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Darmentzündungen: Vorteile von Azathioprin noch zu wenig genutzt


In solchen Fällen wird oftmals zum Skalpell gegriffen und das kranke Darmstück reseziert. Leider werden diese chronisch-aktiven Verlaufsformen in letzter Zeit häufiger. Bevor jedoch eine Resektion durchgeführt wird, sollte eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin versucht werden, forderte Dr. Max Reinshagen aus Ulm.
Individuelle Dosierung verringert Nebenwirkungen
Für solche Fälle sollte der Wirkstoff – zum Beispiel Zytrim® 50 – als „Disease-modifying-drug“ einen festen Stellenwert in der Therapie erhalten. So lautet die Kernaussage bei einem Workshop der
Firma Merckle anlässlich der 56. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselstörungen in Münster.
Die therapeutischen Vorteile von Azathioprin werden für Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa von den niedergelassenen Gastroenterologen noch zu wenig genutzt. Dabei sind die Risiken der Substanz vertretbar. Azathioprin wirkt antiproliferativ auf mitotisch aktive Lymphozyten und unterdrückt die überschießende Immunreaktion des darmassoziierten Immunsystems. Zahlreiche klinische Studien und Metaanalysen belegen, dass Azathioprin beziehungsweise sein Metabolit 6-Mercaptopurin (6-MP) chronisch-aktive entzündliche Darmerkrankungen zur Remission führt; diese Remission könne durch dauerhafte Einnahme von Azathioprin aufrechterhalten werden, berichtete Reinshagen anlässlich der Tagung in Münster.
Nach einer Latenzzeit von drei bis vier Monaten induziert das Immunsuppressivum eine messbare klinische Besserung und erlaubt eine schrittweise Reduktion der Steroiddosis, häufig bis auf null. Binnen weniger Monate kommen ungefähr drei Viertel der Patienten in Remission. Die immunsuppressive Therapie mit Azathioprin sollte über vier Jahre fortgesetzt werden.
Ein großer Teil von Azathioprin wird im Organismus über die Thiopurinmethyltransferase (TPMT) in
6-Methylmercaptopurin umgewandelt. Die Aktivität von TPMT ist aber genetisch determiniert. Etwa elf Prozent der Menschen wiesen aufgrund einer Mutation im TPMT-Gen eine schwächere TPMT-Aktivität auf, bei 0,3 Prozent sei sie sogar sehr stark reduziert, erläuterte Reinshagen. Diese Veränderungen sind offenbar die Ursache für die individuelle therapeutische Wirksamkeit sowie für die dosisabhängigen unerwünschten Effekte von Azathioprin.
Bei zu schwacher TPMT-Aktivität wird mehr Azathioprin zum aktiven Metaboliten 6-Thioguanin (6-TNG) umgewandelt. Es entstehen überhöhte Wirkstoffspiegel, die toxische Effekte wie Leukopenie induzieren können. Patienten mit hohen 6-TGN-Spiegeln kommen aber auch häufiger in Remission als Patienten mit niedrigeren Konzentrationen. Es sollte daher die Standarddosis von 2,5 mg/kg/KG den individuellen 6-TGN-Spiegeln angepasst werden, um Wirksamkeit und Verträglichkeit von Azathioprin zu optimieren. In einer von der Firma Merckle unterstützten Studie wird jetzt die Dosisanpassung überprüft.
Bei Frauen Kontrazeption sicherstellen
Azathioprin ist seit vielen Jahren im klinischen Gebrauch; seine Nebenwirkungen und Risiken sind deshalb gut bekannt. In der Kurzzeittherapie treten unerwünschte Effekte bei zwei Prozent, in der Langzeittherapie bei 18 Prozent der Patienten auf. Als häufigste Nebenwirkung nannte Prof. Dr. Andreas Stallmach (Homburg/Saar) die Entwicklung einer cholestatischen Hepatitis, einer Pankreatitis sowie einer Knochenmarkdepression.
Treten solche gravierenden Nebeneffekte auf, empfiehlt Stallmach, zunächst eine Umstellung auf 6-MP zu erwägen. Obwohl 6-MP der aktive Metabolit von Azathioprin ist, scheint die Hälfte der Patienten mit Azathioprin-Intoleranz dieses Medikament zu vertragen. Ist aber eine symptomatische Pankreatitis (typischerweise in der zweiten bis vierten Behandlungswoche) aufgetreten, muss die Substanz abgesetzt und darf auch nach Abklingen der Symptome nicht wieder gegeben werden.
Unter der immunsuppressiven Therapie mit Azathioprin ist außerdem das Risiko für Infektionen, Leukopenie, Thrombopenie, Anämie, allergische Reaktionen und Neoplasien leicht erhöht. Darüber sollten die Patienten aufgeklärt werden, erklärte Stallmach. Ebenso müsse während der Therapie eine Kontrazeption sichergestellt sein. Wird eine Patientin dennoch schwanger, stellt dies nach Angaben von Stallmach keine generelle Indikation für einen Abbruch dar. Siegfried Hoc
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