendichte nimmt mit zunehmendem Alter zu. Das Frakturrisiko ist bei Patientinnen und Patienten mit manifester Hyperthyreose im Zeitraum der Diagnosestellung leicht erhöht (34) (Tabelle 2). Aber nicht nur bei manifester, sondern auch bei latenter Hyperthyreose (TSH < 0,1 mIU/L) steigt das Risiko für Wirbelkörperfrakturen (HR: 3,57 [1,88; 6,78]) (35). Das gilt auch für eine überdosierte L-Thyroxin-Therapie (6) (Tabelle 2).
Zusammenfassend gibt es eindeutige Evidenz dafür, dass sowohl die latente als auch die manifeste Hyperthyreose das Risiko für Osteoporose besonders postmenopausal erhöhen. Deshalb ist eine frühzeitige Diagnose und Therapie einer Schilddrüsenüberfunktion von entscheidender Bedeutung.
Schilddrüsenkarzinom und TSH-suppressive Langzeittherapie
Die Indikation für eine TSH-suppressive Langzeittherapie wird aktuell lediglich bei Patientinnen und Patienten mit strukturell persistierendem differenzierten Schilddrüsenkarzinom gesehen. Bei alleiniger biochemischer Tumorpersistenz (Thyreoglobulin-Erhöhung) kann unter Berücksichtigung weiterer Risikofaktoren eine TSH-suppressive Dauertherapie erwogen werden (36). Eine solche Therapie sollte jedoch nicht nur unter dem Aspekt des Nutzens für die Grunderkrankung, sondern auch unter den Risiko-Aspekten von Osteoporose und Vorhofflimmern abgewogen werden. Bei bestehender Indikation für eine TSH-suppressive Therapie wird bei Frauen in der Prämenopause und bei Männern keine osteologische Diagnostik empfohlen (37). Bei Frauen in der Postmenopause sollte die Knochendichte kontrolliert werden und gegebenenfalls eine antiresorptive Therapie begonnen werden (37).
Schlussfolgerung
In der Perimenopause kommt es zu einer Akzeleration von kardialen und osteologischen Risiken. Das zusätzliche kardiale und osteologische Risiko durch eine Hyperthyreose sollte durch konsequente frühzeitige Diagnostik und Behandlung reduziert werden. Eine TSH-suppressive Behandlung der Hypothyreose soll unbedingt vermieden werden. Ausnahme ist die TSH-suppressive Langzeit-Therapie bei strukturell persistierendem differenzierten Schilddrüsenkarzinom. Eine L-Thyroxin-Substitutionstherapie bedarf bei gleichzeitiger oraler Hormonersatztherapie häufig einer Dosiserhöhung, bei transdermaler Applikation ist dies nicht notwendig. Der KHK-präventive Nutzen einer L-Thyroxin-Therapie bei subklinischer Hypothyreose ist nicht eindeutig belegt. Wegen der Häufigkeit von Schilddrüsenfunktionsstörungen bei Frauen und der mit dem Alter abnehmenden klinischen Symptomatik sowie der klinischen Konsequenzen sollte die Indikation zur TSH-Bestimmung in der Perimenopause großzügig gestellt werden.
Interessenkonflikt
KFR wurde für einen Vortrag honoriert und erhielt Reisekostenerstattung von der Firma Sanofi-Aventis.
FR erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 02.11.2022, revidierte Fassung angenommen: 08.03.2023
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Karin Frank-Raue
Endokrinologisch-Nuklearmedizinische Gemeinschaftspraxis
Brückenstraße 21
69120 Heidelberg
karin.frank.raue@raue-endokrinologie.de
Zitierweise
Frank-Raue K, Raue F: Thyroid dysfunction in peri- and postmenopausal women—cumulative risks. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 311–6. DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0069
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
cme plus
Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert. Die Fragen zu diesem Beitrag finden Sie unter http://daebl.de/RY95. Einsendeschluss ist der 04.05.2024.
Die Teilnahme ist möglich unter cme.aerztebatt.de
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