SPEKTRUM: Leserbriefe
Vergangenheit: Ein weiteres dunkles Kapitel
Zu dem Beitrag „Ein Denkmal wankt” von Dr. Thomas Gerst in Heft 14/2000:


Nach Angaben der damaligen Stationsschwester wurde zu Beginn der 40er-Jahre den behinderten Kindern in dieser Leipziger Außenstelle der Universitäts-Kinderklinik Leipzig eine tödliche Dosis eines Barbiturat-Präparates intravenös verabreicht. Danach wurden die Kinder im Bett auf den Balkon der Kinderstation gestellt. Später wurde dann vom diensthabenden Arzt der Tod des Kindes festgestellt und als Todesursache meist Pneumonie angegeben.
Aber auch nach 1945 hat es in der DDR offenbar eine besondere Form der Kindereuthanasie gegeben. Mir selbst ist ein Fall bekannt, wo Hebammen selbstständig, ohne Wissen der Ärzte, Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht bis circa 1 000 Gramm aussonderten und für nicht lebensfähig erklärten. Während eines Dienstes auf der im Frühjahr 1968 in der Universitäts-Frauenklinik Leipzig neu eingerichteten Früh- und Neugeborenen-Intensivstation zeigte mir die diensthabende Kinderkrankenschwester ein wimmerndes Wesen im Kühlschrank, in Zellstoff eingewickelt. Die diensthabende Hebamme hatte der Mutter mitgeteilt, ihr Kind sei nicht lebensfähig. Dank sofort eingeleiteter intensiv-medizinischer Maßnahmen konnte das kleine Mädchen (Geburtsgewicht circa 1 000 Gramm) gerettet werden. Während des Amtsarztkurses 1990 berichtete ich von diesem Ereignis. Dabei stellte sich heraus, dass offensichtlich auch auf anderen Geburtsstationen in der damaligen DDR solche Fälle praktiziert wurden. Ein dunkles Kapitel deutscher Nachkriegsmedizin in der ehemaligen DDR.
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