MEDIZIN: Originalarbeit
Screening auf Methicillin-resistente Staphylococcus aureus
Analyse auf Basis der Ergebnisse des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS), 2006–2021
Screening for methicillin-resistant Staphylococcus aureus—an analysis based on findings from the Hospital Infection Surveillance System (KISS)
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Hintergrund: In den letzten Jahren konnte in Deutschland ein Rückgang der Häufigkeit von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) beobachtet werden. In diesem Beitrag werden die Daten des MRSA-Moduls des Krankenhaus-Infektionen-Surveillance-Systems (KISS) für die Jahre 2006–2021 berichtet. Darüber hinaus werden die Assoziation der MRSA-Raten mit der Häufigkeit des Patientenscreenings auf MRSA beschrieben und die Ergebnisse diskutiert.
Methode: Die Teilnahme an dem MRSA-KISS-Modul ist freiwillig. Teilnehmende Krankenhäuser übermitteln einmal jährlich Strukturdaten sowie Patientenfälle mit MRSA-Nachweis – Kolonisation und Infektion; mitgebracht und nosokomial erworben – sowie die Anzahl an Nasenabstrichen auf das Vorliegen von MRSA an das Nationale Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen. Die statistischen Analysen erfolgten mit der Software R.
Ergebnisse: Die Anzahl der am MRSA-Modul teilnehmenden Krankenhäuser stieg von 110 im Jahr 2006 auf 525 in 2021. Ab 2006 nahm die MRSA-Gesamtprävalenz in deutschen Krankenhäusern zu und erreichte 2012 mit 1,04 Fällen/100 Patientinnen und Patienten ihr Maximum. Die Prävalenz bei Aufnahme sank von 0,96 im Jahr 2016 auf 0,54 im Jahr 2021 um insgesamt 44 %. Die nosokomiale MRSA-Inzidenzdichte reduzierte sich jährlich um durchschnittlich 12 % von 0,27 pro 1 000 Patiententage im Jahr 2006 auf 0,06 im Jahr 2021. Die MRSA-Screeninghäufigkeit stieg bis 2021 um den Faktor 7 an. Unabhängig von der Rate der Screeningabstriche zeigte sich die nosokomiale Inzidenzdichte stabil.
Schlussfolgerung: Von 2006–2021 sind die MRSA-Raten in deutschen Krankenhäusern deutlich gesunken und spiegeln so den allgemeinen Trend wieder. In Krankenhäusern, die eine niedrige oder moderate Screeningfrequenz aufwiesen, lag die Inzidenzdichte nicht höher als in Häusern mit hohen Abstrichzahlen, sodass ein gezieltes, risikoadaptiertes MRSA-Aufnahmescreening empfohlen werden kann.


Staphylococcus aureus
Durch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) ausgelöste Infektionen stellen weiterhin eine globale Herausforderung dar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht aufgrund der hohen Morbidität und Mortalität durch Infektionen mit S. aureus, einschließlich MRSA, eine hohe Priorität für die Forschung und Entwicklung von neuen Antibiotika zur Behandlung dieser Erreger (1). In Deutschland besteht nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 23 für Krankenhäuser die Pflicht, festgelegte nosokomiale Infektionen und multiresistente Erreger (MRE) wie MRSA zu erfassen (2). Zudem ist der direkte Nachweis von MRSA aus Blutkulturen oder Liquor gemäß IfSG § 7 meldepflichtig. Im Jahr 2020 wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) 1 126 Fälle einer invasiven MRSA-Infektion übermittelt, was einer Inzidenz von 1,4/100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern entspricht. Im Jahr 2012 waren noch 4 456 Fälle gemeldet worden (Inzidenz 5,4/100 000). Das heißt, die Fallzahlen sind innerhalb von sieben Jahren statistisch signifikant um fast den Faktor 4 gesunken (3, 4). Neben der Fallzahl geht auch der Anteil an MRSA bei S.-aureus-Isolaten aus klinischen Materialien fortwährend zurück. Eine Studie zu nosokomialen Infektionen auf deutschen Intensivstationen im Rahmen des Krankenhaus-Infektionen-Surveillance-Systems (KISS) zeigte, dass die Rate von MRSA an nosokomialen Infektionen durch S. aureus innerhalb von 10 Jahren von 33 % auf 20 % gesunken war (5). Dieser Trend ist auch in den Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) feststellbar. So sank in der EU der Anteil an MRSA bei S.-aureus-Isolaten aus Blutkulturen oder Liquor statistisch signifikant von 19 % im Jahr 2016 auf 17 % im Jahr 2020 (6).
Ziel der hier vorliegenden Arbeit ist es, die Entwicklung der MRSA-Epidemiologie in Krankenhäusern in Deutschland im Zeitverlauf von 2006–2021 zu beschreiben, MRSA-Nachweise in Assoziation mit der Screeningfrequenz darzulegen und auf Basis der Ergebnisse den Einfluss des Aufnahmescreenings auf den Rückgang von MRSA-Fallzahlen kritisch zu bewerten. Darüber hinaus werden Empfehlungen für eine adäquate Screeningstrategie formuliert.
Methoden
Seit 1997 besteht mit dem Krankenhaus-Infektionen-Surveillance-System (KISS) ein Verfahren zur Überwachung von nosokomialen Infektionen in Deutschland (7). Innerhalb von KISS wurde 2006 das MRSA-KISS Modul als Erregersurveillance etabliert (8, 9). Die Teilnahme an der MRSA-Komponente ist wie bei den anderen KISS-Modulen freiwillig. Das Modul kann für die gemäß IfSG § 23 geforderte Erfassung von MRE genutzt werden. Im MRSA-Modul werden MRSA-Nachweise bei stationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten für das gesamte Krankenhaus erfasst; auch Rehabilitationskliniken können sich an der MRSA-Surveillance beteiligen. Die Datenerfassung und die Übermittlung an das Nationale Referenzzentrum (NRZ) für Surveillance von nosokomialen Infektionen erfolgt über die Online-Plattform „webKess“ (9, 10).
Es gelten folgende Definitionen für die Datenerhebung (8, 9): Eine Patientin/ein Patient mit Nachweis von MRSA in Screeningabstrichen (Kolonisierung) oder aus klinischem Material (Kolonisierung oder Infektion) gilt als MRSA-Fall. Es werden die Krankenhausfälle und nicht die Patientinnen und Patienten mit MRSA gezählt, das heißt, wenn eine Patientin/ein Patient mit MRSA-Nachweis nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wieder aufgenommen wird, gilt sie/er als neuer Fall. Bezogen auf die Krankenhausfälle insgesamt (mit und ohne MRSA-Nachweis) wird im Folgenden zum besseren Verständnis von Patientinnen und Patienten gesprochen, es werden aber die Krankenhausaufnahmen der Patientinnen und Patienten gezählt (9). Jeder MRSA-Fall wird für das Krankenhaus einmal berücksichtigt, das heißt bei einer Verlegung während eines stationären Aufenthalts in eine andere Abteilung desselben Krankenhauses wird der Fall nicht erneut gezählt.
Die Anzahl der MRSA-Krankenhaustage wird ab dem Tag der Diagnose oder des Nachweises von MRSA (Datum der Tupfer- oder Probenentnahme) beziehungsweise ab dem Aufnahmetag, wenn der MRSA-Nachweis schon vor Aufnahme erfolgt war, berechnet (9):
- bis zum Tag der Entlassung des MRSA-Falls (der Tag der Entlassung wird mitgezählt)
- bis die Patientin/der Patient nicht mehr nachweisbar mit MRSA besiedelt ist – wie von den teilnehmenden Krankenhäusern festgelegt, zum Beispiel nach Entnahme von drei MRSA-negativen Screening-Proben an drei aufeinanderfolgenden Tagen.
Die teilnehmenden Einrichtungen werden gebeten, einmal jährlich die nachfolgend beschriebenen Zahlen zu MRSA-Fällen sowie Struktur- und Prozessparameter des Krankenhauses zu übermitteln:
- Anzahl der im Krankenhaus aufgenommenen Patientinnen und Patienten für ein Kalenderjahr (Fallzahl)
- Patiententage für ein Kalenderjahr
- Rehabilitationsbereich vorhanden (ja/nein)
- Anzahl an Nasenabstrichen (um Patientinnen/Patienten bereinigt ja/nein, das heißt es wird pro Patientin/Patient nur ein Abstrich gezählt; Nasenabstrich wird als Screeningabstrich gewertet)
- mitgebrachte MRSA-Fälle (MRSA bei Aufnahme bekannt oder MRSA-Nachweis aus Screeningabstrich oder Material abgenommen innerhalb der ersten zwei Tage nach Aufnahme)
- nosokomiale MRSA-Fälle (MRSA-Nachweis aus Abstrich oder Material, das ab Tag drei, das heißt später als Tag zwei, nach Aufnahme gewonnen wurde)
- MRSA-Krankenhaustage (Abschätzung wie oben definiert)
Auf Basis dieser an das Nationale Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ) übermittelten Daten werden folgende Maßzahlen berechnet:
- Gesamtprävalenz (Gesamtzahl der MRSA-Fälle pro 100 Patientinnen und Patienten)
- Aufnahmeprävalenz (Anzahl mitgebrachter MRSA-Fälle pro 100 Patientinnen und Patienten)
- Inzidenz nosokomialer MRSA-Fälle (Anzahl nosokomialer MRSA-Fälle pro 100 Patientinnen und Patienten)
- Inzidenzdichte nosokomialer MRSA-Fälle (Anzahl nosokomialer MRSA-Fälle pro 1 000 Patiententage)
- mittlere MRSA-Krankheitslast im Krankenhaus (Anzahl MRSA-Patiententage pro 100 Patiententage)
- Screeninghäufigkeit (Anzahl Nasenabstriche pro 100 Patientenaufnahmen; dabei zählt pro Patientin/Patient) nur ein Abstrich während eines Krankenhausaufenthaltes)
Nach Auswertung dieser Daten im NRZ werden den teilnehmenden Einrichtungen ihre eigenen MRSA-Maßzahlen sowie die Referenzdaten zurückgespiegelt.
Für den Zeitraum 2006–2021 berichten wir neben diesen Maßzahlen der MRSA-Epidemiologie die Screeninghäufigkeit. Diese wurde für die Datenauswertung je nach Frequenz an durchgeführten Nasenabstrichen in vier gleich große Gruppen (Kategorien/Quartils) unterteilt. Mit der Analyse der MRSA-Gesamtprävalenz und -Inzidenzdichte in den unterschiedlichen Kategorien konnten mögliche Assoziationen zwischen den epidemiologischen Zahlen und der Screeningfrequenz abgeschätzt werden. Unterschiede zwischen Kategorien wurden mittels Kruskal-Wallis-Test auf Signifikanz getestet. Für die Beschreibung des zeitlichen Trends wurden sowohl für die MRSA-Gesamtprävalenz als auch für die nosokomiale MRSA-Inzidenzdichte separate Regressionsmodelle durchgeführt. Die Datenauswertung erfolgte mit dem Open Source Statistikprogramm R (11).
Um die Gesamtbelastung durch MRSA-Fälle im Jahr 2019 (letztes Kalenderjahr vor dem Beginn der SARS-Coronavirus-2-Pandemie) in deutschen Krankenhäusern abzuschätzen, wurden die Ergebnisse der MRSA-Surveillancedaten auf alle Krankenhäuser in Deutschland extrapoliert. Für diese Berechnung wurden die Daten der nationalen Krankenhausstatistik verwendet (12).
Ergebnisse
Da die Teilnahme an KISS freiwillig ist, schwankte die Zahl der meldenden Krankenhäuser von Jahr zu Jahr. Nach dem Start des MRSA-Moduls im Jahr 2006 beteiligten sich 110 Krankenhäuser an dieser KISS-Komponente. Seitdem stieg die Teilnehmerzahl deutlich an und erreichte 2018 mit 623 Krankenhäusern, etwa einem Drittel aller deutschen Krankenhäuser, einen Höchststand. Im Jahr 2021 beteiligten sich 525 Krankenhäuser an dem MRSA-Modul.
Tabelle 1 zeigt die zeitliche Entwicklung der MRSA-Epidemiologie in deutschen Krankenhäusern im 16-Jahres-Zeitraum von 2006–2021. Für das Prä-Pandemiejahr 2019 entsprach die Anzahl der in dem MRSA-Modul eingeschlossenen Patiententage 41 % aller Patiententage in deutschen Krankenhäusern (die Gesamtzahl der Patiententage in 2019 betrug 139 Millionen). Geht man von einer Gleichverteilung der MRSA-Patiententage in den Krankenhäusern aus, betrug die Gesamtzahl der MRSA-Patiententage in Deutschland 2019 etwa 1,7 Millionen und damit 1,2 % aller jährlichen Patiententage in deutschen Krankenhäusern.
Die MRSA-Gesamtprävalenz erreichte 2012 mit 1,04 Fällen/100 Patientinnen und Patienten ihr Maximum, blieb einige Jahre auf diesem Niveau und sank ab 2017 kontinuierlich und signifikant auf 0,72 (−32 %) im Jahr 2019 und 0,54 (−50 %) in 2021 (p < 0,001). Diesem Trend folgten auch die Aufnahmeprävalenz und die mittlere tägliche MRSA-Krankheitslast. Die Inzidenz der nosokomialen MRSA-Fälle nahm ab 2006 mit 0,26 pro 100 Patientinnen und Patienten kontinuierlich auf 0,04 im Jahr 2021 ab. Die nosokomiale Inzidenzdichte sank durchschnittlich um 12 % pro Jahr und lag 2021 bei 0,06/1 000 Patiententage (Tabelle 1). Grafik 1 gibt einen Überblick über die Entwicklung der MRSA-Epidemiologie in Krankenhäusern und die Häufigkeit des Screenings (Nasenabstriche) von 2006–2021.
Die Häufigkeit von Nasenabstrichen pro 100 Aufnahmen als Marker für die Screeningfrequenz wurde für die weiteren Analysen jeweils in vier gleich große Kategorien (Quartil 1–4) eingeteilt. Da sich die Screeninghäufigkeit von Jahr zu Jahr änderte, unterschieden sich die Kategorien für die jeweiligen Jahre beziehungsweise Zeiträume. Von 2006–2018 war ein stetiger Anstieg der Screeninghäufigkeiten erkennbar; 2013 wurde erstmals bei mindestens einem Viertel aller Patientinnen und Patienten ein nasaler Abstrich genommen; ab 2019 bildete sich ein Plateau auf hohem Niveau (Grafik 1). In die Analysen gingen das Jahr 2021 sowie der Zeitraum 2013–2021 ein. Die dafür verwendeten Kategorien sind in Tabelle 2 aufgezeigt.
Im Jahr 2021 wiesen Krankenhäuser mit einer hohen Screeningfrequenz eine deutlich höhere MRSA-Aufnahmeprävalenz auf als solche mit niedriger Frequenz (Kruskal-Wallis-Test p < 0,0001). Diese Beobachtung zeigte sich jedoch nicht für die nosokomiale Inzidenzdichte, die über alle Screeningkategorien hinweg stabil blieb (p = 0,8402) (Tabelle 3). Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Daten des Zeitraumes 2013–2021, ist zu erkennen, dass die nosokomiale Inzidenzdichte – wie auch für das Jahr 2021 isoliert – über alle Screeningkategorien stabil war (Tabelle 3).
Diskussion
Für den gesamten Beobachtungszeitraum wird ein kontinuierlicher Rückgang der nosokomialen MRSA-Inzidenz und seit 2017 zudem eine Reduktion der Gesamt- und Aufnahmeprävalenz von MRSA festgestellt (Tabelle 1). Somit ist der epidemiologische Trend, der in anderen Surveillancesystemen für Deutschland und Europa beobachtet wird, auch für die MRSA-Häufigkeit in deutschen Krankenhäusern übertragbar (5, 6, 13). Wie in Deutschland wurde auch in den USA eine statistisch signifikante Reduktion der Inzidenz für invasive MRSA-Infektionen nachgewiesen. Von 2005–2013 sank die nosokomiale Inzidenz für Blutstrominfektionen bedingt durch den MRSA-Stamm USA 100 von 6,1 auf 0,9/100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern und für den Stamm USA 300 von 1,5 auf 0,6/100 000 ab (14). Weltweit gibt es eine große Spannbreite bezüglich der MRSA-Raten bei S.-aureus-Isolaten aus Blut oder Liquor; beispielsweise lag sie für die Region Asien-Pazifik im Zeitraum 2000–2016 zwischen 0–98 % (15). Grafik 2 zeigt eine Übersicht von MRSA-Raten aus den Jahren 2019–2020 für ausgewählte Länder beziehungsweise Regionen (6, 16, 17). Als Ursachen für die unterschiedlichen MRSA-Raten können multiple erreger- und wirtsspezifische Faktoren sowie die Heterogenität der Gesundheits- und Surveillancesysteme weltweit genannt werden.
In den Jahren 2022 und 2021 wurden deutlich weniger Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern behandelt als in den prä-pandemischen Jahren (12). Auch in den MRSA-KISS-Daten ist ersichtlich, dass in 2021 im Vergleich zu 2019 (letztes prä-pandemisches Kalenderjahr) 8 % weniger Patientinnen und Patienten versorgt worden waren (Tabelle 1). Vor allem elektive Krankenhausaufnahmen wurden aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie ausgesetzt. Hingegen kamen Patientinnen und Patienten mit chronischen Grundkrankheiten, bei denen zum Beispiel die Notwendigkeit zur Dialyse oder für permanent angebrachte Devices (wie Harnblasenkatheter) gegeben war, weiterhin zur Aufnahme. Patientinnen und Patienten beispielsweise mit regelmäßiger Dialyse, liegendem Blasenkatheter oder offenen Wunden weisen ein erhöhtes Risiko für eine MRSA-Kolonisation auf (18). Trotzdem sank die Aufnahmeprävalenz auch in den Pandemiejahren weiter ab. Eine Metaanalyse zur globalen Häufigkeit von antimikrobiellen Resistenzen im stationären Bereich zeigte, dass die COVID-19-Pandemie keinen Einfluss auf die MRSA-Inzidenzdichte hatte (19); in den USA blieben die Gesamtfallzahlen für MRSA-Blutstrominfektionen von 2018–2020 stabil (20). Diese internationalen Beobachtungen für die Pandemiejahre finden sich in den MRSA-KISS-Daten wieder.
Der allgemein festzustellende Rückgang von MRSA wird auf verschiedene Ursachen zurückgeführt. Neben einer im Vergleich zu sensiblen S. aureus möglicherweise eingeschränkten biologischen Fitness von resistenten S.-aureus-Stämmen sowie einem geänderten Antibiotikaanwendungsverhalten (21, 22, 23) könnte der Rückgang von MRSA auf verschiedene Maßnahmenbündel zur Infektionsprävention und -kontrolle (IPK) zurückzuführen sein. Empfohlene IPK-Maßnahmen für MRSA im Krankenhaus und in Einrichtungen der Pflege sind von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) im Jahr 1999 und 2014 publiziert worden (18, 24). Die Empfehlungen beinhalten unter anderem eine Stärkung der Basishygiene und Händedesinfektions-Compliance. Zudem spricht sich die KRINKO für ein gezieltes Aufnahmescreening für Patientinnen und Patienten mit MRSA-Risiko aus und empfiehlt die Erstellung eines Infektionskontrollplans für jedes Krankenhaus, in dem auch die lokale Situation und gegebenenfalls landesspezifische Empfehlungen für das MRSA-Aufnahmescreening zu berücksichtigen sind (18).
Trotz dieser Empfehlung und stetig sinkender MRSA-Inzidenz stieg die Screeningfrequenz in deutschen Krankenhäusern im zeitlichen Verlauf seit 2006 an und verharrt seit 2019 auf hohem Niveau (Grafik 1). Ursächlich dafür könnte sein, dass ein gezieltes Screening bei Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für MRSA – dazu zählen Wiederaufnahme bei bekannter MRSA-Anamnese oder Aufnahme und Verlegung aus Einrichtungen mit bekanntem endemischen beziehungsweise vermutlichem MRSA-Vorkommen (18, 24) – in Bezug auf die Implementierung als aufwändiger eingeschätzt wird, als ganze Abteilungen oder das gesamte Krankenhaus einzubeziehen. Zudem wird bei Patientinnen und Patienten, bei denen kein Aufnahmescreening erfolgte, ein während des Krankenhausaufenthalts nachgewiesener MRSA als nosokomial erworben eingestuft. Um diese Situation zu umgehen, wurde das Aufnahmescreening in einigen Häusern ausgeweitet. Des Weiteren könnte eine umfassende MRSA-Screeningstrategie von Krankenhäusern zu Werbezwecken eingesetzt werden, denn in den Medien wird immer wieder über vermeintliche Erfolge eines allgemeinen Aufnahmescreenings berichtet. Allerdings wird dabei häufig auf die Niederlande Bezug genommen, obwohl dort nur ein Risiko-bezogenes Screening erfolgt (25).
Schlussendlich scheint weiterhin die Einschätzung verbreitet zu sein, dass es sich bei einem generellen Aufnahmescreening um eine evidenzbasierte Maßnahme der IPK handelt. Dies wird in verschiedenen Studien jedoch widerlegt beziehungsweise kritisch diskutiert (26, 27, 28, 29, 30). Auch die MRSA-KISS-Zahlen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass es in Krankenhäusern mit niedriger oder moderater Screeninghäufigkeit nicht zu vermehrten nosokomialen MRSA-Nachweisen kam. So war für das Jahr 2021 erkennbar, dass die Aufnahmeprävalenz für ein Krankenhaus signifikant höher ausfiel, wenn das Haus bezogen auf die Frequenz von Aufnahmeabstrichen im 4. Quartil statt im Quartil 1 lag. Jedoch zeigte sich bezogen auf die nosokomiale MRSA-Inzidenzdichte, dass diese unabhängig von der Screeninghäufigkeit stabil bei 0,04/1 000 Patiententagen lag (Tabelle 3). Es stellt sich also die Frage, ob eine hohe Screeningfrequenz überhaupt notwendig ist. Vielmehr scheinen IPK-Maßnahmen vermehrt erfolgreich umgesetzt zu werden, um nosokomial erworbene MRSA-Fälle zu verhindern. Mit einem risikoadaptierten gezielten MRSA-Aufnahmescreening können Personalkapazitäten und Laborressourcen geschont werden, sodass eine solche Screeningstrategie unter Berücksichtigung der stabilen epidemiologischen Zahlen sinnvoll erscheint.
Limitationen
Die Surveillance-Erhebung im Rahmen von KISS hat folgende Limitationen: Erstens schwankte die Anzahl der am MRSA-KISS-Modul teilnehmenden Krankenhäuser im Laufe der Zeit, was die MRSA-Raten beeinflusst haben könnte. Von 2017–2019 war die Anzahl der teilnehmenden Krankenhäuser relativ konstant, jedoch sank sie im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie.
Zweitens können nur Aussagen für die teilnehmenden Krankenhäuser gemacht werden. Ob diese als repräsentativ für alle Krankenhäuser in Deutschland einzuschätzen sind, ist unklar. Jedoch nimmt eine nicht unerhebliche Zahl der Krankenhäuser an der MRSA-KISS-Surveillance teil – selbst im ersten Pandemiejahr 2020 war ein Drittel aller etwa 1 900 Krankenhäuser beteiligt (12).
Die MRSA-KISS-Ergebnisse spiegeln den allgemeinen epidemiologischen Trend der sinkenden MRSA-Häufigkeit wieder, sodass trotz der genannten Limitationen von einer stabilen Datenbasis ausgegangen werden kann (6).
Fazit
Für den Zeitraum 2006–2021 ist ein deutlicher Rückgang von MRSA-Fällen in deutschen Krankenhäusern zu verzeichnen. Die nosokomiale MRSA-Inzidenzdichte ist nicht mit der Screeninghäufigkeit assoziiert. Das bedeutet, dass die nosokomiale Übertragungswahrscheinlichkeit von MRSA in Krankenhäusern mit einer niedrigen Anzahl mit von Nasenabstrichen pro 100 Patientinnen und Patienten nicht erhöht ist. Aufgrund des nicht vorhandenen präventiven Effektes und des Ressourcenverbrauchs durch eine hohe Screeningfrequenz sollte für MRSA eine gezielte Screeningstrategie bezogen auf Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für MRSA einem generellen Aufnahmescreening vorgezogen werden.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen und die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 23.01.2023, revidierte Fassung angenommen: 27.04.2023
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Miriam Wiese-Posselt, MPH
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Institut für Hygiene und Umweltmedizin
Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 27
12203 Berlin
miriam.wiese-posselt@charite.de
Zitierweise
Wiese-Posselt M, Saydan S, Schwab F, Behnke M, Kola A, Kramer TS, Gastmeier P, Maechler F: Screening for methicillin-resistant Staphylococcus aureus—an analysis based on findings from the Hospital Infection Surveillance System (KISS), 2006–2021. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 447–53. DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0117
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
Nationales Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen am Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, gemeinsame Einrichtung von Freier Universität Berlin und Humboldt-Universität Berlin: Selin Saydan, Dr. rer. medic. Frank Schwab, Dr. rer. medic. Michael Behnke, Prof. Dr. med. Petra Gastmeier, Dr. med. Friederike Maechler
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