ArchivDeutsches Ärzteblatt23/2023Pflegeversicherung: Umstrittenes Pflegegesetz beschlossen

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Pflegeversicherung: Umstrittenes Pflegegesetz beschlossen

Haserück, André

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Der Bundestag stimmte Ende Mai dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz zu. Mit dem Gesetz sollen Pflegebedürftige entlastet und zugleich die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stabilisiert werden – richtig zufrieden ist allerdings nicht einmal die Ampelkoalition.

Foto: picture alliance/ZB/Sascha Steinach
Foto: picture alliance/ZB/Sascha Steinach

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte das Gesetz vor der Abstimmung im Bundestag gegen die vielstimmige Kritik. Zwar stelle das Maßnahmenbündel „kein perfektes Gesetz“ dar, man werde aber „deutliche Verbesserungen“ für die Pflege umsetzen. Lauterbach verwies beispielhaft auf das Entlastungsbudget. Weitere Schritte, etwa zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung, sollen aber folgen. In der aktuellen Lage sei es „keine Schande, mit wenig Geld gute Gesetze“ zu machen. CDU-Gesundheitspolitikerin Diana Stöcker warf der Bundesregierung „ein dürftiges Auf-Sicht-Fahren“ vor. Die Reform sei „wieder mal der kleinste gemeinsame Nenner“. Die Dynamisierung der Pflegeleistung für die Betroffenen falle „mager“ aus und auch ein Inflationsausgleich sei nicht enthalten. Insgesamt habe die Ampelkoalition die Chance für einen „großen Wurf“ verpasst und bleibe hinter den Inhalten des eigenen Koalitionsvertrages zurück.

Man habe sich im Koalitionsvertrag „mehr vorgenommen“, gestand Heike Baehrens, Pflegebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, ein. Die dort enthalten Inhalte würden aber weiterhin gelten. Dies betonte auch Kordula Schulz-Asche (Grüne). Es bleibe angesichts der bestehenden Herausforderungen „noch viel zu tun“, das Gesetz gehe aber erste wichtige Bausteine an. Sozial- und Pflegeverbände zeigten sich von der Pflegereform enttäuscht. Lobenswert sei zwar das Ziel, die häusliche Pflege zu stärken, das vorliegende Gesetz werde aber kaum zu einer spürbaren Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen beitragen – so der Tenor der Kritik. Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), kritisierte, mit dem Gesetz sei nur eine „kurzfristige, notdürftige Rettung des Systems“ erfolgt.

Kassenverbände mit Kritik

Auch die Kassenseite äußerte sich enttäuscht. Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, begrüßte das Entlastungsbudget als „kleine Verbesserung für die Pflegebedürftigen“. Der Preis sei angesichts der gekürzten Anhebung der Leistungsbeträge in der ambulanten Pflege allerdings hoch. Dies zeige einmal mehr, wie sehr die Finanzen der Pflege „auf Kante genäht sind“. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, erklärte, die Erhöhung des Pflegegelds reiche nicht aus. So würden ambulante Pflegeleistungen sukzessive entwertet und die Pflege- und Unterstützungsbereitschaft der pflegenden Angehörigen „aufs Spiel gesetzt“. Vom Dachverband der Betriebskrankenkassen hieß es, die Reform bringe leichte Verbesserungen für pflegende Angehörige und Pflegekräfte, von einer nachhaltigen und stabilen Finanzierung der Pflegeversicherung könne aber weiterhin „keine Rede“ sein.

Mit dem Gesetz wird der Pflegebeitrag zum 1. Juli 2023 um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens angehoben, was Mehreinnahmen von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen soll. Der Arbeitgeberanteil liegt bei 1,7 Prozent. Für Mitglieder ohne Kinder gilt künftig ein Pflegebeitragssatz in Höhe von vier Prozent. Pflegegeld und ambulante Sachleistungen werden zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent angehoben. Das Entlastungsbudget wird zum 1. Juli 2025 wirksam. Zudem sollen zum Jahresbeginn 2025 und 2028 die Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert werden.

Schließlich soll die Reform auch zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen: Die Vorgabe weiterer Ausbaustufen soll die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens in der stationären Pflege beschleunigen. Förderprogramme, etwa zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Digitalisierung, wurden ausgeweitet und verlängert. André Haserück

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