SUPPLEMENT: Reisemagazin
China: Das „Reich der Mitte“ auf Westkurs
Dtsch Arztebl 2002; 99(42): [4]


„Boom Town“ Shanghai mit Blick auf Pudong
Fotos: Hans-Peter Sick
Statt himmlischer Ruhe wildes Gehupe der Autos, lautes Geklingel der Fahrräder. Auf der achtspurigen Dongchang’an-Straße in Chinas Hauptstadt Peking tobt der Großstadtverkehr. Frei nach dem Motto: Der Stärkere hat Vorfahrt. Waren noch vor wenigen Jahren mit Fracht völlig überladene Zweiräder das wichtigste Fortbewegungsmittel, sorgen immer mehr PKWs, Lastwagen und Busse im Millionenheer von Fahrrädern und Fußgängern im „Reich der Mitte“ für ein geordnetes Chaos, nicht nur in Peking.
Altehrwürdige Hotels
Am Tian’anmen-Platz wuselt es. Einheimische und Touristen lassen sich zwischen den wachhabenden Gardesoldaten vor der Mauer zur „Verbo-
tenen Stadt“ fotografieren. Kunstvolle Drachen flattern im Wind über dem Platz. Am Eingang zum Kaiserpalast lächelt noch immer der „Große Vorsitzende“ Mao-Tsetung von der Wand. Doch graublauer Mao-Einheitslook ist „out“. Chinas Schönheiten kleiden sich längst nach westlichem Vorbild.
Im Kaiserpalast herrscht Gedränge, ebenso im Himmels- palast. Nicht anders im Sommerpalast oder an der Großen Mauer, die sich bandwurmähnlich mit einer Länge von rund 6 300 Kilometern über Chinas Berge zieht und an der der Zahn der Zeit nagte, ehe sie mittlerweile an mehreren Stellen restauriert wurde. An den steilen Auf- und Abstiegen des einst unüberwindlichen Bollwerks bei Badaling, Simatei oder Mutianyu kommen wir immer wieder ins Schwitzen und sorgen so für körperliche Ertüchtigung.
In den zahlreichen Grünanlagen und Parks trimmt sich dagegen Chinas Milliardenvolk beim Frühsport. Schon kurz nach Sonnenaufgang bevölkern Hunderte von Bewohnern den kleinen Dongda-Park, mitten in Peking. Während sich eine Gruppe im Schattenboxen übt, meditiert die andere still. Zierliche Frauen zelebrieren die hohe Kunst des Schwerttanzes, den Chi Gun.
Boom Town Shanghai
Rund ein Vierteljahrhundert nach dem Tod von Mao im Jahr 1976 ist das noch immer sozialistische China auf seinem „langen Marsch“ endgültig im Kapitalismus angekommen. Eine der „Boom Towns“ ist Shanghai. In den Zwanzigerjahren das „Paris des Ostens“, wurde daraus zu Beginn des 21. Jahrhunderts die „Wall-street Asiens“. In nur einem Jahrzehnt wurde mit Pudong ein völlig neuer Stadtteil einschließlich internationalem Flughafen aus dem Boden gestampft. Wo vor zehn Jahren noch Ackerland und Reisfelder bestellt wurden, handelt Chinas „New Economy“ heute mit Aktien. Neben der neuen Börse entstanden dort der mit 468 Metern Höhe derzeit drittgrößte Fernsehturm der Welt, das mit 440 Metern höchste Hotelgebäude Asiens (grandioser Blick, der aber seinen Preis hat) und das von zwei überdimensionalen Weltkugeln eingerahmte Kongress-zentrum. Architekten aus al-
ler Welt bauten in Windeseile ein futuristisch anmutendes Konglomerat aus hypermodernen Wolkenkratzern, hinter denen sich Manhattan bald verstecken kann. Am Abend machen Leuchtreklame und Laserstrahlen Las Vegas alle Ehre. Aber nur bis 22 Uhr. Dann wird der Stromhahn gnadenlos zugedreht.
Altehrwürdige Hotels
Gegenüber am „Bund“, der Uferpromenade für rund 15 Millionen Einwohner entlang des Yangtse-Nebenflusses Huangpu, stehen noch die altehrwürdigen Jugendstil- und Art-déco-Häuser mit dem berühmten „Peace Hotel“, an der Ecke zur Nanking-Dajie, der 5,5 Kilometer langen Einkaufs- und Renommiermeile der Stadt. Für Europäer exotisch anmutende Viertel bleiben nicht nur in Shanghai immer mehr auf der Strecke. Schon heute strecken sich über 25 000 Hochhäuser mit mehr als 25 Stockwerken dem Himmel entgegen, windet sich die teilweise dreistöckige Stadtautobahn wie ein Polyp mit mächtigen Krakenarmen um Häuser und Geschäfte. Die kleinen Garküchen und Ramsch-Märkte in den Seitenstraßen wie der „Hou Shan Lu“ sind massiv von der Ausrottung bedroht.
Beliebtes Touristenziel in Peking: der Kaiserpalast
Den beliebten Garküchen droht im modernen
Shanghai der Untergang.
rittertum“ erlebt eine neue Blüte: An der neuen Schnellstraße wird an jeder Gemeindegrenze „Wegezoll“ in Form von Mautgebühren verlangt. Dafür entschädigt das Essen in einer „Dorfkneipe“ am Straßenrand. Einfach schmackhaft, was auf den Tisch der Sezchuan-Küche kommt.
Rund zwei Autostunden westlich von Chongqing liegt Dazhu, von der Unesco 1999 in den „Adelsstand“ eines „Weltkulturerbes“ erhoben. Mehr als 10 000 in Stein gemeißelte Buddha-Figuren aus der Tang-Dynastie (618 bis 907) haben selbst die gefürchtete „Kulturrevolution“ unbeschadet überstanden. Hauptattraktion ist der riesige „liegende Buddha“ mit seinen fast siebzig Metern Länge. Dabei ist er nicht einmal vollendet. Beeindruckend auch die leuchtenden Farben der Figuren und der einzelnen Schreine. Dazhu darf noch als Kleinod bezeichnet werden. Hans-Peter Sick
Reise-Tipps
Anreise: Ab Deutschland mit Linienflug (Lufthansa, Air China u. a.) nach Peking. Von dort mit Inlandsflügen nach Shanghai, Wuhan oder Chongqing. Eine 14-tägige Reise nach Peking und Shanghai mit Yangtse-Kreuzfahrt kostet zum Beispiel bei Gebeco ab 1 895 Euro pro Person, neun Tage Peking und Shanghai ab 908 Euro. Die Organisation einer Individualreise durch China ist noch immer sehr schwierig und zeitaufwendig.
Reisezeit: Die beste Reisezeit ist im Frühjahr oder Herbst. Im Sommer kann es sehr heiß werden, und es
herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Ein Regenschirm gehört ins Gepäck: zum Schutz gegen Sonne und Regen.
Sicherheit: China gilt als ein sicheres Reiseland. Wenngleich auch hier die Kleinkriminalität zugenommen hat, wurden Touristen bislang kaum Opfer, sieht man von Taschendiebstählen in den Ballungszentren der Städte einmal ab. Chinas Airlines fliegen mit modernstem Gerät und gelten als sicher.
Auskünfte: Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China, Ilkenhansstraße 6, 60433 Frankfurt/Main, Telefon: 0 69/52 01 35, Fax: 0 69/52 84 90.
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