MEDIZIN: Kurzmitteilung
Anstieg von Candida-auris-Fällen und erste nosokomiale Übertragungen in Deutschland
Rise in Candida auris cases and first nosocomial transmissions in Germany
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Die 2009 erstmals beschriebene Art Candida auris kann im Gegensatz zu anderen Candida-Arten effizient über direkten und indirekten Kontakt übertragen werden und zu schwer kontrollierbaren nosokomialen Ausbrüchen führen. Die Behandlung von Infektionen mit C. auris wird durch das Potenzial des Erregers, Resistenzen gegenüber allen verfügbaren Antimykotikaklassen zu entwickeln, erheblich erschwert (1). Global sind über 80 % aller Isolate resistent gegenüber Fluconazol, einige Isolate zeigen erhöhte minimale Hemmkonzentrationen für neuere Azole. Etwa 10–30 % aller Isolate weisen in vitro eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber Amphotericin B auf. Zudem wurden mehrfach Resistenzen gegenüber Echinocandinen nachgewiesen, die aus einer Mutation im Zielenzym dieser Substanzklasse, der beta-1,3-D-Glukansynthase resultieren (1).
Die amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) haben C. auris im letzten Bericht zu Antibiotikaresistenz in die höchste Kategorie („urgent threat“) eingeordnet. Ebenso wird C. auris von der WHO in der höchsten Priorisierungskategorie gelistet.
Ziel dieser Arbeit ist es, die aktuelle epidemiologische Situation in Deutschland vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen in Europa zu beschreiben (2, 3). Dazu wurden Daten zwischen den am Nationalen Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) bekannten Fällen und der Antibiotika-Resistenz-Surveillance-System(ARS)-Network(NET)-Datenbank des Robert Koch-Instituts (RKI) abgeglichen.
Methoden
Das NRZMyk beobachtet anhand von freiwillig eingesendeten Isolaten aus Primärlaboren das Auftreten von C. auris in Deutschland. C.-auris-Fälle werden zudem über die Antibiotika-Resistenz-Surveillance (www.ars.rki.de) am RKI erfasst, einer auf freiwilliger Teilnahme basierenden Laborsurveillance zur kontinuierlichen Erhebung von Daten aus der Routinediagnostik.
Für die vorliegende Analyse wurden bis 31.12.2022 die am NRZMyk sowie in ARS erfassten C.-auris-Nachweise zusammengetragen und ausgewertet. Resistenztestungen wurden mit einer zum European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing(EUCAST)-konformen Mikrodilution durchgeführt. Die Hot Spot-Abschnitte auf dem FKS1-Gen wurden via Polymerasekettenreaktion (PCR) amplifiziert und anschließend sequenziert.
Ergebnisse
Insgesamt wurden in den beiden analysierten Datenbanken ARS und NRZMyk 43 C.-auris-Fälle erfasst, davon 31 nur am NRZMyk und 4 nur in ARS. Für 35 Fälle lagen aussagekräftige klinische Informationen vor. In 19 Fällen wurde eine Kolonisation und in 16 Fällen eine therapiebedürftige Infektion (darunter 5 Blutstrominfektionen) nachgewiesen. In 8 Fällen konnte die klinische Relevanz des Nachweises auf Basis der vorliegenden Informationen nicht sicher eingeschätzt werden. Ein Auslandsaufenthalt kurz vor dem Nachweis von C. auris war in 18 Fällen bekannt.
Von den 43 Fällen waren am NRZMyk insgesamt 35 initiale C.-auris-Isolate verfügbar. 80 % der getesteten Isolate (28/35) zeigten für Fluconazol eine minimale Hemmkonzentration (MHK) ≥ 32 µg/mL (Interpretation: hoch-resistent). Bei einem Isolat konnte eine Echinocandin-Resistenz durch das Vorliegen einer Mutation im FKS1-Gen (S639Y) molekularbiologisch nachgewiesen werden. Alle getesteten Stämme wiesen MHKs für Amphotericin B von 0,5–2 µg/mL auf. Diese Daten zeigen, dass bei klinisch relevanten Infektionen im Regelfall eine Therapie mit Echinocandinen infrage kommt. Resistenzen gegen diese Antimykotikaklasse treten derzeit sehr selten auf. Therapeutische Alternativen sind neuere Azole oder liposomales Amphotericin B. Fluconazol sollte generell nicht therapeutisch eingesetzt werden (Kasten).
2021 wurde die erste nosokomiale Übertragung von C. auris in einem deutschen Krankenhaus nachgewiesen (4). In der vorliegenden Datenanalyse wurden zwei weitere wahrscheinliche nosokomiale Übertragungen identifiziert (2021: 2 C.-auris-Fälle aus derselben Arztpraxis, C.-auris-Isolate nach NRZMyk-Analysen genetisch eng verwandt; 2022: 2 C.-auris-Fälle aus derselben Klinik, C.-auris-Isolate nach NRZMyk-Analysen genetisch eng verwandt).
Diskussion
Obwohl die absolute Zahl der C.-auris-Fälle in Deutschland nach wie vor niedrig ist, wurde seit 2020 ein deutlicher Anstieg der Nachweise von C. auris verzeichnet (Grafik). Diese Entwicklung lässt sich auch auf europäischer Ebene beobachten (3). Während die Fälle initial sporadisch und zumeist assoziiert mit einem Auslandsaufenthalt auftraten, fand sich nur in 6 von 24 Fällen aus 2021/2022 eine positive Reiseanamnese. Zudem wurden ab 2021 die ersten Übertragungsereignisse in Deutschland dokumentiert.
Mikrobiologische Laboratorien in Deutschland können laut Ringversuchsergebnissen mittlerweile in der weit überwiegenden Zahl den Erreger zuverlässig identifizieren (5). Der Nachweis selbst sollte in der Klinik als Alarmsignal gewertet werden und umgehend zur Einleitung geeigneter Infektionsschutz- und Präventionsmaßnahmen führen (Kasten), zum Beispiel auf Basis der aktuell publizierten Empfehlungen des NRZMyk und des Nationalen Referenzzentrums für die Surveillance Nosokomialer Infektionen (5).
Die gemeinsame Analyse der Daten aus dem NRZMyk und ARS zeigt eine lückenhafte Erfassung von C.-auris-Fällen in beiden Systemen. Es ist daher davon auszugehen, dass die hier vorgestellten Daten eine Untererfassung darstellen. Angesichts deutschlandweit (und europaweit) steigender Zahlen sowie des Nachweises erster nosokomialer Übertragungen von C. auris in Deutschland besteht Handlungsbedarf (3, 4, 5). Weitere Informations- und Aufklärungskampagnen können die Aufmerksamkeit für Kolonisationen oder aber Infektionen mit C. auris erhöhen. Die Analyse der Epidemiologie von C. auris und die zeitnahe, zielgerichtete Intervention bei Übertragungsereignissen könnten durch die Einführung einer verbindlichen systematischen Surveillance verbessert werden.
Alexander M. Aldejohann, Ronny Martin, Jane Hecht, Sebastian Haller, Volker Rickerts, Grit Walther, Tim Eckmanns, Oliver Kurzai
Interessenkonflikt
AMA erhielt Honorare für Fortbildungsveranstaltungen und Reisekostenerstattung von Gilead, Pfizer, DTG und Junge DGHM.
GW bekam Studienunterstützung (Bereitstellung von Chemikalien) von den Firmen Pfizer, MSD und Basilea.
OK erhielt finanzielle Förderung von EU, DFG, BMBF, Else Kröner-Fresenius Stiftung und dem Freistaat Bayern. Er wurde honoriert für Vorträge von BioMerieux, Fujifilm WAKO, Pfizer und Gilead. Zudem ist er Mitglied im Advisory Board von Mundipharma, im Vorstand von DMykG e. V., im NAK, im EUCAST-Antifugal Susceptibility Testing Subcommittee und bei DGHM. Studienunterstützung wurde ihm zuteil von Pfizer, Gilead, F2G, Fujifilm WAKO, Mast Diagnostika, MSD, Mundipharma, Virotech und Basilea.
Die übrigen Autorinnen und Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 18.11.2022, revidierte Fassung angenommen: 09.02.2023
Zitierweise
Aldejohann AM, Martin R, Hecht J, Haller S, Rickerts V, Walther G, Eckmanns T, Kurzai O: Rise in Candida auris cases and first nosocomial transmissions in Germany. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: (online first). DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0047
Dieser Beitrag erschien online am 11.05.2023 (online first) unter: www.aerzteblatt.de
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Aldejohann, Martin, Kurzai)Robert Koch-Institut, Berlin (Hecht, Haller, Rickerts, Eckmanns)
Förderung
Das NRZMyk wird durch das Robert Koch-Institut über Mittel des Bundesministeriums für Gesundheit unterstützt (Antragsnummer: 1369–240).
1. | Desoubeaux G, Coste AT, Imbert C, Hennequin C: Overview about Candida auris: What‘s up 12 years after its first description? J Mycol Med 2022; 32: 101248 CrossRef MEDLINE |
2. | Plachouras D, Lötsch F, Kohlenberg A, Monnet DL, Candida auris survey collaborative group: Candida auris: epidemiological situation, laboratory capacity and preparedness in the European Union and European Economic Area*, January 2018 to May 2019. Euro Surveill 2020; 25: 2000240 CrossRef MEDLINE |
3. | Kohlenberg A, Monnet DL, Plachouras D, Candida auris survey collaborative group: Increasing number of cases and outbreaks caused by Candida auris in the EU/EEA, 2020 to 2021. Euro Surveill 2022; 27: 2200846 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
4. | Hinrichs C, Wiese-Posselt M, Graf B, et al.: Successful control of Candida auris transmission in a German COVID-19 intensive care unit. Mycoses 2022; 65: 643–9 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
5. | Aldejohann AM, Wiese-Posselt M, Gastmeier P, Kurzai O: Expert recommendations for prevention and management of Candida auris transmission. Mycoses 2022; 65: 590–8 CrossRef MEDLINE |