ArchivDeutsches Ärzteblatt25/2000Wissenschaftsbetrug: Eine Affäre zieht Kreise

SPEKTRUM: Akut

Wissenschaftsbetrug: Eine Affäre zieht Kreise

Koch, Klaus

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LNSLNS Gefälscht sind 29 Publikationen; bei 65 Arbeiten besteht konkreter Verdacht auf Fälschung; hinzu kommen vier zumindest in Teilen auf Fälschungen basierende Habilitationsschriften: Das ist mehr als drei Jahre nach Bekanntwerden die Bilanz der Betrugsaffäre um die Krebsforscher Friedhelm Herrmann und Marion Brach. Vier Gutachter um Prof. Ulf Rapp von der Universität Würzburg hatten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Deutschen Krebshilfe den Auftrag bekommen, fast 350 Arbeiten zu untersuchen, die Herrmann und Brach bis 1996 publiziert hatten. Zwei Jahre brauchte diese „Task-Force“ für die Analyse der Publikation, sie befragte mehr als 100 Co-Autoren und Mitarbeiter. Am Ende blieben nur etwa 132 Publikationen frei von einem Fälschungsverdacht, bei 121 weiteren blieben Fragen offen.

Welche Konsequenzen der jetzt in Bonn der Presse vorgestellte Bericht für die kritisierten Forscher haben wird, steht noch nicht fest. Hermann und Brach sind mittlerweile aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden. Ob die auffälligen Habilitationen widerrufen werden müssen, klären derzeit die betroffenen Universitäten. Sprecher der DFG machten aber auch deutlich, dass die Aufarbeitung der Affäre noch nicht abgeschlossen ist. Die Task-Force hat auch von Herrmann unabhängige Arbeiten seiner häufigsten Co-Autoren untersucht. Der wichtigste ist Prof. Roland Mertelsmann (Freiburg), immerhin sei er über einige Jahre hinweg „hinsichtlich seiner publikatorischen Aktivitäten fast identisch mit dem Forscher Herrmann“ gewesen, schildert der Task-Force-Bericht.

Die DFG räumte bereits ein, dass zumindest in einer Publikation, die Mertelsmann ohne Herrmanns Mitwirkung publiziert hatte, „Hinweise auf einen Umgang mit Daten außerhalb der lex artis“ aufgetaucht seien. Genaueres wollte die DFG erst nach Abschluss der laufenden Untersuchung mitteilen. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) geht es offenbar um eine Arbeit, die Mertelsmann 1994 zusammen mit Prof. Lothar Kanz und Dr. Wolfram Brugger, mittlerweile an der Universität Tübingen, publiziert hat. „Die Gesamtumstände legen mit hoher Wahrscheinlichkeit nahe, dass ein bestimmter Zielwert durch Manipulation von Daten erreicht werden sollte“, zitiert die Zeitung die Gutachter. Kanz und Brugger hätten gegenüber der Task-Force zwar mangelnde Exaktheit eingeräumt, wiesen einen Fälschungsvorwurf jedoch zurück. Klaus Koch

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