ArchivDeutsches Ärzteblatt44/2000Mit der Oma im Bett . . .

VARIA: Post scriptum

Mit der Oma im Bett . . .

Wolf, Klaus Peter

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LNSLNS Meine Frau hatte sich in langen Ehejahren an meine bisweilen flapsige Ausdrucksweise gewöhnen können. Dennoch gelang es mir immer wieder einmal, sie zu verblüffen . . .
Als ich von einer langen Hausbesuchsrunde ungewöhnlich spät heimkam, fragte sie schon auf der Haustreppe: „Mein Gott, Mann, wo kommst du denn her?“
„Ach“, sagte ich leichthin, „ich war zuletzt noch bei Oma Schade im Bett.“
Sprachlos, mit offenem Mund starrte meine Penelope mich an. Da erzählte ich mein Abenteuer, genüsslich langsam und mit breitem Schmunzeln:
Die 80-jährige, bescheidene Patientin war in unserer Praxis sehr beliebt. Drei Wochen zuvor hatte ich sie nach fast einstündigem „Gefecht“ transportfähig und vor allem transportwillig gemacht. Ich hörte noch ihr Röcheln: „Doktor, . . . bissken Lungenodöm, . . . dat können se . . . auch zu Hause . . .“
Ich war echt erleichtert, als mich die Tochter drei Wochen später, nach Omas Heimkehr, um einen Hausbesuch bat. Die versammelte Familie strahlte mit ihr um die Wette. Ich setzte mich freudig und mit Schwung auf die Kante des schweren, eichenen Bettes.
„Krach!“ sagte es da. – Ich stürzte rückwärts. Ein heftiger Schlag, und nach einer halben Rolle fand ich mich neben Oma Schade auf dem Boden sitzend, umrahmt vom hohen Gestell des Bauernbettes.
Entsetzt starrte ich meine Patientin an: Wirbel-, Rippen-, Arm- und Beinfrakturen schwirrten mir durch den Kopf. – Doch da spürte ich schon ihre filigranzarte Hand auf meinem Arm: „Gotteswillen! – Doktor, ist Ihnen auch nichts passiert . . .? – Ich, ich bin o. k.“
Da hielt sich Omas ganze Familie am Bettgestell fest vor Lachen. Wir Hauptdarsteller stimmten erleichtert ein. – Wenig später löste die Tochter die noch unausgesprochene Frage nach der Un-
glücksursache. – Sie hatte in Omas Abwesenheit das Bett gründlich überholt. Dabei war die korrekte Remontage des Bettrahmens offenbar nicht gelungen: Die Hausfrauen-Konstruktion hielt wohl die federleichte Greisin – nicht aber das Schwergewicht eines Sauerländer Landarztes.
Ein Jammer, dass man so etwas nicht selber zu sehen kriegt!
Entnommen aus: Klaus Peter Wolf: . . . ich will aber keinen Cognac!, Anekdoten aus 30 Jahren Landarztpraxis, Mit Illustrationen von Henry Stenmanns, Haag und Herchen, Frankfurt/Main, 2000, 15 DM

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