ArchivDeutsches Ärzteblatt3/2002Arzneimittelausgaben: Mit freundlichen Grüßen

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Arzneimittelausgaben: Mit freundlichen Grüßen

Korzilius, Heike

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LNSLNS Die Neujahrspost von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) an die Spitzenverbände von Ärzten und Krankenkassen hat vor allem in der Presse für Wirbel gesorgt. Aufgeschreckt durch die aktuellen Zahlen zu den Arzneimittelausgaben – die Apothekenrechenzentren verzeichneten für Oktober 2001 einen Anstieg von 13,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat –, sah sich die Ministerin zu einem Mahnschreiben veranlasst. Darin stellt sie fest, dass die Zielvereinbarungen und die damit verbundenen Wirtschaftlichkeitsziele, die Kassen und Kassenärztliche Vereinigungen im Zuge der Budgetablösung ausgehandelt haben, „offenbar vor Ort beim einzelnen Vertragsarzt nicht hinreichend greifen“. Sie hat nun die Selbstverwaltung zum Handeln aufgefordert und ein enges Zeitraster gesetzt: Ab Februar fordert sie eine bundesweite Informationskampagne inklusive konkreter „Maßnahmen zur Aktivierung von flächendeckenden Wirtschaftlichkeitsprüfungen“, im März soll eine Auswertung über die Wirkung der Zielvereinbarungen vorliegen.
Die Presse wertet den Brief als Eingeständnis politischer Fehler. Die Kassen stoßen in dasselbe Horn. Hatten sie doch gleich bei Schmidts Ankündigung, die Arzneimittelbudgets abzuschaffen, explodierende Arzneimittelkosten prophezeit.
Doch man sollte sich nichts vormachen. Selbst der als Schmidt-Sympathisant unverdächtige Ex-Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Ende seiner Amtszeit erkannt, dass das Arzneimittelbudget zur Steuerung der Ausgaben untauglich ist. Die Ministerin weist zu Recht immer wieder darauf hin, dass die Ärzte auch ohne Budget nicht aus der Wirtschaftlichkeitsverantwortung entlassen sind. Aber der Selbstverwaltung – allen voran den Ärzten – jetzt indirekt die alleinige Verantwortung für weiter steigende Arzneimittelausgaben zuzuschieben greift zu kurz. Mit „intensiveren Bemühungen“ allein ist es nicht getan. Die Politik sollte nicht vergessen, dass es sich bei Steuerungsinstrumenten wie Zielvereinbarungen um eher mittelfristig wirksame Maßnahmen handelt, die das Verordnungsverhalten, nicht aber die Preise beeinflussen können.
Letztere Chance hat die Bundesregierung durch den „Kanzler-Deal“ mit der Pharmaindustrie selbst verspielt. Zwar dürfte der Erfolg der Zielvereinbarungen ein Prüfstein für die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung sein. Auf den Prüfstand gehört jedoch viel mehr.
Heike Korzilius

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