ArchivDeutsches Ärzteblatt38/2000Kompetenznetzwerk Morbus Parkinson: Tiefenstimulation bei Bewegungsstörungen

POLITIK: Medizinreport

Kompetenznetzwerk Morbus Parkinson: Tiefenstimulation bei Bewegungsstörungen

Deuschl, Günther

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LNSLNS Die neue Behandlungsmethode wird systematisch erprobt.

Kaum eine neurochirurgisch-neurologische Behandlungsmethode hat in der letzten Zeit so viel Aufmerksamkeit erfahren wie die Ende der 80er-Jahre entwickelte Tiefenhirnstimulation der Basalganglien. Das Bundesministerium für Forschung und Entwicklung hat daher im Rahmen der Förderung von Kompetenznetzwerken auch den Morbus Parkinson und sein Teilprojekt „Tiefenstimulation“ berücksichtigt.
Diese neue Behandlungsmethode basiert auf zwei Grundlagen: der stereotaktischen Thermokoagulation im Thalamus oder im Pallidum, womit der Tremor gut zu behandeln ist. Wichtigster Nachteil dieser Läsionschirurgie ist die Irreversibilität des Eingriffes: Bei zu kleinen Läsionen kommt es zu Rezidiven und bei zu großen oder falsch platzierten Läsionen zu inakzeptablen Nebenwirkungen wie Sprachstörungen oder Halbseitensymptomen.
Darüber hinaus wurde 1987 durch Benabid und Pollak entdeckt, dass durch elektrische Stimulation der früheren Zielpunkte läsioneller Verfahren ein ähnlich guter Effekt auf die Parkinson-Symptome erzielt werden kann. Die elektrische Stimulation ist an den individuellen Patienten hinsichtlich Wirkung und Nebenwirkung anpassbar. Außerdem ist die stereotaktische Implantation mit einem geringeren OP-Risiko als die Thermokoagulation verbunden. Die Methode ist bislang für die Behandlung von anderweitig nicht behandelbaren Parkinson-Patienten und für Patienten mit schwerem Haltetremor (essenzieller Tremor) zugelassen.
Im Rahmen von Heilversuchen wurden auch Patienten mit schwersten
Dystonien und anderen Tremorformen behandelt. Die teilweise dramatischen Erfolge der Methode können aber nur erreicht werden, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Die OP-Indikation muss korrekt gestellt werden, die Operation muss von erfahrenen Neurochirurgen mit modernsten Verfahren der stereotaktischen Behandlungsplanung durchgeführt und die Nachbehandlung optimal gestaltet werden.
Trotz der hervorragenden Perspektive sind einige wichtige Fragen nach Nebenwirkungen, Indikationsspektrum et cetera wissenschaftlich noch nicht zu beantworten. Die am Medizinischen Kompetenznetzwerk beteiligten neurologischen und neurochirurgischen Universitätskliniken haben sich daher zu einer „Arbeitsgemeinschaft Tiefenstimulation“ zusammengeschlossen.
Den neurologischen Kliniken kommt die Aufgabe der Patientenauswahl, der präoperativen Evaluation und der Nachbehandlung zu. Nach bisherigen Erfahrungen wird dabei von jeweils drei zugewiesenen Patienten nur einer zur Operation vorgeschlagen, da die anderen mit den neuen Pharmaka ausreichend eingestellt werden können.
Der stereotaktische Eingriff des Neurochirurgen wird durch moderne Bildgebungsverfahren und durch den Neurologen unterstützt, der am OP-Tisch die Symptomausprägung (Rigor oder Tremor) perioperativ gezielt prüft und damit die chirurgische Zielpunktauswahl erleichtert. Im Rahmen des Kompetenznetzwerkes werden Wirkungen und Nebenwirkungen der Behandlung in prospektiven Studien systematisch erfasst. Die Ergebnisse werden gemeinsam publiziert.
Prof. Dr. med. Günther Deuschl

Anschrift für die Arbeitsgemeinschaft Tiefenstimulation: Prof. Dr. med. Günther Deuschl, Neurologische Klinik der Universität Kiel, Niemannsweg 147, 24105 Kiel

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