ArchivDeutsches Ärzteblatt33/2001Neue Therapiekonzepte der pulmonalen Hypertonie

MEDIZIN: Editorial

Neue Therapiekonzepte der pulmonalen Hypertonie

Seeger, Werner

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LNSLNS Die pulmonale Hypertonie ist eine schwerwiegende Erkrankung, die aufgrund unspezifischer Symptome und aufwendiger Diagnostik oftmals lange übersehen wird. Jüngste Untersuchungen haben Mutationen des Bone Morphogenetic-Protein-Receptor-II- (BMPR-II-)Gens identifiziert, die für einen Teil der Formen der primären pulmonalen Hypertonie verantwortlich sind. Ein zweiter kausal assoziierter Genlocus wird gegenwärtig intensiv beforscht.
Die genetisch determinierte familiäre Form der primären pulmonalen Hypertonie ist sicherlich eine sehr seltene Erkrankung. Dagegen kommen die chronische Lungenembolie sowie die pulmonale Hypertonie im Rahmen von Herzvitien, Kollagenosen, HIV-Infektion, Lungenerkrankungen und Lebererkrankungen erheblich häufiger vor. Bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, einer Volkskrankheit mit Millionen Betroffenen allein in Deutschland, entwickelt sich oft nur eine leichte pulmonale Druck- und Widerstandserhöhung, die jedoch bei einer Exazerbation der Grundkrankheit zu einem bedrohlichen Risiko mit final dekompensierendem Cor pulmonale werden kann.
Der Beitrag von Spiekerkötter et al. in dieser Ausgabe informiert über die aktuelle diagnostische Klassifikation der pulmonalen Hypertonie (5), die gegenwärtigen Therapieoptionen und einige der laufenden Entwicklungen. Die Therapiekonzepte der pulmonalen Hypertonie sind vorrangig für die primäre pulmonale Hypertonie evaluiert worden. Diese Erkrankung eignet sich hierfür besonders, weil die Patienten meist relativ jung sind, einen rasch progredienten Verlauf zeigen und nur wenige komplizierende Begleiterkrankungen aufweisen. Es ist zu erwarten – bleibt aber im Einzelfall zu prüfen –, dass die Ergebnisse häufig auch auf die verschiedenen Formen der sekundären pulmonalen Hypertonie übertragen werden können.
Die intravenöse Dauertherapie mit Prostazyklin bewirkte eine signifikante Verbesserung der Lebenserwartung und der körperlichen Belastbarkeit von Patienten mit primärer pulmonaler Hypertonie im NYHA-Stadium III–IV. Ein solcher Effekt wurde dagegen bei Patienten in niedrigeren Stadien nicht nachgewiesen. Das mag besonders damit zusammenhängen, dass die Therapie selbst erhebliche Risiken für den Patienten beinhaltet, insbesondere katheterassoziierte septische Komplikationen und Rechtsherzdekompensation bei abrupter Therapieunterbrechung. Als weiteres Problem ist eine Tachyphylaxie bekannt, die zu einer meist kontinuierlichen Dosissteigerung zwingt und damit die Therapiekosten in die Höhe treibt (1).
Die intravenöse Zufuhr von stabilen Analoga von Prostazyklin, wie dem in Deutschland verfügbaren Iloprost, kann die Problematik der Therapieunterbrechung abmildern, es bleiben jedoch die Risiken des Katheterzugangs und systemische Nebenwirkungen, welche die Therapie erheblich limitieren können.
Inhalative Applikation von Prostanoiden effektiv
Als Alternative, zur Vermeidung dieses Nebenwirkungsprofils und der Fokussierung des Effekts auf die pulmonale Strombahn, wurde in Gießen das Konzept der inhalativen Applikation von aerosoliertem Iloprost entwickelt (3). Diese Anwendungsform eines Prostanoids erscheint nach gegenwärtiger Studienlage klinisch effektiv, wobei die erforderliche Dosis erstaunlich gering ist (2, 4). Weitere kontrollierte Studien zur Langzeitwirkung und zur Sicherheit von inhalativem Iloprost stehen kurz vor dem Abschluss, mit dem Ziel, die Zulassung für dieses alternative Verfahren der Prostanoidapplikation bei pulmonaler Hypertonie zu erlangen.
Die weitere rasante Entwicklung von Medikamenten für die pulmonale Hypertonie umfasst parallel weltweit angelegte zulassungsorientierte Studien für ein subkutan infundiertes stabiles Prostazyklinanalogon (Remodulin), ein orales Analogon (Beraprost) und einen Endothelinantagonisten (Bosentan). Die Anwendung des spezifischen Phosphodiesterase- (PDE-)Inhibitors Sildenafil war klinisch in Einzelfällen erfolgreich. Besonders die Kombination von PDE-Inhibitoren mit nichtinvasiven Verfahren der Prostanoidapplikation wird voraussichtlich zu einer erheblichen Verbesserung der Therapieoptionen führen.
Ärzte und Patienten besser informieren
Ein strukturelles Problem in Deutschland ist die unzureichende Information der Patienten und Ärzte über die Erkrankungsformen der pulmonalen Hypertonie und die unzureichende Übersicht über die therapiebedürftigen Patienten. Die Gründung des Selbsthilfe- und Fördervereins für Pulmonale Hypertonie (E-Mail: PPHeV@aol.com; Homepage: www.members.aol.com/pphev/start.htm) und des Deutschen Registers für Pulmonale Hypertonie unter der Schirmherrschaft sowohl der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie als auch der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (E-Mail: Thomas.Schmehl@innere.med.uni-giessen.de; Homepage: www.med.uni-giessen.de/ph-regist), stellen diesbezüglich wesentliche Fortschritte dar.
Aufgrund der Komplexität der Erkrankung und der Dynamik der gegenwärtigen Entwicklung zu neuen Therapiestrategien sollten Patienten mit schweren Formen der pulmonalen Hypertonie bevorzugt in einem hierfür spezialisierten Zentrum vorgestellt werden.

zZitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 2102–2104 [Heft 33]

Literatur
1. Badesch DB, Tapson VF, McGoon MD, Brundage BH, Rubin LJ, Wigley FM, Rich S, Barst RJ, Barrett PS, Kral KM, Jobsis MM, Loyd JE, Murali S, Frost A, Girgis R, Bourge RC, Ralph DD, Elliott CG, Hill NS, Langleben D, Schilz RJ, Mc Laughlin VV, Robbins IM, Groves BM, Shapiro S, Medsger TA Jr: Continuous intravenous epoprostenol for pulmonary hypertension due to the scleroderma spectrum of disease. A randomized, controlled trial. Ann Intern Med 2000; 132: 425–434.
2. Hoeper MM, Schwarze M, Ehlerding S, Adler-Schuermeyer A, Spiekerkoetter E, Niedermeyer J, Hamm M, Fabel H: Long-term treatment of primary pulmonary hypertension with aerosolized iloprost, a prostacyclin analogue. N Engl J Med 2000; 342: 1866–1870.
3. Olschewski H, Seeger W: Pulmonale Hypertonie. Bremen: UNI-MED Verlag AG 2000 (ISBN 3-89599-482-0).
4. Olschewski H, Ghofrani HA, Schmehl T, Winkler J, Wilkens H, Höper M, Behr J, Kleber FX, Seeger W, and the German PPH study group: Inhaled iloprost to treat severe pulmonary hypertension. An uncontrolled trial. German PPH study group. Ann Intern Med 2000; 132 (6): 435–443.
5. Rich S, ed.: Primary pulmonary hypertension: Executive Summary from the World Symposium – Primary Pulmonary Hypertension 1998. Available from the World Health Organization via the Internet (http://www.who.int/ncd/cvd/pph.html).

Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Werner Seeger
Zentrum für Innere Medizin
Medizinische Klinik II und Poliklinik
Universitätsklinikum Gießen
Klinikstraße 36
35392 Gießen

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