VARIA: Feuilleton
Das Donauschwäbische Zentralmuseum: Menschliche Schicksale


Das Donauschwäbische Zentralmuseum gibt dem Interessierten Einblick in die Geschichte derjenigen Schwaben, die mit ihren Familien die Heimat verließen und sich im Osten Europas ansiedelten. Wo könnte man besser geschichtliche Ereignisse nachvollziehen als in den Räumen eines historischen Gebäudes? Eine so genannte Defensivkaserne, das Reduit, Teil der oberen Donaubastion, die wiederum Teil der Bundesfestung Ulm ist, schien der richtige Rahmen für solch ein Vorhaben. Der von Turm zu Turm 140 Meter umfassende Bau steht seit 1974 unter Denkmalschutz. Die Wehranlage mit zahlreichen Festungsbauten wurde Mitte des 19. Jahrhunderts um die ganze Stadt angelegt. In einer Zeit, in der die mächtige Reichsstadt Ulm zu einer nur noch 12 000 Einwohner zählenden Provinzstadt herabgesunken ist, bauen 8 000 Arbeiter die gewaltige Bundesfestung.
Bevor man mit der Verwirklichung des Museums beginnen konnte, musste die Stadt Ulm das Reduit zuerst vom Bund erwerben. Die Kosten für die fünf Jahre dauernde Sanierung teilten sich die Stadt, das Land und der Bund. Beim Anlegen der verschiedenen Ausstellungsräume soll-
te die ursprüngliche Architektur mit Tonnengewölbe und den Truppen- und Geschützkasematten beibehalten werden, soweit es technisch zu verwirklichen war. Lediglich dem Einbau des Treppenaufgangs und eines Aufzugs fiel ein Gewölbe zum Opfer. Außerdem sind es von der Anlage bis zur Donau nur ein paar Meter. Gerade dort stiegen vor 300 Jahren die Siedler, denen das Museum gewidmet ist, in die „Ulmer Schachteln“, mit denen sie ins „Ungarnland“ reisten. Mit einer Schachtel hatte der rechteckige Aufbau Ähnlichkeit, der zur Unterbringung von Passagieren und wertvollem Gepäck diente. Das Boot, eine flache aus Holz gebaute Zille, war ansonsten ein wichtiges und sicheres Transportmittel für Personen und Waren. Den süddeutschen Bauern ist der Abschied aus ihrer Heimat bestimmt nicht leicht gefallen. Doch oftmals zwang die wirtschaftliche Situation dazu, neue Lebenswege zu gehen. Manch einer verspürte einfach nur Abenteuerlust und folgte dem Zug nach Osten. Viele Landstriche in Ost- und Südosteuropa waren nach dem Zurückdrängen der Türken (1683–1686) nur noch dünn besiedelt. Die Habsburger Monarchie baute in einigen Gebieten des damaligen Ungarn neue Dörfer und ermöglichte es Menschen aus dem Süden Deutschlands, eine neue Bleibe zu finden.
Ein Holzmodell der „Ulmer Schachtel“
Fotos: DZM
Die politischen Ereignisse zwischen 1914 und 1938 veränderten die Situation der Umsiedler grundlegend. Nach der Neuregelung der Grenzen waren aus den Donauschwaben deutsche Minderheiten geworden, die entweder in Ungarn, Rumänien oder Jugoslawien lebten. Vielleicht waren sie gerade aus diesem Grund häufig für die Ideen des großdeutschen Reiches zu begeistern. Zu den wichtigen Ereignissen während dieser Zeit kann der Besucher umfangreiches historisches Bildmaterial, Texte und Filmausschnitte an den drei Bildschirmen der interaktiven Medienstation abrufen.
Mannshohe Formulare, Gesundheitsbescheinigungen oder Einweisungsscheine erzählen von menschlichen Schicksalen. Eine der größten und unmenschlichsten Bevölkerungsverschiebungen fand nach 1938 im östlichen und südöstlichen Europa statt. 21 Millionen Menschen waren auf der Flucht, zusätzlich zu den sechs Millionen europäischen Juden, die deportiert und ermordet wurden. Unter den Flüchtlingen waren auch viele Nachkommen der Donauschwaben, die es in die Heimat ihrer Vorfahren zog. Eine schwierige Aufgabe für das vom Krieg geschädigte Deutschland, den Flüchtlingsstrom aufzunehmen.
Die nun offenen Grenzen ermöglichen heute den so genannten Spätaussiedlern, Nachkommen der ersten Auswanderungsbewegung, eine Rückkehr nach Deutschland. Monika Hamberger
Weitere Informationen: Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum Schillerstraße 1
89077 Ulm
Tel.: 07 31/9 62 54-0 Fax: 07 31/9 62 54-2 00 E-Mail: info dzm-mu seum.de, Internet: www.dzm-museum.de
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Abbildung
Ein Holzmodell der „Ulmer Schachtel“
Fotos: DZM
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