ArchivDeutsches Ärzteblatt30/2001Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Prionen-Nachweis und iatrogenes Risiko

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Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Prionen-Nachweis und iatrogenes Risiko

Mertens, Stephan

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LNSLNS Eine Arbeitsgruppe von der MRC Prion Unit vom Imperial College of Medicine in London konnte in Gewebeproben von vier Patienten, die an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) verstorben waren, Prionen in der Retina, dem Sehnerv, im Rektum, den Nebennieren und dem Thymus nachweisen (Lancet 2001; 358: 164–165, 171–180, 208–209). Zudem gelang der Prionen-Nachweis im ZNS, Tonsillen, Milz und Lymphknoten und bestätigt damit vorangegangene Experimente. Mithilfe eines zusätzlichen Präzipitationsschritts mit Natrium-Phosphotungstat verbesserten Wadsworth und Mitarbeiter den Nachweis der infektiösen Variante des Prionproteins beträchtlich. Nun können Prionen in Konzentrationen detektiert werden, die um das 10 000- bis 100 000fache niedriger sind, als sie im Hirn von CJD-Patienten vorkommen. Keine Prionen wurden in Leukozyten und Thrombozyten sowie im Appendix gefunden.

Diese Ergebnisse stehen allerdings im Widerspruch zu vorhergehenden Experimenten: 1998 wurde einem Patienten vor Beginn der CJD-Symptomatik der Appendix entnommen und positiv auf Prionen getestet. Dieser Befund führte zu der Initiative, Appendices anonymisiert auf Prionen zu untersuchen, um epidemiologische Anhaltspunkte für (noch) asymptomatische CJD-Träger zu erfassen. Aufgrund der neuen Ergebnisse fordert die Arbeitsgruppe um Prof. John Collinge (London), ein vergleichbares Screening mit Tonsillen durchzuführen, die bei CJD-Patienten regelmäßig positiv getestet werden, und die (negativen) Ergebnisse von mehreren Tausend untersuchten Appendices neu zu bewerten. Dass weder in Blutzellen noch im Plasma Prionen nachgewiesen wurden, ist im Hinblick auf die Abhängigkeit von Blutspenden beruhigend.

Entwarnung kann allerdings nicht gegeben werden, denn Scrapie – die CJD-Variante bei Schafen – konnte in einem Fall von einem symptomfreien, aber mit Prionen infizierten Schaf mittels Transfusion von Vollblut auf ein gesundes Schaf übertragen werden (Lancet 2000; 356: 999–1000). Die Forscher betonen, dass die Ergebnisse nur von vier Patienten stammen und einige Gewebe, beispielsweise gastrointestinalen Ursprungs, noch nicht untersucht wurden. Ob weitergehend Vorsichtsmaßnahmen bei der Desinfektion von chirurgischen Instrumenten vonnöten sind, die mit potenziell infiziertem Gewebe in Kontakt kommen, kann momentan nicht beantwortet werden. In Großbritannien werden Tonsillektomien nur noch mit Einweginstrumenten durchgeführt. Dr. Stephan Mertens

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