MEDIZINREPORT
Sportkardiologie: Die Myokarditis muss keine Hypothek fürs Leben sein


Die Virusmyokarditis spielt in der Pathogenese des plötzlichen Herztods eine Rolle, aber offenbar keine so wichtige wie angenommen. Ein kardiales Magnetresonanztomogramm hilft bei der Trainingsplanung und macht das prognostisch entscheidende Ausmaß von Ödem und Fibrose sichtbar.
Besonders bei Profisportlern, aber auch Fitnessbegeisterten im Amateurbereich ist die Infektion mit kardiotropen Viren und nachfolgender inflammatorischer Zerstörung des Myokards gefürchtet. Es droht nicht nur eine obligate, mindestens 3-monatige Trainingspause. Lange ging man auch davon aus, dass eine einmal durchgemachte Myokarditis eine Hypothek fürs Leben ist, vor allem hinsichtlich des Risikos für plötzlichen Herztod. Das muss aber nicht immer so sein. Beim 129. Internistenkongress in Wiesbaden verwies Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhauses und Kardiologe im Medizinischen Versorgungszentrum CCB in Frankfurt/Main, auf eine Autopsiestudie aus Dänemark: Sie zeigte, dass Myokarditiden weit seltener zum plötzlichen Herztod führen als angenommen (1).
Bildgebung hilft bei Diagnose
Bei 1 363 Personen, die einen plötzlichen Herztod erlitten hatten, wurde nur bei 42 eine Myokarditis als Ursache festgestellt. Und auch eine Registerstudie, in der nur Profisportler untersucht wurden, zeigt: „Die Myokarditis ist ein wichtiger Grund für den plötzlichen Herztod, aber nicht der dominierende Grund“, betonte Voigtländer (2).
Um beurteilten zu können, ob ein Patient mit Myokarditis ungünstige Prognosefaktoren aufweist, ist eine sorgfältige Diagnostik erforderlich. Goldstandard für die Diagnosestellung ist nach wie vor die endomyokardiale Biopsie. Werden histopathologisch mindestens 14 Lymphozyten pro mm2 nachgewiesen, darunter bis zu 4 Monozyten pro mm2, und mindestens 7 CD3-positive T-Lymphozyten pro mm2, dann liegt eine Myokarditis vor. „Wichtig ist, dass man bei der Biopsie das Myokarditisareal treffen muss“, so Voigtländer, „aber wenn man trifft, ermöglicht dies eine eindeutige Diagnose.“
In der klinischen Routine wird die Diagnose allerdings häufig ohne bioptische Sicherung anhand der klinischen Präsentation und der Ergebnisse nichtinvasiver Testmethoden gestellt. Aber eine rein klinische Diagnose der Myokarditis ist schwierig: Nicht immer zeigen die Patienten Symptome, und wenn Symptome auftreten, dann kann von leicht bis schwer alles dabei sein: Müdigkeit, Luftnot, Fieber, Schmerzen in der Brust, Palpitationen, Benommenheit und Ohnmacht sowie grippeähnliche Symptome wie Kopf-, Körper-, Gelenk- und Halsschmerzen. „Einige Fälle von Myokarditis können sich auch wie ein Herzinfarkt anfühlen“, so Voigtländer.
Häufig kann aufgrund der Symptomatik, der typischen Veränderungen im Elektrokardiogramm (EKG), wie wechselnde EKG-Bilder in kurzer Zeit, ST-Hebung aus der S-Zacke heraus, kein Bezug zur koronaren Myokardversorgung sowie Erhöhungen von Troponin und Brain Natriuretic Peptide (BNP) eine Diagnose erfolgen. „Aber nicht selten besteht weiterhin Unsicherheit, insbesondere wenn die Myokarditis sich als Infarkt-like-Syndrom präsentiert. In diesen Fällen wird der Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit erforderlich“, sagte Voigtländer. „Das kardiale MRT kann etwas mehr Klarheit in dieses oft relativ diffuse Krankheitsbild bringen.“
Das kardiale Magnetresonanztomogramm (cMRT) ist die einzige Modalität, die unterschiedliche Techniken zur Erkennung inflammatorischer Veränderungen des Herzmuskels bietet. Mit T1- und/oder T2-Mapping lässt sich ein akutes Entzündungsödem nachweisen, mit der Late-Gadolinium-Enhancement-(LGE-)Technik eine Fibrose im Rahmen einer Entzündung (Abbildung). Eine weitere diagnostische Technik ist die Bestimmung des Extrazellularvolumens. 2018 wurden von einer Expertengruppe die weiterentwickelten Lake-Louise-Kriterien für die Diagnose einer Myokarditis aufgestellt. „Fallen von den Diagnosemöglichkeiten, die man hat, sprich T1- oder T2-Mapping, LGE und Bestimmung des Extrazellularvolumens, 2 positiv aus, dann kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass eine Myokarditis vorliegt“, erklärte Voigtländer.
cMRT auch quantitativ bewerten
Das cMRT erfasst den gesamten linken Ventrikel. Bezogen auf die Referenzmethode der myokardialen Biopsie erreicht man mit den cMRT-Kriterien eine Sensitivität von 95,3 % und eine Spezifität von 86,7 %. Der Frankfurter Kardiologe betonte aber, dass es nicht ausreiche, die cMRT-Befunde qualitativ zu werten, um eine Myokarditis ein- oder auszuschließen. Denn das Ausmaß des Late Enhancement ist bei einer Myokarditis ein wichtiger Prognosefaktor. „Die absolute Mehrzahl der Myokarditiden verläuft unproblematisch, eine ungünstige Prognose besteht aber bei einer eingeschränkten linksventrikulären Funktion und einem ausgeprägten Late-Enhancement-Areal“, so Voigtländer. Für die klinische Routine bedeutet dies: „Wenn Sie einen Patienten zur Abklärung einer Myokarditis schicken, dann geht das nur in einer Einrichtung, die neben der LGE-Technik auch T1- und T2-Mapping durchführt“, betont der Kardiologe. „Sonst lässt sich nicht beurteilen, ob eine akute Variante mit Ödem vorliegt.“
Ein Myokardödem kann mit und ohne Late Enhancement auftreten. Liegt ein Myokardödem ohne LGE-Nachweis vor, spricht dies eher für einen reversiblen Myokardschaden mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine völlige Wiederherstellung. „Bei viel Late Enhancement kann man von einem hohen Risiko ausgehen, bei weniger von einem geringen Risiko“, sagte Voigtländer.
Bei dem von LGE betroffenen Areal handelt es sich um das arrhythmogene Areal, das auch bei Profisportlern später Probleme auslösen kann. „Das Late Enhancement bleibt ein Leben lang erhalten“, so Voigtländer. „T1- und T2-Mapping und Extrazellularvolumen sind dagegen nach 3 Monaten häufig wieder normal.“
Dauer der Sportpause ermitteln
Das cMRT hilft auch, eine der häufigsten Fragen nach einer akuten Myokarditis zu beantworten: Wie lange sollte der Patient auf Sport verzichten? In der entsprechenden Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) wird betont, dass es mehrere Monate dauern kann, bis die myokardiale Entzündung vollständig abgeklungen ist. In dieser Zeit könne Anstrengung das Auftreten von Arrhythmien begünstigen und sollte vermieden werden. Es wird eine Trainingspause von 3 bis 6 Monaten empfohlen (3). „Die ersten 3 Monate sind gesetzt“, so Voigtländer. „Von 3 bis 6 Monaten gibt es einen Spielraum, über den man individuell entscheiden muss.“ Diese Entscheidung hänge von den Befunden eines Follow-up-cMRT und eines Belastungs-EKGs nach der 3-monatigen, obligaten Trainingspause ab.
Die ESC empfiehlt Folgendes: Bestehen nach 3 Monaten klinisch keine Entzündung und keine Symptome mehr, sowohl Belastungs-EKG als auch cMRT sind ohne Befund und es gibt keine Hinweise auf ein links-/rechtsventrikuläres Remodeling, dann kann der Patient zum Sport zurückkehren (Grafik). Ein weiteres Follow-up sollte aber in Betracht gezogen werden. Noch detaillierte Empfehlungen gaben Forschende aus den USA 2020 (4): Ist das LGE im cMRT stabil oder abnehmend und es besteht keine Arrhythmie oder Entzündung, muss individuell entschieden werden: „Man schaut sich das LGE genauer an und macht die Entscheidung für die langsame Rückkehr zum Sport über 3 bis 6 Monate abhängig von Größe und Muster des LGE“, so Voigtländer. Ausgeprägtes Late Enhancement und persistierende Ödemzeichen im cMRT bedingen eine weitere Sportpause „Hat man dagegen LGE und eine reduzierte linksventrikuläre Funktion, muss man die langsame Rückkehr zum Sport gegen das Risiko eines lang anhaltenden Bewegungsmangels abwägen.“ Der Kardiologe schloss: „Es ist weiterhin nicht ganz schwarz-weiß, aber man hat ein paar Parameter an der Hand, mit denen man entscheiden kann, wie lange ein Patient auf Sport verzichten sollte.“ Nadine Eckert
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit3523
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Myokarditiden in der Pandemie
Virusmyokarditiden können von einer Reihe von Viren ausgelöst werden, am häufigsten sind das humane Parvovirus B19 und das humane Herpesvirus 6 verantwortlich. Frisch dazu gekommen ist SARS-CoV-2: Zu Beginn war die Sorge groß, dass die Myokarditis bei COVID-19 eine signifikante Rolle spielen würde. Doch nach und nach stellte sich heraus, dass Myokarditiden nach COVID-19 nicht so häufig sind wie anfangs befürchtet. 2021 berichteten Forschende aus den USA über 1 597 Profisportler mit COVID-19: Nur 37 (2,3 %) von ihnen entwickelten im Rahmen der COVID-19-Erkrankung eine Myokarditis, betroffen waren fast ausschließlich Männer (5). Auch über das Myokarditisrisiko nach COVID-19-Impfung wurde ausführlich diskutiert. Eine ebenfalls 2021 im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zeigte, dass die Myokarditis-Inzidenz bei 2,13 Fällen pro 100 000 gegen COVID-19-Geimpfte lag. Männer zwischen 16 und 29 Jahren hatten im Vergleich zu allen anderen ein 10-fach höheres Risiko, nach einer COVID-19-Impfung eine Myokarditis zu entwickeln (6). Prognostisch erwiesen sich diese impfinduzierten Myokarditiden in aller Regel als unproblematisch. Es gab aber auch Fallberichte mit schwerem Verlauf, darunter starke Schmerzen in der Brust, Zeichen und Symptome einer Herzinsuffizienz und sehr selten hämodynamische Instabilität.
1. | Lynge TH, Nielsen TS, Winkel BG, et al.: Sudden cardiac death caused by myocarditis in persons aged 1–49 years: a nationwide study of 14 294 deaths in Denmark. Forensic Sci Res 2019; 4 (3): 247–56 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
2. | Bohm P, Meyer T, Narayanan K: Sports-related sudden cardiac arrest in young adults. Europace 2023; 25 (2): 627–33 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
3. | Pelliccia A, Sharma S, Gati S, et al.: 2020 ESC Guidelines on sports cardiology and exercise in patients with cardiovascular disease: The Task Force on sports cardiology and exercise in patients with cardiovascular disease of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2021; 42 (1): 17–96 CrossRef MEDLINE |
4. | Eichhorn C, Bière L, Schnell F, et al.: Myocarditis in Athletes Is a Challenge: Diagnosis, Risk Stratification, and Uncertainties. JACC: Cardiovasc Imaging 2020; 13 (2 Pt 1): 494–507 CrossRef MEDLINE |
5. | Daniels CJ, Rajpal S, Greenshields JT, et al.: Prevalence of Clinical and Subclinical Myocarditis in Competitive Athletes With Recent SARS-CoV-2 Infection Results From the Big Ten COVID-19 Cardiac Registry. JAMA Cardiol 2021; 6 (9): 1078–87 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
6. | Witberg G, Barda N, Hoss S, et al.: Myocarditis after Covid-19 Vaccination in a Large Health Care Organization. N Engl J Med 2021; 385 (23): 2132–9 CrossRef MEDLINE PubMed Central |