ArchivDeutsches Ärzteblatt16/2002Chirurgie: Klinikwahl nach Operationszahlen

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Chirurgie: Klinikwahl nach Operationszahlen

Koch, Klaus

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LNSLNS Wer viel operiert, macht seltener Fehler. US-Forscher empfehlen überweisenden Ärzten und Patienten jetzt, diesen Satz stärker bei der Wahl einer Klinik zu berücksichtigen. Grundlage des Ratschlags ist die bislang umfangreichste Analyse zum Zusammenhang zwischen Operationszahlen eines Krankenhauses und der Sterblichkeit (New England Journal of Medicine 2002; 346: 1128). Die Forscher haben anhand der Akten der amerikanischen Krankenversicherung für Rentner (Medicair) nachverfolgt, wie es Patienten ergangen ist, die sich einem von insgesamt vierzehn Eingriffen unterzogen hatten: Das Spektrum reichte von Koronar-Bypass-Operationen bis hin zu Kolektomie. In allen Eingriffen ergab sich, dass Patienten, die sich in Kliniken mit hohen Operationsraten unters Messer legten, seltener an Operationskomplikationen starben, als Patienten, die weniger erfahrene Kliniken gewählt hatten. Allerdings fielen die Differenzen je nach Eingriff sehr unterschiedlich aus: Beim Koronar-Bypass lag die Mortalitätsrate in Häusern mit weniger als 230 Eingriffen pro Jahr bei 6,1 Prozent, bei Kliniken mit über 850 Operationen lag sie bei 4,8 Prozent – also etwa ein Fünftel niedriger. Krasser fiel der Unterschied bei der wesentlich selteneren Pankreasresektion aus. Hier lag die Sterblichkeitsrate in Kliniken, die etwa alle zwei Jahre solch einen Patienten operierten, bei 17,6 Prozent. Kliniken mit mehr als 16 Patienten pro Jahr kamen nur auf 3,8 Prozent.

Eine zweite Studie zeigt zudem, dass die postoperative Mortalität nur grobe Schlüsse über die Qualität einer Klinik und ihrer Chirurgen zulässt. Die Gruppe hatte ebenfalls anhand der Krankenversicherungsakten die Komplikationsraten nach radikaler Prostatektomie verglichen. Bei der Sterblichkeit gab es keine Unterschiede zwischen Kliniken, die weniger als 16 oder mehr als 51 Eingriffe pro Jahr vornahmen – sie lag bei 0,5 Prozent. Differenzen zeigten sich jedoch bei der Häufigkeit von Komplikationen: Das Risiko war in Häusern mit den kleinsten Operationszahlen bis zu 50 Prozent höher als in Kliniken mit großen Zahlen. Ähnlich deutlichen Einfluss hatte die Erfahrung des einzelnen Chirurgen: Bei Ärzten, die weniger als vier Eingriffe pro Jahr vornahmen, lag die Rate postoperativer Komplikationen bei 32 Prozent. Bei Kollegen, die mehr als 16 Prostata-Patienten operierten, waren es 26 Prozent.

Die Autoren beider Studien halten es für unwahrscheinlich, dass die Unterschiede alleine durch abweichende Zusammensetzung des Patienten-Klientels zu erklären sind. Solange es keine zuverlässigeren Informationen über die Qualität von Kliniken und Chirurgen gebe, sei die Wahl einer Klinik mit großen Operationszahlen die einzige Möglichkeit für einen Patienten, seine Aussichten zu erhöhen, eine Operation möglichst komplikationsfrei zu überleben. Klaus Koch

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