SUPPLEMENT: Praxis Computer
Praxismarketing und Arzneimittelverordnung: Mehr Eigenverantwortung wahrnehmen
Dtsch Arztebl 2000; 97(45): [22]


Die Arzneimittel-Richtgrößen wurden 1998 eingeführt. In Verhandlung mit den Kassen haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) der Länder die Arzneimittelbudgets festgelegt. Innerhalb dieser Volumina wurden jeweils für 14 Fachgruppen die Richtgrößen gebildet. Diese sind verbindliche Verordnungsvolumina für den Arzt. Überschreitungsschwellen als Aufgreifkriterien für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen (fünf Prozent) und die Regressierung (15 Prozent) regeln den Verantwortungsbereich des niedergelassenen Arztes. Überschreitungen können mit Unterschreitungen des zweiten Jahres kompensiert werden.
Zweierlei Gefahren ergeben sich aus diesem Szenario:
1. Durch die fehlende Transparenz gerät der Arzt, ohne es rechtzeitig zu bemerken, in regressgefährdete Bereiche.
2. Aus dieser Unsicherheit heraus fängt der Arzt an, zu sparen und damit im Kollektiv die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, die Richtgrößen künftig noch weiter zu senken (Schrumpfbudget). Hinzu kommt, dass er den Ansprüchen der Patienten nicht immer gerecht wird.
Zurzeit ist es so, dass bis zum Ende des 2. Quartals 2001 die Möglichkeit der Kompensation innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums besteht. Es sind somit nur noch wenige Monate, in denen der niedergelassene Arzt handeln kann. Diese Zeit sollte er nutzen – zur Verbesserung der Transparenz der eigenen Datenlage und zum konsequenten Handeln.
Vor diesem Hintergrund bilden folgende Fragen die Ausgangssituation für eine Analyse der Verordnungen: Wie kann der Arzt auch künftig eine qualitative und wirtschaftliche Verordnung sicherstellen, auf therapeutisch notwendige Innovationen zurückgreifen und zugleich weiterhin der Erwartungshaltung seiner Patienten gerecht werden, das heißt Praxismarketing betreiben?
Zunächst sollte sich der Arzt daher einen gut strukturierten Überblick über den Status quo des eigenen Verordnungsverhaltens verschaffen. Hierzu ist es notwendig, zeitnah über die entsprechenden Daten zu verfügen. Anhand einer Analyse mithilfe der Praxis-EDV lässt sich schnell erkennen, wie breit die Medikamentenpalette der Verschrei-bungen gefächert ist und wie sie beispielsweise unkontrolliert über Musterabgaben der Pharmaindustrie beziehungsweise Ersteinstellungen durch die Krankenhäuser gewachsen ist.
Was aber in diesem Zahlenwerk noch fehlt, ist die Orientierung im Vergleich zur Fachgruppe. Zwar stellt die KV regelmäßig entsprechende Daten zur Verfügung, jedoch mit einer Nachlaufzeit von sechs bis neun Monaten nach Quartalsende.
Marktforschungsstudie
„prescriber“
Unterstützung bietet hier eine Initiative der Firma medimed GmbH, Heidelberg, einer deutschen Tochter der europäischen Unternehmensgruppe Cegedim. Unter dem Namen „prescriber“ wurde Mitte 1999 eine groß angelegte Marktforschungsstudie begonnen. Diese erhebt in Zusammenarbeit mit den Softwareherstellern und der Pharmaindustrie auf wissenschaftlicher Basis die Arzneimittelverordnungsdaten jeder teilnehmenden Arztpraxis.
Dazu wird eine entsprechende Schnittstelle für die monatliche Datenerhebung kostenfrei zur Verfügung gestellt. Jeder Studienteilnehmer erhält nach Übermittlung seiner Daten ebenfalls kostenfrei einen detaillierten Überblick seiner Verordnungsdaten, ins Verhältnis gesetzt zu der entsprechenden Fachgruppe – und zwar nach KV-Zugehörigkeit und bundesweit. Aufgeschlüsselt wird nach Arzneimittelgruppen, Versichertenstatus sowie GKV und PKV. Sämtliche datenschutzrechtlichen Bestimmungen werden dabei beachtet. Die Teilnahme an der Studie wird mit 75 DM pro Monat beziehungsweise
900 DM pro Jahr honoriert. Die Praxisroutine bleibt unverändert: Die Erhebung erfolgt automatisch, und für die Übermittlung ist einmal monatlich lediglich ein Zeitaufwand von rund fünf Minuten erforderlich.
Die monatlich zur Verfügung gestellten Daten aus „prescriber“ vervollständigen die eigene Erhebung und ermöglichen es dem Arzt, Praxisbesonderheiten im Vergleich zur Fachgruppe aufzuspüren (Chemotherapeutika, Hormontherapien bei CA-Patienten und andere).
Übersichtliches Präparate-Sortiment
Die horizontale Analyse gibt Aufschluss darüber, wo und in welcher Menge in der Verordnung noch Ressourcen vorhanden sind, in welcher Indikationsgruppe der dringendste Handlungsbedarf vorliegt und wo mit wenigen Eingriffen Einsparungen möglich sind.
In der ausgedruckten Liste sämtlicher Arzneimittelverordnungen des letzten Quartals lassen sich alle Produkte der nach dieser Priorität bestimmten Indikationsgruppe (zum Beispiel B-Block, ACE-H, Ca-antag) markieren und nach Stoffgruppe (zum Beispiel B-Block) sowie nach Substanzen (Metoprolol, Bisoprolol etc.) weiter herunterbrechen. Danach kann die Entscheidung für die individuelle Hausapotheke getroffen werden. Der Arzt kann festlegen, wie viel Betablocker, H2-Blocker, Analgetika oder Theophylin-Präparate er sich „leisten“ kann. Die Zielsetzung dabei: Die Palette sollte so übersichtlich wie möglich und das Präparate-Sortiment so klein wie nötig sein.
Nachdem die individuelle Liste definiert ist, können die beteiligten Parteien informiert werden. Die Apotheker sollten wissen, was künftig in die Bevorratung gehört. Auch die Pharma-Referenten sollten wissen, woran sie mit dem Arzt sind.
Patienten informieren
Schwieriger und langwieriger gestaltet sich möglicherweise die Aufklärung und Umstellung der einzelnen Dauertherapieschemata bei den Patienten. Diese Aufgabe kann nach und nach in der Praxisroutine gelöst werden, beispielsweise durch einen Aushang im Wartezimmer, durch Handzettel für die betreffenden Patienten und durch aufklärende Gespräche mit den Praxisbesuchern. Im Laufe der Zeit lässt sich dadurch eine neue Qualität im Umgang mit den Patienten erreichen. Sie erkennen diese Initiative als Maßnahme, die ihnen zu Gute kommt.
Mit einer übersichtlichen „individuellen Hausapotheke“ und der monatlichen Erfolgskontrolle mithilfe von „prescriber“ hat der Arzt die Sicherheit, notwendige Innovationen ohne Wenn und Aber zu verordnen und berechtigte Patientenwünsche erfüllen zu können – ein praktiziertes Patientenmarketing, das sich in einem Dienstleistungsunternehmen immer auszahlt. Rolf-O. Peters
Kontaktadresse: Rolf-O. Peters, Krebsmatt 3, 79379 Müllheim/Britzingen, Telefon: 0 76 31/1 31 43, Fax 0 76 31/1 69 18
Tabelle 2: Bei den verordneten Arzneimittelgruppen werden – in der Priorität des Kostenanteils – die Indikationsgruppen (nach Roter Liste) im Vergleich zu den Fachkollegen aufgelistet. Ressourcen für Einsparungen findet man hier unter anderem im Bereich der Analgetika/ Antirheumatika. Der Arzt verordnet mehr als doppelt so teuer, wie der KV- und Bundesgebiets-Durchschnitt.
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