POLITIK
Aids-Impfstoff-Forschung: Licht am Ende des Tunnels


– von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet –
im internationalen Verbund entscheidende Beiträge.
Nach Jahren der Stagnation hat die Impfstoffentwicklung im Bereich Aids wichtige Etappenziele erreicht – und das mit entscheidender Unterstützung deutscher Wissenschaftler, wie die Deutsche Aids-Stiftung auf einer Pressekonferenz anlässlich des Welt-Aids-Tages in Bonn berichtete. Mehr als zwanzig deutsche Firmen und Forschungseinrichtungen sind, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, an der Entwicklung einer HIV-Vakzine beteiligt. An den hiesigen Untersuchungen – sie beinhalten Grundlagenforschungen ebenso wie klinische Studien – nehmen nicht nur die Universitäten Regensburg, Würzburg, Erlangen, Hamburg, Frankfurt, Freiburg und Leipzig teil; auch Großforschungseinrichtungen wie die Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft, das Deutsche Primatenzentrum (Göttingen), das Bernhard-Nocht-Institut (Hamburg), das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (München), das Paul-Ehrlich-lnstitut (Langen), das Robert Koch-Institut (Berlin) sowie die Impfstoffwerke Dessau-Tornau (Rosslau), die BioTech-Firma Bavarian Nordic (Martinsried), die Gene Art GmbH (Regensburg) und die Strathmann AG (Hamburg) liefern wertvolle Bausteine.
„Die Aids-Epidemie hat katastrophale Ausmaße erreicht, vor allem in Afrika, Asien und Osteuropa; weltweit werden pro Tag 15 000 HIV-Infektionen neu diagnostiziert“, sagte Ulrich Heide von der Deutschen Aids-Stifung. Daher sei für die Menschen in Entwicklungsländern eine Impfung die einzige, mittelfristig realistische Chance auf Schutz vor einer HIV-Infektion. „Allerdings müssen potenzielle Impfstoffe nicht nur für die Industrienationen, sondern vor allem für die Dritte Welt erreichbar sein“, betonte Heide. Aus diesem Grund kooperiert die Deutsche Aids-Stiftung mit der International Aids Vaccine Initiative (IAVI), welche die Forschung von Impfstoffen für die Entwicklungsländer unterstützt. Denn von den 90 derzeit vorliegenden HIV-Vakzine-Kandidaten richtet sich die Mehrzahl gegen den Virussubtyp B, der in den Vereinigten Staaten und Westeuropa dominiert. Zwei Prüfimpfstoffe gegen den HIV-Subtyp A, der in Kenia und anderen Teilen Afrikas vorherrscht, werden von der IAVI unterstützt. Beide Vakzine werden in Nairobi in einer Phase-II-Studie getestet. „Die erste Komponente einer Mehrfachimpfung, die an der Universität Oxford entwickelt und von den Impfstoffwerken Dessau-Tornau produziert wird, gilt nunmehr als verträglich und löst eine Immunreaktion aus“, sagte Dr. Matthias Wienold (Deutsche Aids-Stiftung).
Sonderkonditionen für Patente
Um bürokratische und logistische Hindernisse für die rasche Umsetzung von klinischen Impfstudien in Afrika zu minimieren, hat die IAVI eine so genannte Entwicklungspartnerschaft (Vaccine Development Partnership) konzipiert. Im Rahmen dieses Projektes wird die Technik aus einem industrialisierten Land in das Entwicklungsland transferiert, und die Patentrechte werden dort zu Sonderkonditionen zur Verfügung gestellt. „Durch Vereinbarungen wird festgelegt, dass die Verwertungsrechte der Impfstoffe für Entwicklungsländer bei der IAVI verbleiben, wodurch niedrigere Preise für die von Aids betroffenen Länder erreicht werden können“, erklärte Wienold. Ein Paradebeispiel dafür, dass diese ambitionierte Aufgabe mit Erfolg und in Rekordzeit umgesetzt werden könne, sei die Oxford-Nairobi-Partnerschaft, die derzeit die Standortvorbereitungen für die Phase-III-Studie der Vakzine in Kenia plant.
Um die Erprobung von Impfstoffen zu beschleunigen und nichtindustriellen Entwicklern zu öffnen, wird derzeit von der Europäischen Union eine „Clinical Trials Platform“ aufgebaut. „Im Rahmen der EU-Förderung wird das Projekt EUROVAC mit 8,8 Millionen Euro gefördert“, sagte Prof. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen Aids-Gesellschaft, in Bonn. Im Rahmen des Projektes arbeiten 20 Arbeitsgruppen aus acht Ländern zusammen. Deutsche Teilnehmer sind Wissenschaftler der Universität Regensburg, die einen Impfstoff entwickelt haben, der von den Impfstoffwerken Dessau-Tornau hergestellt wird und nächstes Jahr in Europa und China am Menschen erprobt werden soll.
Seit November wird an Kliniken in München und Erlangen auch eine Aids-Vektor-Vakzine auf Verträglichkeit getestet. Als Vektoren dienen gentechnisch veränderte, harmlose Vakzinia-Viren, in die der Bauplan für das HIV-Protein Nef eingeschleust wurde. Nef wird von HIV-infizierten Zellen gebildet und sorgt für eine effektive Vermehrung des Erregers im Körper. Dies soll der Vektor-Impfstoff erschweren. An der Vakzinestudie arbeiten die Firma Bavarian Nordic aus Martinsried, das Karolinska-lnstitut in Stockholm sowie die finnische Universität Tampere. Keiner der bisher getesteten Impfstoffkandidaten bietet einen verlässlichen Schutz vor einer HIV-Infektion; sie können nach den Ergebnissen der Tierstudien lediglich den Ausbruch der Aidserkrankung verzögern (therapeutische Impfung). Dr. med. Vera Zylka-Menhorn