ArchivDeutsches Ärzteblatt21-22/2023Krankenhäuser: Gute Versorgung nur mit genug ärztlichem Personal

DEUTSCHER ÄRZTETAG

Krankenhäuser: Gute Versorgung nur mit genug ärztlichem Personal

Haserück, André

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Als Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige stationäre Patientenversorgung muss eine patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung definiert, umgesetzt und vor allem ausfinanziert werden. Einen entsprechenden Appell richtete die Ärzteschaft an die Politik.

Susanne Johna und Henrik Herrmann stellten den aktuellen Entwicklungsstand beim ärztlichen Personalbemessungssystem vor.
Susanne Johna und Henrik Herrmann stellten den aktuellen Entwicklungsstand beim ärztlichen Personalbemessungssystem vor.

Dass eine gute Personalausstattung im medizinischen Sektor von zentraler Bedeutung für die Versorgungsqualität, die Berufszufriedenheit und die Nachwuchssicherung ist, sei „unstrittig“, betonten die Delegierten des 127. Deutschen Ärztetages in Essen. Um diese Erkenntnis jedoch praktisch umsetzen zu können, sei es erforderlich, die benötigte Personalausstattung für eine patienten- und aufgabengerechte Versorgung konkret zu ermitteln. Dies gelte nicht nur für den pflegerischen, sondern gerade auch für den ärztlichen Bereich.

Hierfür solle der Gesetzgeber das ärztliche Personalbemessungssystem der Bundesärztekammer nutzen und dafür im Rahmen der anstehenden Krankenhausreform die erforderlichen Gesetzesgrundlagen schaffen. In der dritten Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung zur grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung wird bereits auf das ärztliche Personalbemessungssystem der Bundesärztekammer Bezug genommen.

Johna betont Alternativlosigkeit

Darauf verwies auch Dr. med. Susanne Johna, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer. Das Instrument sei „auf höchster Ebene angekommen“ – die Politik nehme also wahr, was die Bundesärztekammer tue. Das Personalbemessungssystem habe eine enorme Bedeutung für die Ärzteschaft und decke – als „sehr kleinteiliges Konstrukt“ – neben der direkten und indirekten Patientenversorgung auch alle zusätzlichen ärztlichen Aufgaben und Pflichten ab. Sie betonte in der Diskussion, ein Hinwegsehen über den kritikwürdigen Status quo in der ärztlichen Versorgung stelle keine Alternative dar.

Das Tool werde dabei helfen zu zeigen: „So geht es nicht weiter!“ Es sei nun wichtig, mit der Entwicklung des Bemessungssystems fortzuschreiten, um möglichst ein fertiges Ergebnis in die geplante Krankenhausreform einbringen zu können und es so zu einem Teil der Reform zu machen.

Die Bundesärztekammer hatte im Rahmen des 126. Deutschen Ärztetages 2022 in Bremen beschlossen, ein für die jeweiligen Krankenhausabteilungen anpassbares System zur Kalkulation einer patienten- und aufgabengerechten ärztlichen Personalausstattung (ÄPS-BÄK) zu erarbeiten. Das von Ärztinnen und Ärzten für Ärztinnen und Ärzte entwickelte Instrument solle im Diskurs mit nichtärztlichen Entscheidungsträgern zum tatsächlichen ärztlichen Personalbedarf unterstützen, betonten die Delegierten damals.

Erste Tests erfolgreich

Jörg Weimann, Yvonne Jäger und Eleonore Zergiebel (von oben): Die Delegierten verbinden große Erwartungen mit der künftigen Nutzung des Tools.
Jörg Weimann, Yvonne Jäger und Eleonore Zergiebel (von oben): Die Delegierten verbinden große Erwartungen mit der künftigen Nutzung des Tools.

Den aktuellen Stand der BÄK-Arbeitsgemeinschaft „Personalvorgaben für Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus“ stellte in Essen Prof. Dr. med. Henrik Herrmann von der Ärztekammer Schleswig-Holstein vor. Man liege im Zeitplan, so sein Fazit. Erste Pretests in Fachabteilungen der Unfallchirurgie, Gastroenterologie und Geriatrie seien erfolgt. Diesbezüglich sei man auch mit den entsprechenden Fachgesellschaften und Berufsverbänden in Kontakt getreten und habe diese eingebunden.

Der Austausch sei „hoch spannend“ gewesen und habe viele gute Anregungen geliefert. Die aus den intensiven Evaluationsgesprächen mit den beteiligten Krankenhäusern mitgenommenen „vielen guten Informationen“ seien ebenfalls bei der stetig laufenden Weiterentwicklung berücksichtigt worden. Viele Klinikgeschäftsführungen hätten allerdings ablehnend auf die Nutzung des Personalbemessungsinstrumentes reagiert. „Das bestärkt uns, dass dies das richtige Vorgehen ist, um eine patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung voranzubringen“, betonte Herrmann.

Neben der weiteren Verbesserung der technischen Umsetzung sollen in den nächsten Schritten nun weitere Fachabteilungen eingebunden und dann auch hier die spezifischen Pretests durchgeführt werden – beispielsweise für die Kinder- und Jugendmedizin. Bis zum Herbst soll das ärztliche Personalbemessungssystem „ausgetestet“ sein.

Von den Ärztetagsdelegierten wurde dieser Sachstand positiv aufgenommen. „Ich bin dankbar für dieses Personalbemessungstool“, begrüßte Yvonne Jäger aus Hessen die Fortschritte. Erstmals bestehe nun die Möglichkeit, bezüglich des gefühlten Personalmangels von ärztlicher Seite auch mit stichhaltigen Fakten zu argumentieren. Eleonore Zergiebel von der Ärztekammer Nordrhein betonte, sie sei „unendlich dankbar“, dass mit dem Tool etwas zur Verfügung stehe, um zu messen, was man jeden Tag tue. „Im Moment ist es doch so, dass das, was wir täglich im Krankenhaus leisten mit dem schönen Wort Personalproduktivität beschrieben, beziehungsweise darauf degradiert wird.“ Mit dem selbst entwickelten Bemessungstool könne man Transparenz schaffen, sagte Prof. Dr. med. Jörg Weimann aus Berlin. Auf dieser Basis könne man in Diskussionen rund um Personalfragen im Klinikalltag „auch mal etwas entgegensetzen“.

„Wir brauchen dieses Tool unbedingt“, lautete die Einschätzung von Prof. Dr. med. Rüdiger Smektala von der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Das DRG-System, welches beispielsweise Kindermedizin und Geburtshilfe von vorn herein strukturell unterfinanziere, müsse überwunden werden. Das Tool stelle einen Schritt in diese Richtung dar. Man müsse die Forderungen nach mehr Studienplätzen lauter und vernehmlicher einbringen – und das mit guten Argumenten. Eben dies leiste das Instrument, da so der Ärztemangel nachweisbar gemacht werde.

Vorhaltekosten einbeziehen

Die Ärztetagsdelegierten appellierten an Bund und Länder, bei der weiteren gesetzlichen Ausgestaltung der Krankenhausreform die auf Basis des ÄPS-BÄK ermittelte Personalausstattung bei der Finanzierung der Vorhaltekosten vollumfänglich einzubeziehen. Dabei müsse die Finanzierung des gesamten ärztlichen Personals sichergestellt werden.

Die an den hohen Sicherheitsstandards und der hohen Behandlungsqualität orientierten und von den Fachgesellschaften und ärztlichen Berufsverbänden entwickelten Instrumente und Eckpunkte zur apparativen und personellen Ausstattung seien im Gesetzentwurf zu implementieren. Eine Definition einzelner Fachbereiche als sogenannte Querschnittsfächer lehnt der Deutsche Ärztetag ausdrücklich ab. André Haserück

Fazit

TOP Va – Sachstandsbericht: Personalbemessungssystem

  • Eine patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung muss umgesetzt und finanziert werden.
  • Das ärztliche Personalbemessungssystem der Bundesärztekammer soll bei der anstehenden Krankenhausreform berücksichtigt werden.
  • Tests in Fachabteilungen der Unfallchirurgie, Gastroenterologie und Geriatrie sind erfolgreich verlaufen.

Die Entschließungen zu TOP Va im Internet: www.aerzteblatt.de/2023top5a
Das gesamte Beschlussprotokoll im Internet: http://daebl.de/HR63

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