VARIA: Feuilleton
Paradies: Hoffnungen und Sehnsüchte


Die Fassaden der
Gebäude geben
nicht nur Auskunft
über ihr jeweiliges
Baudatum, sondern
auch über die
Gemütsverfassung,
die Gebräuche und
die geheimsten Gedanken
der Menschen,
die sie errichtet
haben.
Alberto Savinio
Beschreibungen paradiesischer Welten gibt es in den meisten menschlichen Kulturen. Das Paradies erscheint als ein Ort und Zustand der Glückseligkeit. Die meisten Menschen sehen im Paradies auch eine Gegenwelt zum Alltagsleben. Die Unterschiedlichkeit der Paradiesvorstellungen künstlerisch umzusetzen, hat sich jetzt die Stadt Weil am Rhein vorgenommen. In einem ungewöhnlichen Kunstprojekt geben zurzeit an fünf Spielorten der Stadt Ausstellungen, Theater, Lesungen, Diskussionen und Feste Anlass zum Nachdenken. Sie regen nach Aussage des Kulturamts dazu an, „das eigene Verständnis vom Paradies auf Erden zu vertiefen, die Sinne zu öffnen für die vielfältigen und zauberhaften Ausdrucksformen paradiesischer Welten: in der uns umgebenden Natur,
in der Gestaltungskraft von Menschen und im eigenen Seelenleben“. Den Anfang machte eine Ausstellung des Arztes, Psychotherapeuten und Künstlers Prof. Dr. med. Rolf Verres, die bereits 1999 im Heidelberger Schloss zu sehen war. Verres beschäftigt sich vorwiegend mit Paradiesvorstellungen im Krankheitsprozess.
Er befasst sich mit diesem Thema, „weil der Tod und all das, was Menschen dazu denken, befürchten oder hoffen, in der Medizin ausgeblendet wird. Die Paradiesvorstellungen und -fantasien der Patienten können uns zu den spiritu-
ellen Bedürfnissen von Schwerkranken und Sterbenden führen.“ Und der Psychosomatiker will das Thema sogar auf die Tagesordnung der Medizin bringen. „Sie ist zu sehr auf die gesundheitlichen Gefahren, Risiken und Beschädigungen konzentriert, mit dem Ziel, sie irgendwie zu reparieren oder zu lindern. Immer wichtiger wird der Gedanke der Salutogenese, also die Hinwendung zu den inneren Stärken und Ressourcen eines Patienten – und dazu gehört auch, dass die Ärzte seine Hoffnungen und Sehnsüchte in ihr Menschenbild und in ihr therapeutisches Tun einbeziehen.“ Diese Seelsorge im weitesten Sinne sollte man nicht nur an die Theologen delegieren, fordert Verres.
Meine Worte sind wie die
Sterne, sie gehen nicht unter.
Jeder Teil dieser Erde ist
meinem Volk heilig, jede
glitzernde Tannennadel, jeder
sandige Strand, jeder Nebel
in den dunklen Wäldern, jede
Lichtung, jedes summende
Insekt ist heilig, in den Gedanken
und Erfahrungen meines
Volkes. Der Saft, der in den
Bäumen steigt, trägt die Erinnerung
des roten Mannes.
Häuptling Seattle
Abbildungen entnommen aus: Rolf Verres:
Paradies, Umschau Buchverlag, 224 Seiten
In einer korrespondierenden Ausstellung steht die Idee im Vordergrund, das Paradies aus der Sicht der Menschen in der Region und aus Weil am Rhein zu beschreiben. Das „Herzstück“ ist nach Angaben des Kulturamtes eine Serie von Interviews mit 50 Menschen, die von ihren Paradiesen er-zählen, von ihren Sehnsüchten und Glücksmomenten im Leben. Gisela Klinkhammer
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