ArchivDeutsches Ärzteblatt33-34/2023Unabhängige Patientenberatung: Beratung ohne Eigeninteresse

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Unabhängige Patientenberatung: Beratung ohne Eigeninteresse

Beerheide, Rebecca

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Rebecca Beerheide, Leiterin politische Redaktion
Rebecca Beerheide, Leiterin politische Redaktion

Stabilität und Ruhe für eine unabhängige Patientenberatung hatten die Gesundheitspolitiker von SPD, Grünen und FDP im Sinn, als sie Ende März 2023 das neue Gesetz zur Unabhängigen Patientenberatung (UPD) beschlossen. Darin wird geregelt, dass die Beratung, die seit der Gründung im Jahr 2000 unter wechselnden Geschäftsführungen agierte, nun in die Trägerschaft einer Stiftung überführt werden soll. Damit sollte das Beratungsgeschäft nicht alle fünf bis sieben Jahre neu ausgeschrieben werden müssen, die Unabhängigkeit gewahrt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Planungssicherheit bekommen.

Doch die Gesundheitspolitiker der Ampel haben offenbar den Protest der Krankenkassen im Gesetzgebungsverfahren falsch eingeschätzt: Obwohl den Krankenkassen im Laufe der Gesetzesberatung immer mehr Einfluss auf die unabhängige Beratung von Patientinnen und Patienten zugestanden wurde, ebbte die Kritik nicht ab. Denn das Gesetz sieht vor, dass die Krankenkassen weiterhin die Stiftung finanzieren sowie die Satzung schreiben, aber eben später keinen Einfluss auf Beratungsgegenstände, Finanzmittel oder die Geschäftsführung bekommen. Die Gegenwehr war deutlich: Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes, das höchste Gremium der Krankenkassen, boykottierte die weitere Zusammenarbeit, das Bundesgesundheitsministerium bemüht sich um Schadensbegrenzung – mit offenem Ende (siehe Seite 1364).

Die Beratung von Patientinnen und Patienten in einem komplexen Gesundheitssystem ist ein lukratives Geschäft – nicht im finanziellen Sinn, sondern für die eigenen Interessen und die dazugehörige Außenwirkung: Denn Beratung heißt auch Steuerung und Informationen darüber, welche Fragen und Probleme Menschen im Gesundheitssystem haben. Mit diesem Wissen kann man Politik machen und entsprechend beeinflussen – sei es, dass man Probleme deutlich ausspricht oder eben verschweigt. Werden Missstände regelmäßig veröffentlicht, kann Politik möglicherweise komplexe Regelungen verändern. Das ist in der Vergangenheit beispielsweise beim Krankengeld geschehen, nachdem man in der UPD dazu immer häufigere Beratungen hatte. Krankenkassen wurden in die Schranken gewiesen, Ärzte bekamen für ihren Alltag in der Praxis deutlichere Hinweise, wann und wie Formulare auszufüllen sind.

Es sei denn, man will möglicherweise gar nicht, dass Missstände publik werden. Und genau dieser Eindruck schwingt derzeit in dem Streit zwischen Krankenkassen, Patientenverbänden und Politik mit: Jeder will den Zugang zu den Nöten der Ratsuchenden, mit den Daten und Informationen die eigene Agenda untermauern – aber keiner will dafür Gelder bereitstellen. Auch das Bundesgesundheitsministerium hat sich in den Haushaltsberatungen nicht für Steuermittel für den Betrieb der UPD eingesetzt und macht nun, in persona der parlamentarischen Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD), keine gute Figur bei der Vermittlung der schwierigen Interessenlagen.

Dabei ist die Beratung in einem komplexen Gesundheits- und Pflegesystem immer wichtiger. Patientinnen und Patienten, aber auch Ärztinnen und Ärzte können nicht immer alle Regelungen der Sozialgesetzbücher oder Übergänge zwischen Gesundheits- und Pflegeversorgung kennen. Dafür benötigt es eine Beratung, die auch offen darüber sprechen kann, welche Leistung jedem Einzelnen zusteht, egal, ob es in dem Fall für Krankenkassen kostspielig wird oder nicht. Und diese Unterstützung darf nicht eingespart oder gar in der politischen Diskussion aus dem Weg geräumt werden.

Rebecca Beerheide
Leiterin politische Redaktion

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