VARIA: Immobilien
Zwangsversteigerung: Schnäppchen vom Auktionator


Bekanntgemacht werden bevorstehende Zwangsversteigerungen beim zuständigen Amtsgericht durch öffentlichen Aushang und durch ein Inserat im jeweiligen Amtsblatt. Aber auch spezielle Publikationen – etwa der regelmäßig publizierte "Versteigerungskalender" der Ratinger Argetra GmbH – weisen auf bevorstehende Termine hin. Schließlich sind auch die Kreditabteilungen von Banken und Sparkassen in ihrer Funktion als Gläubiger meist über bevorstehende Versteigerungstermine infomiert.
Bereits vor dem Versteigerungstermin sollten sich potentielle Käufer über die Immobilie informieren: Beim Grundbuchamt erfahren Interessenten, welche Belastungen auf dem Objekt liegen. Dies kann etwa – eingetragen in Abteilung II des Grundbuchs – das lebenslange Wohnrecht für die Oma des bisherigen Eigentümers sein, ein Wege- oder Leitungsrecht, oder es können auch – eingetragen in Abteilung III – Grundschulden und Hypotheken sein, die auf der Immobilie lasten. Hier erkennt der Interessent auch, wer die Zwangsversteigerung veranlaßt hat. Dies kann sich lohnen: Häufig kann in Verhandlungen mit dem Gläubiger erreicht werden, daß das Objekt nicht zwangsversteigert, sondern unmittelbar zu einem akzeptablen Preis – Faustregel: 60 bis 90 Prozent des Verkehrswertes – verkauft wird.
Einblick beim Amtsgericht
Beim Amtsgericht, meist aber auch bei der Gläubigerbank, können Interessenten Einblick in das
Verkehrswertgutachten nehmen, bei dem sich neben einer Baubeschreibung auch eine Liste vorhandener
Mängel befindet. Auskünfte über unklare rechtliche Fragen erteilt der jeweilige Rechtspfleger, dessen Dienste
insbesondere von Laien in jedem Fall in Anspruch genommen werden sollten. Keinesfalls verlassen sollten sich
potentielle Käufer jedoch auf das Gutachten als alleinigen Bewertungsmaßstab.
Mindestens ebenso wichtig erscheint eine Besichtigung des Objekts, wobei die bisherigen Eigentümer beziehungsweise Mieter eine Innenbesichtigung rechtlich zwar zulassen können, aber nicht zulassen müssen.
Achten sollten Interessenten dabei – wie bei jedem anderen Immobilienkauf auch – auf die Lage des Objekts,
seine Verkehrsanbindung und die Infrastruktur vor Ort. Hinsichtlich der Bauqualität sollte zumindest bei
Altbauten regelmäßig ein Fachmann hinzugezogen werden, gegebenenfalls ist ein weiteres Gutachten
einzuholen: Versteckte Mängel, die der Laie zweifellos übersehen würde, lassen sich auf diese Weise schneller
erkennen. Wissen sollte jeder Interessent dabei, daß im Falle von Baumängeln oder -schäden
Gewährleistungsansprüche im Zwangsversteigerungsrecht ausgeschlossen sind.
Im Vorfeld zur Versteigerung sollte die Finanzierung des geplanten Immobilienerwerbs verbindlich abgeklärt
werden: Eine mündliche Zusage der Bank oder Sparkasse genügt dabei regelmäßig nicht, vielmehr sollte jeder
Interessent schon aus Gründen der eigenen Absicherung bereits alle entsprechenden Absprachen schriftlich
fixieren lassen. Das Geldinstitut kann auch die erforderliche Sicherheitsleistung bereitstellen: Nach erfolgtem
Zuschlag muß der Meistbietende eine Sicherheit in Höhe von zehn Prozent des Zuschlags hinterlegen, wobei
diese Sicherheit zwar auch in Form von Bargeld, meist aber in Form eines bankbestätigten (!) Schecks oder
einer Bankbürgschaft geleistet wird.
Um die Gepflogenheiten einer Immobilienversteigerung kennenzulernen, sollte jeder potentielle Käufer
Erfahrungen sammeln: Beim Besuch anderer Versteigerungstermine als Zuschauer erkennt man schnell die
"alten Hasen", die etwa Mitbieter dadurch verunsichern, daß sie in "krummen" Beträgen steigern – wobei der
Rechtspfleger jeden gebotenen DM-Betrag akzeptieren muß. In jedem Fall sollte man sich jedoch ein eigenes
Limit setzen: Immer wieder kommt es vor, daß sich Interessenten von der Atmosphäre im Auktionssaal
mitreißen lassen und letztlich wesentlich mehr bezahlen als eigentlich beabsichtigt oder überhaupt notwendig.
Beim eigentlichen Versteigerungstermin müssen sich alle Interessenten mit Paß oder Personalausweis
legitimieren, Vollmachten werden nur im Falle einer notariellen Bestätigung anerkannt. Zunächst werden im
sogenannten "Bekanntmachungsteil" die rechtlichen Formalien erledigt. Achten sollten Interessenten dabei
darauf, ob das Objekt lastenfrei übernommen werden kann oder ob noch Grundschulden oder Hypotheken mit
zu übernehmen sind. Auch Mieter mit langfristigen Mietverträgen oder gar einem Nießbrauch oder einem
Wohnrecht können den Wert eines Objekts deutlich mindern, ebenso alle anderen Grundbucheintragungen, die
durch die Zwangsversteigerung nicht berührt werden. Wird eine Immobilie erstmals versteigert, darf der
Zuschlag im Interesse des bisherigen Eigentümers nicht unter 50 Prozent des Verkehrswertes liegen.
Taktik der Gläubiger
Erst bei einem zweiten Termin darf diese Grenze grundsätzlich auch unterschritten werden, wobei dabei meist
die Gläubigerbanken zur Rettung ihrer Forderungen mitsteigern. Allerdings darf die Unterschreitung der 50Prozent-Marke auch nicht eine für den Schuldner sittenwidrige Härte darstellen: Nach Gerichtsurteilen liegt
die unterste Schwelle für den Zuschlag zwischen 35 und 40 Prozent des Verkehrswertes. Beim Ersttermin
haben aber auch die Gläubiger noch ein Mitspracherecht:
Werden bei der Versteigerung nicht mindestens 70 Prozent des Verkehrswertes erreicht, kann der Gläubiger
den Zuschlag versagen, wenn ihm dadurch Forderungsausfälle entstehen.
Abgegeben werden die Gebote in der sogenannten "Bietstunde", die auch tatsächlich mindestens eine Stunde
dauern muß – wobei meist eine relativ lange Anlaufphase vorausgeht. Erst in den letzten Minuten kommt oft
Hektik auf, wobei jeder Bieter hier weise Selbstbeschränkung hinsichtlich der eigenen Gebote üben sollte. Ist
der Zuschlag an den Meistbietenden erteilt, folgen die sogenannten "Verhandlungen über den Zuschlag". Hier
kann etwa ein Gläubiger beantragen, den Zuschlag wegen Nichterreichens der 70-Prozent-Grenze zu versagen,
jetzt muß auch die verlangte Sicherheitsleistung von meist zehn Prozent des Erlöses erbracht werden. Der
restliche Kaufpreis ist dann innerhalb von etwa sechs Wochen beim sogenannten "Verteilungstermin" zur
Zahlung fällig. Der Eigentümerübergang erfolgt jedoch unmittelbar mit dem Zuschlag, sofern nicht – was
selten ist – im Beschwerdeweg der Zuschlagsbeschluß aufgehoben wird. Peter Jobst