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Wirtschafts-Gutachten: Untergegangen


Der Sachverständigenrat kritisiert massiv die Politik der Bundesgesundheitsministerin. Anstatt die Probleme an der Wurzel zu packen, habe sie wiederholt nur die Symptome behandelt. Der Gesundheitspolitik fehle eine klare Konzeption, infolgedessen werde der durchschnittliche Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung im nächsten Jahr auf 14 Prozent steigen. Besonders missfällt den Ökonomen, dass die Ministerin den Preisabschlag von vier Prozent bei nicht festbetragsgebundenen Arzneimitteln wieder zurückgenommen hat, um im Gegenzug einmalig 400 Millionen DM von der pharmazeutischen Industrie zu kassieren. Ein allokativ nachteiliger Staatseingriff sei durch einen anderen ersetzt worden. Die Annahme des Geldes zeuge nicht von einem guten Politikstil und komme einem „Ablasshandel“ gleich.
„Unklar“ ist den Experten, warum ab 2003 ein Risikopool für teure Leistungsfälle eingeführt werde und zeitgleich die Behandlungsprogramme für chronisch Kranke in den Risikostrukturausgleich (RSA) integriert werden. Da die chronischen Krankheiten einen Großteil der voraussehbar teuren Behandlungsfälle abdeckten, sei die zusätzliche gesetzliche Verankerung eines getrennt vom RSA operierenden Finanzausgleichs überflüssig.
Den Übergang zum diagnosebasierten Vergütungssystem im Krankenhaus begrüßen die Professoren. Die durch die Fallpauschalen induzierten Anreize dürften den hohen Verweildauern in deutschen Krankenhäusern entgegenwirken, meinen sie. Ein weiterer Vorteil des neuen Entgeltsystems liege in der verbesserten Transparenz. Die Einführung eines flächendeckenden Fallpauschalensystems enthalte aber auch Risiken. Sicherzustellen sei vor allem, dass es nicht zu Qualitätsminderungen komme. Zudem biete das durch mangelnde Verzahnung gekennzeichnete System den Krankenhäusern die Option, den ambulanten Bereich als „Verschiebebahnhof“ zu nutzen, indem Kosten und „Fälle“ dorthin verlagert würden. Jens Flintrop
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