

Sie stellte klar, dass es zur solidarischen Krankenversicherung
und zum GKV-Leistungsanspruch keine Alternative gibt.
Ulla Schmidt geht in die Offensive. Zu ihrem einjährigen Dienstjubiläum berief die Bundesgesundheitsministerin am 22. Januar in Ber-
lin eigens eine Pressekonferenz ein, um Erfolge zu vermelden und einen Ausblick auf weitere Reformen zu geben. Schmidt steht unter enormem Druck. Die Opposition wirft ihr Konzeptlosigkeit und mangelnde Bereitschaft für eine grundlegende Gesundheitsreform vor. Parteiinterne Konkurrenten fahren der Ministerin immer wieder mit jeweils eigenen Reformvorschlägen in die Parade. Es wird zuweilen offen bezweifelt, dass Schmidt die Zügel in der Gesundheitspolitik noch in der Hand hält.
Ihren Auftritt in Berlin nutzte sie, um gleich zu Beginn zum Schlag gegen die Opposition auszuholen. Im Gegensatz zu dieser setze sie nicht auf die Verweigerung von Leistungen oder die Privatisierung des Krankheitsrisikos. Basis für alle Reformen bleibe die solidarische Finanzierung des unkalkulierbaren Gesundheitsrisikos in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der umfassende Leistungsanspruch der Versicherten. „Damit haben die Wählerinnen und Wähler am 22. September eine klare Alternative in der Gesundheitspolitik“, gab sich Schmidt kämpferisch.
Sie will offenbar weg vom Image der „Beruhigungspille“, der charmanten Rheinländerin, die im Auftrag des Kanzlers für Ruhe an der Gesundheitsfront sorgt. Auf 15 Gesetz- und Verordnungsentwürfe könne sie am Ende ihres ersten Amtsjahres zurückblicken. Sie habe damit dazu beigetragen, Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung zu verbessern. Schmidt zählte auf: Die Reform des Risikostrukturausgleichs habe den Wettbewerb der Kassen um junge, gesunde Versicherte beendet, und die Disease-Management-Programme hätten die Versorgung chronisch Kranker verbessert – Kostenersparnisse für die Krankenkassen inklusive. Das Fallpauschalengesetz, das dem Bundesrat zur Entscheidung vorliegt, ermögliche den Vergleich von Kosten und Qualität im Krankenhaus.
Das wichtigste Signal für einen gesundheitspolitischen Wandel dürfte aber die Abschaffung der Arzneimittelbudgets und des Kollektivregresses gewesen sein. Dafür gab es Beifall von den Ärzten, die seit Jahren intelligentere Steuerungsmechanismen für die Arzneimittelausgaben gefordert hatten, und – angesichts einer desolaten Finanzlage – Schelte von den Krankenkassen. Aber: Es allen recht zu machen käme einer Quadratur des Kreises gleich, meinte die zu Beginn ihrer Amtszeit auf Harmonie und Ausgleich bedachte Ministerin.
KV-Monopol abschaffen
Hatte Schmidt Mitte letzten Jahres noch bezweifelt, dass in puncto Gesundheitsreform der „große Wurf“ gelingen kann, und sich auf eine Reform der kleinen Schritte berufen, sah sie sich – politisch unter Zugzwang geraten – im Dezember veranlasst, die Karten auf den Tisch zu legen und ihre Reformpläne für die Zeit nach der Bundestagswahl darzustellen. Ursprünglich sollte dies dem SPD-Parteitag im Frühjahr vorbehalten sein. Von daher entsprach das Konzept, das sie jetzt in Berlin präsentierte, im Wesentlichen dem vom Dezember 2001 (DÄ, Heft 50/2001). Damals hatte Schmidt sich noch klar zum Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen bekannt. Jetzt will sie daran nur noch in Regionen festhalten, in denen es Versorgungsengpässe gibt. „Das KV-Monopol in der Vertragsgestaltung kann keinen Bestand haben“, sagte Schmidt. „Die Ärzte müssen die Freiheit haben zu wählen, ob sie Verträge direkt mit den Kassen abschließen oder über die KVen.“ Man darf spekulieren, ob dieser Meinungsumschwung von ihrem Parteifreund und Konkurrenten, dem rheinland-pfälzischen Gesundheitsminister Florian Gerster, beeinflusst ist. Dieser plädiert offen dafür, die KVen abzuschaffen und den Krankenkassen den Sicherstellungsauftrag zu übertragen. Hier drängt sich allerdings die Frage auf, wie man eine völlige Zersplitterung der Versorgungslandschaft verhindern will, wenn rund 400 miteinander um günstige Beitragssätze konkurrierende Krankenkassen Einzelverträge mit Ärzten und Arztgruppen schließen – abgesehen davon, dass verschiedene Kassen nicht eben erpicht darauf sind, den Sicherstellungsauftrag zu übernehmen.
Umstritten ist auch Schmidts Plan, die Versicherungspflichtgrenze anzuheben, um auf diese Weise die Finanzbasis der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verbreitern. Damit könnten weniger Versicherte in die private Krankenversicherung wechseln. Die Beitragsbemessungsgrenze, an der sich die Höhe der Beiträge orientiert, will die Ministerin jedoch – vorerst – nicht antasten.
Was die Durchsetzung ihrer Reformpläne betrifft, gab sich Schmidt optimistisch. Das Konzept sei in den Grundlinien abgestimmt. „Ich arbeite sehr eng mit der Fraktion und der Partei zusammen“, versuchte sie Zweiflern den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Ich habe keine ärgerlichen Fehler gemacht“, antwortete Schmidt auf die Frage einer Journalistin – nach kurzem Nachdenken: „Ich hätte Reform 2001 auf die 15 Gesetz- und Verordnungsentwürfe draufschreiben sollen. Dann hätte ich mir viele Diskussionen erspart.“ Heike Korzilius