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Deutsche (Gesundheits-)Politik: Ein klares Jein


Eines wird dabei übersehen: Wieder hat die Politik nicht den Mut aufgebracht, zu einer klaren Entscheidung zu kommen, wieder einmal hat sie ein entschiedenes „Jein“ zustande gebracht. Die Meinungsverschiedenheiten über den genauen Wortlaut des nun fälligen Gesetzes zeigen einmal mehr, dass Politik hierzulande nicht mehr die Kunst des Machbaren bedeutet, sondern vielmehr die Kunst, jedes größere Problem ungelöst vor sich herzuschieben.
Die Nicht-Entscheidung des Bundestages zur Embryonenforschung ist nur ein Beispiel für die lähmende Unentschlossenheit der Politik. Wohin man blickt in der Gesundheitspolitik – überall herrscht Stillstand. Wem kann man noch plausibel vermitteln, dass es über eine schier endlose Zeit hinweg nicht möglich ist, die Medizinerausbildung zu reformieren? Wer – außer einer Hand voll Experten – ist noch in der Lage, innerhalb eines Krankenversicherungssystems, das dringend reformbedürftig ist, aber seit Jahrzehnten Opfer einer detailversessenen Regelungswut ist, den Überblick zu bewahren? Wie immer man zur Rezertifizierung der ärztlichen Approbation stehen mag – fast unerträglich ist die Vorstellung, dass dieses Thema in den nächsten zehn Jahren landauf, landab in diversen Ländergremien behandelt wird, ohne dass eine klare Entscheidung fällt. Das föderale System, für dessen Etablierung es einmal gute Gründe gab, dient inzwischen dazu, jeden Reform-
ansatz, der den Abstimmungsprozess auf Bundesebene überstanden hat, aus politischem Kalkül oder Koalitionsräson zunichte zu machen.
(Gesundheits-)Politiker müssen entscheiden, und sie müssen die Verantwortung dafür übernehmen. Politik kann nicht heißen, es jedem recht machen zu wollen und jedem größeren Problem elegant aus dem Weg zu gehen. Aber noch herrscht die Devise „im Großen kleckern, im Kleinen klotzen“ vor. Und so freuen wir uns auf die Gesetzesinitiative der Bundesregierung, mit der Jugendlichen unter 16 Jahren mithilfe einer Chipkarte die Benutzung von Zigarettenautomaten verwehrt werden soll. In welcher Welt leben die Politiker? Thomas Gerst
Hirschberg, Eberhard