SUPPLEMENT: Praxis Computer
Echtzeit-Rekonstruktion von Röntgenaufnahmen: Schnelle Berechnung von Volumenbildern
Dtsch Arztebl 2002; 99(18): [16]


Seit etwas mehr als hundert Jahren wird die Röntgenstrahlung dazu genutzt, in den menschlichen Körper „hineinzuschauen“. Jeder kennt den Fall von Knochenbrüchen, die mit diesen bildgebenden Verfahren untersucht werden können. Seit den 70er-Jahren steht der Medizin ein noch mächtigeres Werkzeug zur Verfügung: die Computertomographen, die nicht nur eine Projektionssicht, sondern eine volle dreidimensionale Darstellung ermöglichen.
Das Besondere an diesen Geräten ist ihre Mechanik: Sie ist so entwickelt worden, dass die für die dreidimensionale Rückrechnung notwendigen Algorithmen einfach bleiben und der Benutzer sich in relativ kurzer Zeit die dreidimensional errechneten Volumina anschauen kann.
Aufgrund der immer weiter gestiegenen Rechenleistung ist es jetzt sogar möglich, aus herkömmlichen Röntgenanlagen, wie zum Beispiel den C-Arm-Systemen, eine Rückrechnung durchzuführen. Derartige Systeme werden beispielsweise von der Firma Siemens AG vertrieben. Dennoch dauert die Rückrechnung trotz schneller Rechnersysteme mindestens zehnmal so lange wie die Aufnahme. Für die Praxis bedeutet dies eine relativ starke Einschränkung des Nutzens. Ideal wären eine sofortige Rückrechnungs- und dreidimensionale Darstellungsmöglichkeit der Volumendaten. Dies hätte vor allem in der Operationskontrolle erhebliche Vorteile, wie das folgende Szenario verdeutlicht.
Abbildung 1: Skizze, wie die Projektionsdaten in Richtung Röntgenquelle
„verschmiert“ werden.
Die Kontrolle einer solchen Operation lediglich mit Röntgendurchleuchtung genügt nicht immer, um mögliche Fehler zu entdecken. Gelegentlich kann es sein, dass sämtliche Röntgenbilder darauf hindeuten, dass die Schraube nicht in das Gelenk ragt – eine Volumenaufnahme jedoch beweist das Gegenteil. Zur sicheren Operationskontrolle sollte daher die 3-D-Option bei Knochenoperationen Standard sein.
Volumenaufnahmen kosten im Operationssaal allerdings Zeit und erhöhen deshalb die Kosten des Eingriffs. Daher wird man sie, auch in begründeten Fällen, eher restriktiv nutzen. Ließen sie sich jedoch in wenigen Sekunden berechnen – der Umlauf eines C-Bogens für die Aufnahme kostet etwa vier Sekunden –, könnte das erheblich dazu beitragen, dass die Technik der dreidimensionalen Rückrechnung verstärkt eingesetzt wird.
Vor allem ließe sich das Verfahren auch in Notfällen nutzen, in denen der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle spielt und eine dreidimensionale Sicht viele Entscheidungen besser absichern kann.
Beschleunigung des Verfahrens
Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgruppe des Autors am „Institute for computational Medicine“ (ICM) der Universitäten Mannheim und Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. Reinhard Männer) mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Wolfgang Schlegel (Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg) und Dr. Joachim Hornegger (Siemens, Forchheim) untersucht, wie eine schnelle dreidimensionale Rückrechnung von Röntgenprojektionen in Volumen mit einer möglichst preiswerten Hardware durchführbar ist.
Das Verfahren, das in diesen Fällen bislang verwendet wird, ist die Feldkamp-Rekonstruktion bei Kegelstrahlprojektionen. Dabei geht man wie folgt vor: Man fährt das Röntgensystem um 180° um den Patienten herum und nimmt möglichst viele Projektionsbilder auf. Jedes dieser Bilder wird mit einer geeigneten Maske gefiltert. Danach werden die gefilterten Projektionsbilder in Richtung der Quelle in den Raum „verschmiert“ (siehe Abbildung 1). Sämtliche Beiträge der verschmierten Projektionen werden addiert und ergeben das gewünschte Volumen.
Sehr kostenintensiv bei diesem Verfahren ist dabei das Verschmieren der Röntgenprojektionen, das allein vom Rechenbedarf circa hundertmal mehr Kosten verursacht als die Vorfilterung. Hier gilt es anzusetzen, um die Rückrechnung zu beschleunigen.
Standardimplementierungen dieses Verfahrens haben das Problem, dass die Daten schneller verarbeitet werden, als sie vom Speicher gelesen werden können. Dies liegt daran, dass sich die Rechenleistung moderner Prozessoren alle 18 bis 24 Monate verdoppelt, wohingegen die Menge an Daten, die pro Sekunde aus dem Speicher ausgelesen werden können, sich kaum ändert. Daher ist zu überlegen, ob der Algorithmus so verändert werden kann, dass die Speicheranforderungen sich reduzieren.
Dies ist im Projekt tatsächlich gelungen. Die grundlegende Idee ist, dass jedes Projektionspixel beim Algorithmus mehrfach verwendet wird. Das Gleiche wird auch für die Volumenvoxel durchgeführt. Durch geschickte Wiederverwendung sowohl der Projektionspixel als auch der Volumenvoxel ließ sich zeigen, dass ein dafür geeigneter Prozessor bei n-fach parallelem Berechnen der Rückprojektion nicht mehr Daten vom Speicher benötigt als ein normaler Prozessor, der ein Volumenvoxel nach dem anderen berechnet. Damit sind bei einem geeigneten parallelen Prozessor beliebig parallele Rechenvorgänge möglich. Das Problem, die Daten in genügender Anzahl aus dem Speicher lesen zu können, entfällt. Diese Architektur wurde inzwischen zum Patent angemeldet.
Projektausblick
Auf der Medica 2001 konnte die Arbeitsgruppe acht Monate nach Projektbeginn bereits einen Prototyp vorstellen. Dieser wurde mit einem so genannten FPGA (Field Programmable Gate Arrays) realisiert, einem Chip, der sich mittels Software zu einem Spezialprozessor konfigurieren lässt. Dieser ist so schnell wie ein speziell für das Problem gefertigter Rechner. Eine mit diesem Chip bestückte Einsteckkarte für den PC von der Silicon Software GmbH wurde verwendet, um zu zeigen, dass man den Algorithmus auf diesen Chips realisieren kann. Auf diese Weise war es möglich, eine Projektion pro Sekunde zu bearbeiten, indem der Prozessor mit einfacher Parallelität implementiert wurde.
Abbildung 2: Das FPGA-System vom
Lehrstuhl Informatik V, Universität
Mannheim
Die Implementierungen an der neuen FPGA-Karte werden in Kürze abgeschlossen. Geplant ist, noch in diesem Jahr die Karte in ein C-Arm-System bei Siemens zu integrieren, um Evaluationsstudien bei Anwendern durchführen zu können. Aufgrund schnell fallender Kosten für die FPGA-Bausteine wird es auch bald möglich sein, relativ preiswerte Systeme für die Endkunden anzubieten und so die Kosten für eine bessere Behandlung niedrig zu halten. Jürgen Hesser
Kontaktadresse: PD Dr. rer. nat. Jürgen Hesser, Vertretung der Stiftungsprofessur Softcomputing und Visualisierung der Klaus-Tschirra-Stiftung (KTS), Institute for computational Medicine, Universitäten Mannheim und Heidelberg, B6, 23–29, 68131 Mannheim, Telefon: 06 21/1 81 26 35, E-Mail:jhesser@rumms.uni-mannheim.de
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.