ArchivDeutsches Ärzteblatt11/2002Alkoholassoziierte Organschäden: Alkohol als Brustkrebsrisiko beachtlich
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS Frauenärzte können mit zwei alkoholbedingten Krankheitsphänomenen konfrontiert werden: Der Alkoholembryopathie – wovon jährlich über 2 000 Kinder betroffen sind – und der Brustkrebsrisikoerhöhung durch Alkoholkonsum. Wie oft bei etwa 45 000 Brustkrebsneuerkrankungen pro Jahr dieser Aspekt relevant sein könnte, lässt sich bei uns schwer abschätzen, dürfte aber zahlenmäßig bedeutsam sein – nach einer Studie in Italien bei etwa 12 Prozent (2).
Dazu Daten aus der vor drei Jahren publizierten italienischen Fallkontroll-Multicenter-Studie an über 2 500 Frauen mit Brustkrebs und Kontrollgruppe: Eine multivariate Odds Ratio (OR) von 1,21 bis 6 g Alkohol täglich und OR von 1,41 bei über 27 g Alkohol täglich sind bemerkenswerte Brustkrebsrisikoerhöhungen. Dieser signifikante Trend mit höheren Alkoholmengen gilt vor allem für prämenopausale Frauen: OR 1,80 bei mehr als 27 g Alkohol täglich.
Für Italien wurde daraus hochgerechnet, dass bei solch einer Kausalität etwa 12 Prozent der Brustkrebserkrankungen erklärbar seien. Alkohol wäre damit einer der wesentlichsten vermeidbaren Brustkrebsrisikofaktoren – wie BMI über 29 mit OR 1,39 Brustkrebsrisikoerhöhung (1).
Interessant ist, dass es durch die beiden Noxen Alkohol über 27 g (zum Beispiel 1/3 l Weißwein) täglich prämenopausal und Body-Mass-Index über 29 postmenopausal (zum Beispiel 165 cm/ 80 kg), es zu jeweils 40 Prozent Brustkrebsrisikoerhöhung kommen soll. Das müsste mehr als bisher zu Aufklärungsaktivitäten führen und wäre eventuell auch nicht teurer als flächendeckende Mammographiescreening-Programme, die eventuell nicht mehr Brustkrebse im frühen und damit prognostisch günstigen Stadium entdecken als Alkohol Brustkrebse induziert. Die Datenlage wäre ausreichend für entsprechende Brustkrebspräventions-Kampagnen. Dazu noch eine ebenfalls vor drei Jahren publizierte Analyse von sechs prospektiven Studien (3) mit über 4 000 Brustkrebspatientinnen aus einem Gesamtkollektiv von 322 000 Frauen: Ab 10 g Alkohol zeigte sich ein linearer Bezug zum Brustkrebsrisiko. Bei 30 bis 60 g Alkohol täglich wurde multivariat justiert eine Risikoerhöhung um den Faktor 1,41 gegenüber Frauen ohne Alkoholkonsum errechnet. Den wenigsten Frauen ist bekannt, dass bei alkoholinduzierten Krebsen der Brustkrebs an dritter Stelle steht nach Mundhöhlen-Pharynx-Larynx-Krebsen und Leberkrebsen.
Wie oft die Schwellendosis von etwa 10 g Alkohol täglich (zum Beispiel 1/4 L Bier oder 1/8 L Weißwein) von Frauen in den einzelnen Altersstufen erreicht wird, wäre für die Brustkrebsrisiko-Abschätzung bedeutsam. Lange bekannt ist, dass Frauen ein doppelt so hohes Risiko für Alkoholschäden wie Männer haben beziehungsweise nur „halb so viel vertragen“.
Die Kollegen Singer und Thyssen verweisen darauf, dass die postulierten 30 g Alkohol täglich zur KHK-Prävention nur bei Männern gelten – für Frauen liege die Grenze deutlich darunter. Unter obigen Aspekten sollten Frauen auf regelmäßigen täglichen Alkoholkonsum von über 10 g verzichten.
Literatur
1. Favero A, Parpinel M, Franceschi S: Diet and risk of breast cancer: major findings from an Italian case-control study. Biomed Pharmacother 1998; 52: 109– 115.
2. Ferraroni M, Decarli A, Franceschi S et al.: Alcohol consumption and risk of breast cancer: a multicentre Italian case-control study. Eur J Cancer 1998; 34: 1403– 1409.
3. Smith-Warner S, Spiegelman D, Yaun SS et al.: Alcohol and breast cancer in women: a pooled analysis of cohort studies. JAMA 1998; 279: 535–540.

Prof. Dr. med. J. Matthias Wenderlein
Universitätsfrauenklinik Ulm
Prittwitzstraße 43
89075 Ulm

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Stellenangebote