ArchivDeutsches Ärzteblatt14/2002Appetithemmer Sibutramin: Forderung nach Marktrücknahme

AKTUELL: Akut

Appetithemmer Sibutramin: Forderung nach Marktrücknahme

Koch, Klaus

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LNSLNS Eine amerikanische Verbraucherschützervereinigung fordert den Verkaufsstopp des Appetithemmers Sibutramin (Reductil®). Die einflussreiche Organisation „Public Citizen“ hat bei der US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) eine Petition eingereicht, das „inakzeptabel gefährliche“ Medikament sofort vom Markt zu nehmen. Seit der Zulassung im Februar 1998 habe es in den USA im Zusammenhang mit der Einnahme fast 400 Berichte über schwere Nebenwirkungen gegeben, schreibt die Organisation in einer Pressemitteilung, darunter 29 Todesfälle. „Es gibt keinen Beweis, dass das Medikament das Leben eines einzigen Patienten verlängert hat!“ sagt Dr. Sidney Wolfe, Sprecher der Organisation. Stattdessen habe es bei Patienten ein höheres Risiko von Schäden [. . .] zur Folge; auch die Wirksamkeit gegen Adipositas sei „mager“.

Das zentral wirkende Mittel gegen krankhaftes Übergewicht war von Anfang an umstritten, weil es bei manchen Patienten Blutdruck und Herzfrequenz erhöht. Die Aktion der US-Verbraucherschützer ist offenbar ausgelöst durch die knapp drei Wochen alte Entscheidung Italiens, die Zulassung von Reductil vorerst auszusetzen. Das italienische Gesundheitsministerium hatte den Vertriebsstopp angeordnet, nachdem es 50 Berichte über mögliche Nebenwirkungen des Appetithemmers gesammelt hat, darunter zwei Todesfälle. Derzeit klärt die Behörde, ob der in Italien frei verkäufliche Appetithemmer für die Todesfälle verantwortlich war.

Reductil wird in Deutschland seit Februar 1999 von der Firma Abbott (früher Knoll) verkauft, ist hier aber rezeptpflichtig. Das Verbot in Italien hat eine europaweite Überprüfung der Zulassung zur Folge, bislang hat aber kein anderes EU-Land den Verkauf gestoppt. Auch in Deutschland liegen über 70 Berichte über Nebenwirkungen vor, Todesfälle sind keine darunter. Das Pharmaunternehmen Abbott, das das Medikament in den USA unter dem Handelsnamen Meridia verkauft, beurteilt die Petition als „inkorrekt und irreführend“. „Public Citizen schadet Hunderttausenden Amerikanern, die ihre Adipositas sicher und erfolgreich kontrollieren“, schreibt das Unternehmen. In Studien an 12 000 Patienten habe es keine Zunahme von Herzinfarkten oder anderen Herz-Kreislauf-Komplikationen gegeben. Zudem liege die Rate der Todesfälle bei den weltweit 8,5 Millionen Sibutramin-Nutzern insgesamt niedriger als in einer vergleichbar adipösen Population. Public Citizen hat in der Vergangenheit gegen vier Medikamente Petitionen eingereicht, dreien hat die FDA mittlerweile die Zulassung entzogen, das vierte wurde deutlich eingeschränkt. Klaus Koch

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