THEMEN DER ZEIT
Ärztekammer Niedersachsen: Unternehmensphilosophie


Noch ist dies eine Vision: Informationstafeln an Hauptstraßen vermitteln
der Öffentlichkeit das Leitbild der Ärztekammer. Foto: A. Pagel
Aufgaben und Aktivitäten der Ärztekammer sein.
Ein schöner Gedanke: Auf großflächigen Plakatwänden an Straßen und Plätzen macht die Ärztekammer Niedersachsen in Wort und Bild darauf aufmerksam, dass sie nunmehr in Form eines Leitbildes über eine eigene Unternehmensphilosophie verfügt! Das Publikum erfährt zum Beispiel, welche Auffassung von Gesundheit die Kammer vertritt, wie sie sich das Wesen des Arzt-Seins vorstellt oder welche Aufgaben eine Ärztekammer eigentlich zu bewältigen hat. Was hier noch Vision ist, die plakative Außendarstellung der Dienstleistungskörperschaft Ärztekammer, hat allerdings bereits handfeste Grundlagen.
Als erste Landesärztekammer überhaupt präsentierten die Niedersachsen Ende vergangenen Jahres ein so genanntes Externes Leitbild, das nach der Beschlussfassung der Kammerversammlung ideelle und materielle Richtschnur ihrer künftigen Aufgaben und Aktivitäten sein soll. „Das nicht sehr freundliche Image einer bloßen Verwaltungsbehörde wollten wir loswerden und unsere Rolle als Dienstleistungspartner für unsere Mitglieder, aber auch für die Öffentlichkeit, vor allem für die Patienten, hervorheben. Dieser Prozess läuft bereits. Wir sind auf dem richtigen Weg“, meint dazu der Hauptgeschäftsführer der Ärztekammer Niedersachsen, Klaus Labuhn, der die Erarbeitung und Entwicklung des inzwischen dreistufigen Leitbildes seit Mitte der 90er-Jahre begleitet hat.
Zunächst kam es darauf an, die Mitarbeiter und Mandatsträger der Kammer über ein Internes Leitbild mit „ihrer“ Kammer zu identifizieren. „Wir haben uns vorgestellt“, so Labuhn, „dass jeder, der für die Kammer ehren- oder hauptamtlich tätig ist, erst einmal erkennen sollte, wofür er eigentlich in der ärztlichen Selbstverwaltung antritt.“
Hervorgehoben wird im Internen Leitbild die Teamfähigkeit der Mitarbeiter, die im jeweiligen Sachgebiet bereit sind, den Beratungs- und Service-Anspruch der Kammermitglieder als oberste Maxime ihrer Tätigkeit anzuerkennen. Jeder „Newcomer“ erhält bei Arbeitsaufnahme dieses Interne Leitbild sozusagen als festen Bestandteil seines Arbeitsvertrages ausgehändigt.
Fast schon zwangsläufig entwickelte sich komplementär dazu ein Externes Leitbild. Denn „Selbstverwaltung ist weder Selbstzweck noch Privileg, sondern Verpflichtung zu mitglieder- und gemeinwohlorientierter Verantwortung in einem bestimmten gesellschaftspolitischen Wirkungskreis“ – so steht es in der Präambel zur ersten Stufe des Externen Leitbildes, mit dem die Kammer ganz konkret ihre vielfältigen Aufgaben, Strukturen und Ziele beschreibt.
In einem wiederum längeren Clearing-Prozess versuchte sich eine interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe an der Aufgabe, ihre Stellung im vielstimmigen, bisweilen dissonanten Chor gesundheitspolitischer Institutionen anhand konkreter Strukturen und Aufgabenfelder unverwechselbar zu definieren. So wird etwa zum „Berufsrecht“ ausgeführt: „Die Ärztekammer Niedersachsen leistet qualifizierte Hilfe bei der Umsetzung der durch den Gesetzgeber und die ärztliche Selbstverwaltung gesetzten berufsrechtlichen Normen. . . . Nach dem Leitsatz ,Prävention vor Sanktion‘ räumt sie der Vermeidung berufsrechtlicher Verstöße Vorrang ein.“ Auch für die Tätigkeitsbereiche „Qualitätssicherung“, „Weiterbildung“ und „Fortbildung“ hebt die Körperschaft im Leitbild ihren umfassenden Dienstleistungsanspruch hervor.
Dort, wo sich Effizienz- und Effektivitätsfortschritte abzeichnen, hält das Leitbild auch Aussagen über mögliche Strukturveränderungsprozesse parat. Zum Beispiel beim Zentrum für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen, das „eine Verzahnung mit Einrichtungen der Fort- und Weiterbildung“ anstrebt.
Die völlige Außenorientierung schließlich erreicht die Ärztekammer Niedersachsen mit der dritten Stufe, die als Externes Leitbild II in einer Art gedanklicher Überbau grundsätzliche Fragen und Antworten zur Gesundheit, zum Arzt-Sein an sich, zum Wert des Arzt-Patienten-Verhältnisses und zu den daraus resultierenden Aufgaben der Ärztekammer formuliert. Auch überraschte die Kammer mit einem Novum bei der Erarbeitung dieser Leitbild-Stufe: Um zu erfahren, was ihre Partner-Institutionen im Gesundheitswesen, wie Krankenkassen und Krankenhausgesellschaften, selbst für Vorstellungen und Anforderungen an den Arzt-Beruf haben, holte die Gruppe ein Meinungsbild ein, das bei den Beratungen nach Ansicht von Labuhn durchaus eine Rolle gespielt hat.
Welche Bedeutung haben nun die verschiedenen Leitbilder im Tagesgeschäft der Kammer? „Wir tragen natürlich nicht die Leitbilder tagtäglich wie eine Monstranz vor uns her“, sagt Kammerpräsident Prof. Dr. med. Heyo Eckel. „Aber die gelegentliche Rückbesinnung und Orientierung auf die Kerngedanken unserer Arbeit sollte dann und wann schon erfolgen. Angesichts einer zunehmend heterogenen Mitgliedschaft brauchen wir mehr denn je eine für alle verbindliche Philosophie unserer berufsständischen Existenz.“
Leitbild bedarf ständiger Weiterentwicklung
Dass dieses Leitbild in all seinen Abschnitten ständiger Fortschreibung und Weiterentwicklung bedarf, ist für Eckels Stellvertreterin, die hannoversche Allgemeinmedizinerin Dr. med. Cornelia Goesmann, eine ausgemachte Sache: „Der gesellschaftliche Paradigmenwechsel bestimmt schließlich auch Rolle und Selbstverständnis des sich ebenfalls wandelnden Arztberufes. Stichworte wie Obdachlosenmedizin, Frauengesundheit, Altersmedizin, Ökologie und der psychosoziale Umgang mit gesellschaftlichen Randgruppen sind Beispiele dafür, dass die durch die Kammer vorrangig repräsentierte Ärzteschaft auch in den Bereichen aktiv ist, die gesellschaftspolitische Bezüge haben.“ Die Vielseitigkeit der Kammer ist es denn auch, die die Vizepräsidentin gern noch stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert hätte. Gelegentlich auch einmal auf großen Informationstafeln an städtischen Hauptstraßen . . . Rolf Heyde