ArchivDeutsches Ärzteblatt49/2000Die Fußamputation Kaiser Friedrichs III.: Das Reich auf einem Bein

VARIA: Geschichte der Medizin

Die Fußamputation Kaiser Friedrichs III.: Das Reich auf einem Bein

Wagner, Wolfgang Eric

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS Ein Beispiel spätmittelalterlicher Chirurgie


Weh dem Kaiser Friedrich III., der den schmählichen Beinamen des Hinkenden bei aller Nachwelt erhalten wird, weil alles, was von seinen Taten in seinen letzten Lebensjahren aufgezeichnet werden mag, unter der Zierde dieses hässlichen Titels geschehen wird“, soll Friedrich III. (1439 bis 1493) gesagt haben, während ihm der linke Fuß abgenommen wurde. Und nachher: „Nun ist dem Kaiser und dem Reich zugleich ein Fuß abgesägt! Auf Kaiser Friedrichs Unversehrtheit gründete sich das Wohl des Reiches. Jetzt ist beiden die Hoffnung genommen, und beide sind nun vom Ruhmesgipfel auf den Unterkörper gefallen.“ Dabei soll der Monarch das soeben abgetrennte Glied betrachtend in den Händen gehalten haben. Sorge bereiteten dem Kaiser besonders die Auswirkungen auf das Reich, die die Fußamputation mit sich brachte,
jedenfalls soweit man ihm die von seinem Biografen Joseph Grünpeck überlieferten Äußerungen zuschreiben will.
Die schwere Operation des Kaisers war für die Zeitgenossen ein Ereignis. Das zeigt sich schon darin, dass sie mehrfach in Wort und sogar einmal im Bild festgehalten worden ist (Abbildung). Besonders aufschlussreich wegen seiner detaillierten Angaben ist der eigenhändige Krankheitsbericht, den einer der operierenden Wundärzte, Hans Suff (oder Seyff, Siff) von Göppingen, verfasst hat.
Demzufolge befielen den in Linz (Donau) weilenden Kaiser in der Fastenzeit 1493 Schmerzen im linken Bein. Zunächst sei der Fuß allmählich unempfindlich geworden und habe eine bleiche bis bläuliche Färbung angenommen. Dann habe er begonnen, von den Zehen auf-
wärts abzusterben und sich schließlich bis zur Wadenmitte schwarz zu färben. Als Ursache sah Hans Suff eine „opilacio, daz ist eine verstoppung“, an. Damit meinte er gemäß der antiken Viersäftelehre, dass einem Lebensgeist der Zugang verwehrt geblieben war. Der Kaiser sei bereits alt gewesen, und es habe ihm daher an natürlicher Wärme gemangelt. Aus heutiger Sicht deuten die geschilderten Symptome indes auf Altersbrand hin, verursacht durch Durchblutungsstörungen.
Operation als öffentliches Ereignis
Da sich Friedrichs Zustand in den folgenden Wochen mehr und mehr verschlechterte, entschloss man sich, das faulende Glied zu amputieren. Hierfür bemühte sich Friedrichs Sohn, Maximilian I., die berühmtesten Ärzte seiner Zeit herbeizuholen. Da die Operation der kaiserlichen Majestät als öffentliches Ereignis betrachtet wurde, fand sie am 8. Juni 1493, einem Sonntag, in Anwesenheit des Hofes statt.
An Ärzten waren Hans Suff zufolge die zwei gelehrten Leibärzte Maximilians I. und Friedrichs III. sowie fünf Wundärzte anwesend. Dem Text nach nahmen die Wundärzte den Eingriff vor, während die zwei studierten Leibärzte das Geschehen nur beobachteten. Drei der Wundärzte hätten den Kaiser festgehalten und Hans Suff und ein weiterer Kollege ihm mit einer kleinen Säge Fuß und Bein oberhalb der Wade abgeschnitten. Friedrich soll keine großen Schmerzen empfunden und auch nicht viel Blut verloren haben. Der Beinstumpf wurde verbunden und sei im Laufe der nächsten sechs bis zehn Wochen gut abgeheilt.
Folgt man der schriftlichen Schilderung des Operationsherganges, so spiegelt die unterschiedliche Zuständigkeit der beiden beteiligten Ärztegruppen die Zweiteilung der mittelalterlichen Medizin wider. Einer eher theoretisch orientierten lîparzenîe oder physica, die an den Universitäten gelehrt und gelernt wurde, stand die praxisbezogene wuntarzenîe gegenüber, zu der als hantwirkunge auch die Chirurgie gehörte. Ihre Ursache hatte diese Zweigliedrigkeit im Einfluss von Theologie und Kirchenrecht auf die Heilkunde. Geistlichen war es durch Konzilsbeschlüsse und päpstliche Verordnungen untersagt, den medizinischen Beruf praktisch und speziell die Chirurgie auszuüben.
Tod des Kaisers durch Schlaganfall
Beiden Vorschriften durften sich Kleriker nicht widersetzen, und deshalb wichen sie auf die theoretische Beschäftigung mit der inneren Medizin, der physica, aus. Dadurch wurde die praktische Heiltätigkeit teilweise für Laien freigegeben.
Immerhin zehn Wochen hat der betagte Kaiser die schwere Operation überlebt. Über die Ursache, die letztlich zu seinem Tod führte,
gehen die überlieferten Berichte auseinander. Hans Suff nennt mehrere Ursachen, die gemeinsam Friedrichs Tod bewirkt hätten: Die Schwä-
chung durch die Amputation, sein hohes Alter und nicht zuletzt sein traditionelles Fasten zu Maria Himmelfahrt. Gegen den ausdrücklichen Rat seiner Ärzte habe der Kaiser auch in diesem Jahr gefastet, wodurch er einen Schlaganfall erlitt und am 19. August 1493 starb.
Dr. phil. Wolfgang Eric Wagner


Grafische Sammlung Albertina Wien, Miniatur 22475 (circa 17,5 × 14,5 cm)

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote