ArchivDeutsches Ärzteblatt12/2002Bündnis 90/Die Grünen: Denken – bis übermorgen

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Bündnis 90/Die Grünen: Denken – bis übermorgen

Rabbata, Samir

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LNSLNS Wer weiß schon, wie unsere Welt in 20 Jahren aussieht? Haben wir bis dahin fremde Planeten besiedelt? Hat uns die Gentechnik den Menschen nach Maß beschert? Liegt der durchschnittliche Beitragssatz der Krankenkassen bei 20 Prozent? Bündnis 90/Die Grünen sind angetreten, zumindest einige dieser Zukunftsszenarien zu beeinflussen. „Grün 2020 – wir denken bis übermorgen.“ Mit diesen markigen Worten überschreiben sie ihr neues Grundsatzprogramm, dem die Bundesdelegiertenkonferenz in Berlin jetzt zustimmte. In ihren gesundheitspolitischen Plänen sprechen sich die Grünen für eine Erweiterung der GKV-Beitragsbemessungsgrundlage aus. Künftig wolle man über den Abbau der Sonderregelungen für Beamte und Selbstständige nachdenken. Außerdem sollen Sozialhilfeempfänger und Zuwanderer Zugang zur GKV haben.
Von einer Aufteilung des GKV-Leistungskataloges in Grund- und Wahlleistungen ist im neuen Grundsatzprogramm von Bündnis 90/Die Grünen nicht direkt die Rede. Man wolle aber die Wahlmöglichkeiten für Patienten verbessern. „Wahlfreiheit im Gesundheitswesen bedeutet für uns, dass Versicherte die Möglichkeit haben, sich im Krankheitsfall zwischen unterschiedlichen qualitätsgesicherten Angeboten und Therapien zu entscheiden.“ Man trete aber jedem Versuch entgegen, medizinisch notwendige Leistungen aus der solidarischen Finanzierung auszugliedern.
Die in den letzten Monaten kontrovers geführte Diskussion über die Zukunft des Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigungen findet sich in dem Grünen-Grundsatzprogramm kaum wieder. Etwas schwammig heißt es dazu nur: „Wo die überkommenden Strukturen der Selbstverwaltung notwendigen Reformen entgegenstehen, müssen sie verbessert werden.“
Im Juli letzten Jahres kündigte Fraktionschef Rezzo Schlauch an, die Gesundheitspolitik zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen. Im neuen Grundsatzprogramm der Partei kommt man aber über diffuse Willensbekundungen nicht hinaus. Vielleicht ahnen die Grünen, dass es sinnlos ist, konkrete Reformvorschläge zu machen, wenn niemand da ist, der die neuen Ideen politisch umsetzen kann. Im nächsten Deutschen Bundestag wird nämlich voraussichtlich kein einziger grüner Gesundheitspolitiker vertreten sein. Samir Rabbata

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