MEDIZIN: Kurzberichte
Diagnostik und Therapie der Helicobacter-pylori-Infektion
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Zeitpunkt für die Diagnostik
Die H.p.-Diagnostik sollte integraler Bestandteil jeder Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts sein. Wann
bei diagnostisch gesicherter H.p.-Infektion therapeutische Konsequenzen erforderlich sind, ist im Textkasten
zusammengefaßt. Die alleinige Durchführung des serologischen H.p.-Tests oder des nichtinvasiven 13CHarnstoff-Atemtests zur Erstdiagnostik der H.p.-Infektion kann nicht empfohlen werden.
Bei Erstdiagnose eines Ulkusleidens
Bei der H.p.-Diagnostik kann man sich beim Ulcus duodeni in der Regel mit dem Urease-Schnelltest begnügen.
Dazu werden je eine Biopsie aus Antrum und Korpus – je nach Testansatz zusammen (CLO-Test) oder
getrennt (HUT-Test) – in das Testmedium eingebracht. Bei 37 Grad Celsius ist der Test meist innerhalb von
ein bis zwei Stunden positiv (Rotfärbung); erst nach 24 Stunden positiv reagierende Urease-Tests sind nicht
mehr verwertbar. Beim Ulcus ventriculi sollten neben den obligaten Ulkusrand- und -grundbiopsien
Gewebsentnahmen aus Antrum und Korpus für den Urease-Schnell-Test und zur histologischen Untersuchung
durchgeführt werden. Unter Therapie mit Antibiotika, Protonenpumpenhemmern und Wismutsalzen ist ein
negativer Urease-Schnelltest nicht verwertbar. Stand der Patient allein unter Therapie mit
Protonenpumpenhemmern, kann zur Diagnostik der Helicobacter-pylori-Infektion der 13C-Harnstoff-Atemtest
frühestens 14 Tage (besser: vier Wochen) nach Therapieende eingesetzt werden.
Der kulturelle Keimnachweis ist sehr aufwendig und für die Routinediagnostik nicht geeignet, wird aber in der
Zukunft möglicherweise mehr Bedeutung für Resistenzbestimmungen erlangen. Der serologische H.p.Antikörpernachweis zeigt lediglich an, daß sich der Organismus mit dem Keim auseinandergesetzt hat, erlaubt
jedoch keine sichere Aussage darüber, ob derzeit eine aktive H.p.-Infektion vorliegt. Über Wertigkeit und
Verfügbarkeit der einzelnen Testverfahren informiert Tabelle 1.
Zur Erfolgssicherung einer Sanierungstherapie
Da mit den derzeit verfügbaren Behandlungsmodalitäten ein 100prozentiger Therapieerfolg nicht erzielt
werden kann, ist eine diagnostische Sicherung der H.p.-Sanierung sinnvoll. Diese kann frühestens vier Wochen
nach Therapieende erfolgen. Lag ein Magenulkus vor, muß erneut aus dem Restulkus oder Ulkusnarbe
biopsiert werden, und Gewebsproben aus Antrum und Korpus für Urease-Schnell-Test und histologische
Untersuchung müssen entnommen werden. Lag ein Ulcus duodeni vor, ist in der Regel keine
Kontrollendoskopie notwendig. Der Sanierungserfolg der H.p.-Therapie sollte durch den 13C-HarnstoffAtemtest gesichert werden. Dieser Test kann nur dann als nichtinvasives Diagnostikum eingesetzt werden,
wenn die letzte Gabe von Säureblockern mindestens vor vier Wochen erfolgte. Die Bestimmung von H.p.Antikörpern dient epidemiologischen Studien; da ein signifikanter Titerabfall erst vier bis sechs Monate nach
erfolgreicher Sanierung auftritt, ist die Serologie beim Ulkusleiden zur Sicherung des Therapieerfolgs
ungeeignet.
H.p.-Diagnostik im Kindesalter
Die diagnostischen Kriterien entsprechen denen im Erwachsenenalter: Endoskopie im Biopsie/Urease-SchnellTest. Derzeit wird diskutiert, den 13C-Harnstoff-Atemtest in der Primärdiagnostik einzusetzen und nur dann
durch eine Endoskopie zu ergänzen, wenn eine schwerwiegende Symptomatik nach H.p.-Sanierungstherapie
fortbesteht oder Refluxsymptome vorliegen. Die serologische Diagnostik ist problematisch, da viele
Testmethoden bisher nur bei Erwachsenen und zum Teil in anderen Erdteilen evaluiert wurden.
Behandlung bei unkompliziertem Ulkus
Eine Heilung der H.p.-Infektion ist heute bei nahezu jedem Patienten möglich, der bereit ist, die verordneten
Medikamente zuverlässig einzunehmen. Eine ideale Therapie sollte hocheffizient sein (mehr als 90 Prozent
Erfolg), die Sanierungsraten sollten keine regionalen Schwankungen erkennen lassen, die Therapie sollte
einfach und nebenwirkungsarm sein, die Behandlungsdauer sollte eine Woche (bis zu 10 Tagen) nicht
überschreiten, primäre und sekundäre Resistenzen keine wesentliche Rolle spielen und der Preis akzeptabel
sein. Diese Forderungen werden derzeit am besten von der modifizierten Tripel-Therapie erfüllt (Tabelle 2). In
diesen Therapieprotokollen sollten die Antibiotika nur im Rahmen von Studien modifiziert werden; so ist es
keinesfalls vertretbar, Amoxicillin durch Ampicillin zu ersetzen. Clarithromycin sollte nicht durch
Erythromycin ersetzt werden. Ob neben Clarithromycin auch andere Makrolidantibiotika (beispielsweise
Roxithromycin oder Azithromycin) zur H.p.-Sanierung eingesetzt werden können, muß vom Ergebnis
laufender Studien abhängig gemacht werden. Statt 400 Milligramm Metronidazol können auch 500
Milligramm Tinidazol verordnet werden. Für Omeprazol als antisekretorisches Therapeutikum liegen bisher
die meisten positiven Daten vor. Bei den anderen Protonenpumpenhemmern (Lansoprazol, Pantoprazol) ist die
Datenlage weit weniger umfangreich. Eine Einschränkung gilt allerdings für H2-Rezeptorantagonisten, die in
kurzzeitigen Therapiekontrollen bisher noch nicht ausreichend evaluiert worden sind.
Die Dualtherapie mit Omeprazol zweimal 40 Milligramm und Amoxicillin zweimal 1 Gramm hat weltweit
sehr unterschiedliche Sanierungsraten erbracht (teils weniger als 70 bis 80 Prozent), so daß sie als Therapie der
ersten Wahl nicht mehr empfohlen werden kann.
Die duale Therapie mit Omeprazol/Clarithromycin (zweimal 500 Milligramm) ist kein
therapeutischer Fortschritt und weist zudem das Problem auf, daß mehr als 56 Prozent der Therapieversager
H.p.-Stämme haben, die gegen Clarithromycin resistent geworden sind. Hinzu kommt, daß diese Therapie
inadäquat kostspielig ist. Wenn die initiale "italienische" Tripel-Therapie erfolglos war, kann die
"französische" Tripel-Therapie oder die Quadrupel-Therapie eingesetzt werden, wobei die letztgenannte wegen
der hohen Nebenwirkungsraten nur als Reserveoption eingestuft werden sollte.
Blutendes Ulkus
Beim blutenden Ulkus sollte die H.p.-Infektions-Sanierung unmittelbar nach endoskopischer oder chirurgischer
Blutstillung begonnen werden, da der Erfolg der Behandlung beeinträchtigt wird, wenn die entsprechende
antibiotische Therapie erst nach mehreren Tagen einer hochdosierten Monotherapie mit Säureblockern
begonnen wird. Bei der Notfallendoskopie sollte ein Keimnachweisverfahren durchgeführt werden. Eine
entsprechende Therapieempfehlung findet sich in Tabelle 3.
Therapie der H.p.-Infektion im Kindesalter
Da weder H2-Rezeptorantagonisten noch Protonenpumpenhemmer für pädiatrische Patienten zugelassen sind,
muß vor Behandlungsbeginn in jedem Fall die Diagnose gesichert sein. Kinder benötigen eine wesentlich
höhere Omeprazol-Dosis (1 bis 2 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht) als Erwachsene. Die
Verträglichkeit ist trotz der relativ hohen Dosierung sehr gut. Die Dualtherapie besteht aus Omeprazol in
Kombination mit Amoxicillin (50 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag in zwei Einzeldosen)
über zwei Wochen mit einer Sanierungsrate von nur 60 Prozent. Beim zusätzlichen Einsatz von Clarithromycin
(20 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag in zwei Einzeldosen) und einer Therapiedauer von
einer Woche lag der Sanierungserfolg bei 87 Prozent. Offizielle Empfehlungen existieren bislang nicht, Tabelle
4 gibt den aktuellen Wissenstand wieder.
Zeitpunkt der Behandlung
Gesicherte, sinnvolle, fragliche und offene Indikationen für eine Sanierung der H.p.-Infektion sind
in Tabelle 5 zusammengefaßt. Gesichert ist die Behandlung der H.p.-Infektion beim Magen- und
Zwölffingerdarmgeschwür, wobei die Therapie unter dem Aspekt der Rezidivprophylaxe bereits beim Erstulkus
erfolgen sollte. Beim blutenden Ulkus sollte der Therapieerfolg in jedem Fall überprüft werden, da bei
Keimpersistenz mit einer erneuten Blutung bei einem Rezidivulkus in 30 bis 40 Prozent zu rechnen ist. Auch
heute noch nehmen zehn Prozent aller Ulkusblutungen einen tödlichen Verlauf. Bei Patienten mit AntibiotikaAllergie ist Vorsicht geboten. Besteht lediglich eine Penicillin-Allergie, ist eine Therapie nach dem
modifizierten Tripel-Schema möglich. Bestehen auch Allergien gegen Clarithromycin oder Metronidazol,
sollte zur Rezidivprophylaxe eine Langzeittherapie mit Säureblockern erfolgen.
Beim H.p.-positiven Ulkus unter nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR-Therapie) ist eine H.p.-Sanierung
sinnvoll. Im Falle einer Ulkuskomplikation ist auch nach Sanierung der H.p.-Infektion eine Langzeit-Therapie
mit Säurehemmern zur Rezidivprophylaxe geboten, wenn die ASS/NASR-Medikation weiter erfolgen muß.
Beim Ulkus im operierten Magen liegen bislang keine verläßlichen Daten vor, daß der Patient von einer H.p.Sanierung profitiert. Es sollte deshalb eher eine antisekretorische Therapie erfolgen. Zur Klärung der Frage, ob
eine H.p.-Gastritis oder medikamentös-toxisch induzierte Gastritis vorliegt, sollten je zwei Biopsiepartikel aus
Antrum und Korpus entnommen werden. Der alleinige H.p.-Nachweis beinhaltet bislang keine Indikation zur
Behandlung der chronischen Gastritis. Bestimmte Formen der Gastritis (Riesenfaltengastritis mit und ohne
Eiweißverlust, Gastritis mit starker lymphozytärer Infiltration) sollten allerdings behandelt werden. Eine durch
eine H.p.-Infektion induzierte Oberbauchsymptomatik im Sinne einer funktionellen Dyspepsie (NUD) ist
möglich, entsprechende Therapiestudien haben jedoch zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt, so daß
derzeit noch keine Sanierung der H.p.-Infektion bei NUD empfohlen werden kann. Eine Therapie der H.p.Infektion zur Prophylaxe des Magenkarzinoms ist allenfalls bei Patienten mit positiver MagenkarzinomFamilienanamnese zu diskutieren.
In mehreren Studien wurde gezeigt, daß eine komplette Remission von Frühformen eines niedrig malignen BZell-Lymphoms des Magens (MALT-Lymphom) durch eine Sanierung der H.p.-Infektion bei etwa 70 Prozent
der Patienten möglich ist. Eine entsprechende Therapie sollte derzeit nur im Rahmen von wissenschaftlich
kontrollierten prospektiven Therapiestudien durchgeführt werden (Studienadresse: Priv.-Doz. Dr. E.
Bayerdörffer, Klinik für Gastroenterologie-Hepatologie und Infektiologie, Universität Magdeburg, Leipziger
Straße 44, 39120 Magdeburg; Prof. Dr. W. Fischbach, II. Medizinische Klinik, Klinikum Aschaffenburg, Am
Hasenkopf, 63739 Aschaffenburg).
Ausblick
Eine gewisse Sorge bereitet derzeit die Resistenzentwicklung von H.p.-Stämmen gegenüber Metronidazol und
Clarithromycin, die meist durch eine Kombinationsbehandlung (Tripel- und Quadrupel-Therapie) überspielt
werden kann. In mehreren Zentren wird derzeit an einem Impfstoff gegen H.p. gearbeitet, der in fünf bis sieben
Jahren zur Verfügung stehen dürfte. Eine klinische Phase-1-Studie mit Urease B-Untereinheiten als Antigen
und einer immunmodulierenden Substanz ist erfolgreich abgeschlossen worden, wobei sich der Impfstoff
sowohl therapeutisch wie auch prophylaktisch wirksam im Tierversuch erwiesen hat. Da das Genom von H.p.
jetzt bekannt ist, erscheinen auch gentherapeutische Ansätze für die Zukunft nutzbar.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-2094–2097
[Heft 33]
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Wolfgang F. Caspary
Medizinische Klinik II,
Universitätsklinikum Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt
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