ArchivDeutsches Ärzteblatt21-22/2023127. Deutscher Ärztetag: Glück auf!

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127. Deutscher Ärztetag: Glück auf!

Schmedt, Michael

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Michael Schmedt, Chefredakteur
Michael Schmedt, Chefredakteur

Wahlärztetage sind naturgemäß besondere Treffen. Bis die Abgeordneten zur Wahlurne gehen, schwingen immer eine gewisse Spannung und Nervosität mit. So auch auf dem diesjährigen 127. Deutschen Ärztetag in Essen. Das Ergebnis wurde dieser Stimmung gerecht. Denkbar knapp mit drei Stimmen Vorsprung wählten die Delegierten den amtierenden Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. (I) Klaus Reinhardt, wieder. Gegenkandidatin war die erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. med. Susanne Johna. Diese wurde danach zur Vizepräsidentin gewählt wie auch Dr. med. Ellen Lundershausen, die diesen Posten bereits vier Jahre innehatte.

Das neue BÄK-Präsidium hat auch dank Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein umfangreiches Arbeitspensum vor sich. Der Minister hat der ärztlichen Selbstverwaltung durch seine angekündigten Vorhaben einiges präsentiert, was es zu diskutieren gilt und wo sich die Ärzteschaft klar positionieren will. Daher war das Schwerpunktthema des Ärztetages „Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ gut gewählt. Denn die Herausforderungen im Gesundheitswesen bedrohen die Freiheit des ärztlichen Berufs (Beispiel Krankenhausreform und Weiterbildung) oder schränken diese bereits ein (Beispiel Kommerzialisierung und Bürokratie). „Ich bin keine Ärztin für Dokumentationsmedizin“, rief eine Delegierte ins Plenum und stellte damit klar, wie sehr nichtärztliche Tätigkeiten die Freiberuflichkeit einschränken. Dass die Ärzteschaft sich aber auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist, zeigt, dass der Klimawandel seit dem sogenannten Klima-Ärztetag 2021 in Berlin ein wiederkehrender Tagesordnungspunkt auf dem Ärztetag ist – wie ebenfalls in diesem Jahr in Essen.

Auch in der medizinischen Versorgung kommen gewaltige Aufgaben auf die Ärzteschaft zu. Der Fachkräfte- und damit Versorgungsmangel sind offensichtlich. Lösungen sind dringend gefragt. Die Vorschläge aus der Politik, wie zum Beispiel die im Koalitionsvertrag genannten Gesundheitskioske, zeigen wiederum, dass die Politik ohne ärztlichen Ratschlag agiert. Sinnvoller und hilfreicher ist da eine interprofessionelle und teamorientierte Patientenversorgung, mit der man dem Fachkräftemangel entgegenwirken kann. Dies ist auch ein besonderes Anliegen des medizinischen Nachwuchses, wie das Dialogforum der Bundesärztekammer im Vorfeld des Ärztetages deutlich machte. Die junge Ärztegeneration ist wahrlich nicht zu beneiden, wenn man sieht, wie lange sie schon auf die neue Approbationsordnung warten muss – und wie sehr sie um eine angemessene Vergütung des Praktischen Jahres kämpfen muss (Seite 958). Beide Aspekte haben finanzielle Gründe – ein weiteres Feld, auf dem sich die Ärzteschaft bereits kontinuierlich positioniert.

All das sind nur Schlaglichter auf dem komplizierten Feld des Gesundheitswesens. Der Verantwortung sind sich die Beteiligten bewusst. Kommerzialisierung, Digitalisierung und Bürokratisierung sind die drängenden Themen – schlechte Reformen stehlen der Patientenversorgung Zeit. Die auf dem diesjährigen Ärztetag verabschiedete Essener Resolution (Seite 948) und der Leitantrag (Seite 944) fassen die Positionen der Ärzteschaft gut zusammen. Die Forderung des Ärztetages, der Bundesärztekammer eine Stimme im Gemeinsamen Bundesausschuss zu geben, zeigt nachdrücklich den Willen der Ärzteschaft, für ihre Profession politisch einzutreten. Mit diesem Willen geht das neue Präsidium der Bundesärztekammer in die kommenden vier Jahre ihrer Amtszeit. In Essen sagt man: „Glück auf!“

Michael Schmedt
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