THEMEN DER ZEIT: Kommentar
Rehabilitation: Nur ein erster Schritt


Darüber hinaus wird ein Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten festgeschrieben. Die Zuständigkeit für beantragte Leistungen ist binnen 14 Tagen zu klären. Der Rehabilitationsträger hat den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen. Ist kein Gutachten erforderlich, muss drei Wochen nach Antragseingang entschieden sein. Wird nicht entschieden, muss dies begründet mitgeteilt werden. Ohne Mitteilung oder bei unzureichender Begründung kann ein Leistungsberechtigter dem Rehabilitationsträger eine Frist setzen und sich nach deren Ablauf die Leistung selbst beschaffen. Der Rehabilitationsträger hat die entstandenen Aufwendungen zu erstatten.
Rehabilitation wird im deutschen Gesundheitswesen wenig beachtet. Jeder bezeichnet sie als unverzichtbar. Auch gelten die Grundsätze „Rehabilitation vor Rente“ und „Rehabilitation vor Pflege“, aber nur wenige setzen sich dafür ein. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Schon die Unterteilung in „medizinische“, „berufliche“ und „soziale Rehabilitation“ führt zu Abgrenzungs- und Verständigungsschwierigkeiten. Oftmals werden Kuren noch mit Spott und Ironie bedacht: „Morgens Fango, abends Tango“ prägt das bei Patienten und (Haus-)Ärzten vorherrschende Bild von Rehabilitation. So sind die niedergelassenen Ärzte Schlusslicht im Verordnen von Rehabilitation: unter drei Prozent. Angst, Patienten zu verlieren? Nach Rehabilitation erfolgen weniger Arztkontakte und Medikamentenverordnungen.
Von niedergelassenen Ärzten ist auch zu hören: „Was in der Rehabilitation gemacht wird, kann ich auch in meiner Praxis. Gebt den Finanzierungstopf den Niedergelassenen, dann klappt das besser.“ Welch ein Trugschluss! Vertragsärzte sind überlastet. Zusätzlich solch komplexe Aufgaben übernehmen?
Es geht um Kompetenz. Der zunehmend mündige Patient ist wählerisch. „Halbgott in Weiß“ ist out. Heute hat der Arzt als sachverständiger Partner des Patienten zu handeln. Wie ein Trainer einen Sportler leitet, soll der Arzt dem Patienten Wege zeigen, Erkrankung zu behandeln, Folgen zu mindern, zu akzeptieren und ins eigene Leben zu integrieren.
Selbsthilfegruppen fordern zu Recht, dass Behinderte nicht nur – von Ärzten – abhängig sein sollen. Der Patient will meist wissen, was ist und was unternommen wird. Dies erfordert Zeit, Zuwendung und Ruhe für Gespräche. Das Honorar solcher Beratung ist nicht üppig. „Ruck-zuck-Haltung“ wird dadurch Vorschub geleistet. Entscheidend ist der koordinierte Ansatz einer Rehabilitation, den das neue Gesetz jetzt vorschreibt.
Medizinische Rehabilitation, auch präventiv, kann nicht von niedergelassenen Ärzten erbracht werden. Berufliche und soziale Rehabilitation erst recht nicht, weil sie die Bewältigung von Integrationsstörungen anstreben. Diagnostik und Therapie sind Basis einer Rehabilitation, nicht alleinige Ziele wie beim niedergelassenen Arzt.
Frühestmögliche Rehabilitation erzielt beste Ergebnisse. Bisher war fehlende Verzahnung von Therapie, Rehabilitation sowie fördernd-fordernder Pflege wesentlicher Hemmschuh. Nach § 27 SGB IX muss jetzt Rehabilitation mit der Therapie beginnen. Die Rehabilitationsträger sind gesetzlich zum gemeinsamen Handeln, zur Abstimmung und zur Koordination ihrer Aufgaben verpflichtet. Dies führt zum Rehabilitationskonzept. Gegenüber Patienten und Beteiligten, beispielsweise Selbsthilfegruppen, ist darzulegen, warum etwas, warum so, anderes aber nicht gemacht werden soll. Eine neue Rolle für Ärzte!
Rehabilitationskliniken sind verpflichtet, die Qualität ihrer Versorgung, für die sie haften, zu sichern und fortzuentwickeln. Das Rehabilitationsgesetz beseitigt bisherigen Vorschriften- und Zuständigkeitswirrwarr, schafft eine einheitliche Grundlage. Dies erreicht zu haben ist viel, aber zugleich nur ein erster Schritt.
Dr. med. Wolfgang Wagener, Meerbusch
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