POLITIK
GKV-Finanzentwicklung: Gerade noch ein kleiner Überschuss


doch noch führt die gute konjunkturelle Lage zu steigenden Einnahmen.
Die niedergelassenen Ärzte sind jedoch nicht zufrieden.
Geschätzt war eine Milliarde DM, nun sind es 600 Millionen: So hoch ist der Überschuss in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 2000 ausgefallen. In den neuen Bundesländern betrug er knapp eine Milliarde DM, in den alten entstand ein Defizit von 340 Millionen DM. Die beitragspflichtigen Einnahmen stiegen bundesweit um 1,7 Prozent (West: 1,8/Ost: 1). Das GKV-Finanzvolumen betrug 261 Milliarden DM (1999: 256 Milliarden DM).
Das Ergebnis lässt sich in erster Linie auf die zusätzlichen GKV-Einnahmen von geringfügig Beschäftigten zurückführen. Die Beiträge für die ausschließlich geringfügig Beschäftigten summierten sich zu 2,3 Milliarden DM. Addiert man die Zahlungen für jene hinzu, die neben einem regulären Arbeitsverhältnis zusätzlich in geringem Umfang arbeiteten, sind es etwa drei Milliarden DM.
Die Leistungsausgaben stiegen 2000 gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 2,1 Prozent je Mitglied (Tabelle). In den alten Ländern betrug der Zuwachs 1,8 Prozent, in den neuen 2,9 Prozent. Bei der Vorlage der Statistik wies Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) darauf hin, dass im vergangenen Jahr erstmals die hohe Verschuldung der ostdeutschen Krankenkassen abgebaut wurde. Ende 1998 lag sie noch bei rund 1,6 Milliarden DM, Ende 2000 bei 0,7 Milliarden DM. Allerdings flossen im Rahmen des gesamtdeutschen Finanzausgleichs 2000 rund 2,6 Milliarden DM von den alten in die neuen Länder.
Dass sich die Einnahmen der GKV erhöht haben, ist nicht darauf zurückzuführen, dass sie viel mehr Mitglieder als vorher versicherte. Deren Anzahl hat sich in den letzten fünf Jahren kaum verändert (knapp 51 Millionen Männer und Frauen), ebenso wenig die der mitversicherten Familienangehörigen (rund 20 Millionen). Die höheren Einnahmen 2000 sind Folge der guten Konjunktur und der Lage am Arbeitsmarkt. Steigen Löhne und Gehälter, fließt ein größerer Anteil als zuvor zur Krankenkasse, wenn das Einkommen eines GKV-Versicherten die Beitragsbemessungsgrenze noch nicht erreicht hat. Auch ihre jährliche Anpassung ist im Übrigen von der Entwicklung der Löhne und Gehälter abhängig. Der Rückgang der Arbeitslosenzahlen hat sich ebenfalls positiv bemerkbar gemacht. Zwar zahlen die Arbeitsämter für Arbeitslose Beiträge, doch im Durchschnitt weitaus geringere, als wenn die Betroffenen arbeiten würden.
Das Einnahmeplus ist mit 1,7 Prozent nicht üppig ausgefallen. Es ist jedoch insofern beachtenswert, als seit längerem die negativen Effekte beklagt werden, die sich aus dem Kassenwechsel von immer mehr GKV-Versicherten ergeben. Wer sich eine Krankenkasse mit einem niedrigeren Beitragssatz aussucht, entzieht dem GKV-System Geld. Nach Schätzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) summieren sich diese Fehlbeträge inzwischen auf etwa 1,5 Milliarden DM pro Jahr. Sofern Krankenkassen ihre Beitragssätze nicht entsprechend erhöhen, bleibt es bei dem Fehlbetrag. Irgendwann müssten theoretisch die Einnahmen der GKV sinken. Dass das 2000 nicht der Fall war, ist darauf zurückzuführen, dass die einkommensteigernden Einflüsse den Beitragsschwund überkompensiert haben.
Entspannung ist deshalb nicht angesagt. Ulla Schmidt geht zwar davon aus, „dass in diesem Jahr die Beitragssätze im Durchschnitt stabil gehalten werden“. Dass der GKV zusätzliche Belastungen bevorstehen, sei aber bekannt. Unter anderem muss sie auf 1,2 Milliarden DM an Beiträgen von Arbeitslosen verzichten. Auf diesen Kompromiss hatten sich im vergangenen Jahr An-
drea Fischer und Bundesarbeitsminister Walter Riester verständigt. Dazu kommen Einbußen als Folge zweier Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die die Einmalzahlungen beim Krankengeld betreffen (schätzungsweise eine Milliarde DM) und die beanstandete Beitragsbemessung bei freiwillig versicherten Rentnern (schätzungsweise 500 Millionen DM).
„Die niedergelassenen Ärzte in den neuen Bundesländern haben keinen Grund, sich über die Finanzentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu freuen“, kommentierte Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, der Erste Vorsitzende der KBV, das Ergebnis. Der gesamtdeutsche Finanzausgleich habe zwar die Kassen entlastet. Für die ambulante Versorgung der Patienten im Osten stehe aber weiterhin zu wenig Geld zur Verfügung. Auch für die niedergelassenen Ärzte im Westen bestehe kein Grund zur Freude. Das Plus von 1,6 Prozent für die ärztliche Behandlung gilt nämlich je Mitglied. Dazu kommt aber noch die Versorgung beitragsfrei mitversicherter Familienangehöriger.
Innovationen kosten Geld
Die Entwicklung der Arzneimittelausgaben belegt nach den Worten des KBV-Vorsitzenden, dass die niedergelassenen Ärzte wirtschaftlich verordnet haben. Das Plus sei bedingt durch Innovationen, eine Intensivierung der Behandlungsstrategien bei chronischen Erkrankungen und eine Zunahme der Härtefälle. Bei der Vorlage der GKV-Statistik hatte die Bundesgesundheitsministerin bekräftigt, dass sie keine Vollstreckung des Kollektivregresses für überzogene Arznei- und Heilmittelbudgets 1999 und 2000 wolle. Alternativen zur bisherigen Regelung will Schmidt Ende März/Anfang April vorlegen. „Die Ärzte bleiben in der Verantwortung für eine wirtschaftliche Arzneimitteltherapie, auch wenn der Kollektivregress durch ein anderes Instrument ersetzt werden wird“, ergänzte sie aber.
Auch in Zukunft könne nicht auf die Ausschöpfung von Reserven bei der Arzneimittelversorgung verzichtet werden. Die Ministerin kündigte an, bis Juli solle es eine vorübergehende Lösung für die umstrittene Festbetragsfestsetzung geben, die ein Einsparvolumen von 500 bis 800 Millionen DM ermöglichen werde. Bis 2003 soll die Festbetragsproblematik abschließend geregelt sein. Sabine Rieser
´Tabelle CC´
Leistungsausgaben der GKV 2000 im Vergleich zu 1999
(Veränderungsraten je Mitglied in Prozent)
GKV-Bund Ostausgaben in
(GKV West/GKV Ost) v.H. der Westausgaben
je Versicherten
Ärztliche Behandlung 1,6 (1,3/2,4) 77,7
Zahnärztliche Behandlung
(ohne Zahnersatz) –0,1 (–0,4/1,2) 102,9
Zahnersatz 8,5 (7,4/14,0) 90,6
Arzneimittel 4,9 (4,2/8,2) 111,5
Hilfsmittel 4,9 (4,9/4,7) 93,4
Heilmittel –0,3 (–1,0/3,9) 72,3
Krankenhausbehandlung 1,4 (1,4/1,2) 101,0
Krankengeld –0,9 (0,0/–6,1) 87,7
Fahrkosten 4,4 (4,7/3,5) 122,8
Vorsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen 1,0 (0,9/1,4) 83,0
Soziale Dienste/Prävention 8,3 (6,8/15,0) 111,4
Häusliche Krankenpflege –0,5 (–1,7/5,5) 94,6
Leistungsausgaben insgesamt 2,1 (1,8/2,9) 95,4
Verwaltungskosten 0,7 (–0,7/0,4) 101,8
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