POLITIK: Aktuell
Physiotherapie: „Keine Therapie ohne vorherige Genehmigung“


Wieder versucht eine Kasse, Einfluss auf das ärztliche Verordnungsverhalten zu nehmen: Die AOK Brandenburg will ärztliche Verordnungen von physiotherapeutischen Leistungen einer vorherigen Genehmigung unterziehen. Dass dies rechtswidrig ist, bestätigte das Sozialgericht Potsdam und untersagte am 24. Mai der AOK, die zum 1. April eingeführte Genehmigungspflicht beizubehalten.
Damals hatte die AOK in einem Rundschreiben die in Brandenburg niedergelassenen Physiotherapeuten über die „Neuregelung“ informiert und sie aufgefordert, ärztliche Verordnungen für Massagen und krankengymnastische Leistungen nur auszuführen, wenn eine Genehmigung durch die Kasse vorliege. Begründung der AOK: Auf diese Weise wolle man Doppel- und Mehrfachverschreibungen für einen Versicherten durch mehrere Ärzte unterbinden.
Genehmigungspflicht ist rechtswidrig
Dr. med. Peter Noak, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Brandenburg, sieht darin etwas anderes, nämlich einen Versuch der AOK, auf Kosten der Patienten Leistungen einzusparen. In den letzten Wochen wurden nach seiner Kenntnis bereits physiotherapeutische Leistungen durch die AOK gestrichen. Für Noak ist das ein unhaltbarer Zustand: Das Verordnungsrecht des Arztes dürfe nicht eingeschränkt werden, meint er. Schon deshalb unterstützt die KV den Protest des Deutschen Verbandes für Physiotherapie – Zentralverband der Physiotherapeuten/Krankengymnasten (ZVK) e.V.
Der hatte im April beim Sozialgericht Potsdam gegen die AOK geklagt, nachdem verschiedene Gespräche unter Rechtsaufsicht erfolglos geblieben waren. Anfang Mai teilte auch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg – die Aufsichtsbehörde der AOK – mit, dass es die selektive Genehmigungspflicht für physiotherapeutische Verordnungen „mangels geeigneter Rechtsgrundlage als rechtswidrig“ erachte. Von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen sieht das Ministerium derzeit noch ab.
Zunächst ist der Antrag des ZVK auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die AOK erfolgreich gewesen. In der Begründung des Gerichts heißt es, dass der Krankenversicherungsträger rechtlich an die medizinische Erkenntnis des Kassenarztes gebunden ist. Die Regelungen des Sozialgesetzbuches sollen verhindern, dass eine Kasse aus wirtschaftlichen Überlegungen Leistungen verweigert.
Vier Wochen hat die AOK Brandenburg Zeit, auf den Beschluss des Potsdamer Sozialgerichts zu reagieren. Hält sie an der eingeführten Genehmigungspflicht fest, wird das Ministerium als Rechtsaufsicht einschreiten, vermutet Heinz Christian Esser, Geschäftsführer des ZVK. Bei Widerspruch der AOK will der Verband vor dem Bundessozialgericht klagen. 1998 war ein ähnlicher Fall in Sachsen-Anhalt bekannt geworden: Die AOK wollte Verordnungen für Personen in Pflegeheimen einer Genehmigung unterziehen, musste dies jedoch nach drei Monaten zurücknehmen. Dr. med. Eva A. Richter
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